Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.Meines Vaters Testament Meines Vaters Testament Ich war ein KönigssohnUnd habe Als Knabe Wunderschön Auf goldenem Thron Meinen Vater geseh'n. Dann kamen Neider von allen Seiten. Es war kein ritterliches Streiten. Meuchlings haben sie über Nacht Ihn um seine Krone gebracht. Und als es mit ihm zu Ende ging, Da gab er mir seinen güldenen Ring Und hat mir durch das Haar gestrichen Mit Fingern, die welken Sonnenstrahlen glichen, Und sprach: Mein Sohn, ich scheide von der Erden: Du mußt nun heute mündig werden. Ich weiß, du kennst und verstehst mich gut, Denn du bist Blut von meinem Blut) Druni nur ein kurzes Wort Sage ich dir) Dann gehe ich fort, Mein geliebtes Kind, Weit, weit von hier Jenseits der Berge, wo meine Väter sind. Und wenn meine Väter mich fragen, Wo ließest du Zepter und Kron', Die du so stolz getragen Als deines Landes König? Ich werde ihnen sagen: Wartet ein wenig, Mein Sohn, mein Sohn, Der sah unseres Hauses Schmach, Wartet ein wenig, Der bringt mir als König Meine Krone nach. Bogislav v. Selchow (Ämzbvtcn l ISLl"
Meines Vaters Testament Meines Vaters Testament Ich war ein KönigssohnUnd habe Als Knabe Wunderschön Auf goldenem Thron Meinen Vater geseh'n. Dann kamen Neider von allen Seiten. Es war kein ritterliches Streiten. Meuchlings haben sie über Nacht Ihn um seine Krone gebracht. Und als es mit ihm zu Ende ging, Da gab er mir seinen güldenen Ring Und hat mir durch das Haar gestrichen Mit Fingern, die welken Sonnenstrahlen glichen, Und sprach: Mein Sohn, ich scheide von der Erden: Du mußt nun heute mündig werden. Ich weiß, du kennst und verstehst mich gut, Denn du bist Blut von meinem Blut) Druni nur ein kurzes Wort Sage ich dir) Dann gehe ich fort, Mein geliebtes Kind, Weit, weit von hier Jenseits der Berge, wo meine Väter sind. Und wenn meine Väter mich fragen, Wo ließest du Zepter und Kron', Die du so stolz getragen Als deines Landes König? Ich werde ihnen sagen: Wartet ein wenig, Mein Sohn, mein Sohn, Der sah unseres Hauses Schmach, Wartet ein wenig, Der bringt mir als König Meine Krone nach. Bogislav v. Selchow (Ämzbvtcn l ISLl«
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0127" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338560"/> <fw type="header" place="top"> Meines Vaters Testament</fw><lb/> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <head> Meines Vaters Testament</head> <l> Ich war ein Königssohn<lb/> Und habe<lb/> Als Knabe<lb/> Wunderschön<lb/> Auf goldenem Thron<lb/> Meinen Vater geseh'n.<lb/> Dann kamen Neider von allen Seiten.<lb/> Es war kein ritterliches Streiten.<lb/> Meuchlings haben sie über Nacht<lb/> Ihn um seine Krone gebracht.<lb/> Und als es mit ihm zu Ende ging,<lb/> Da gab er mir seinen güldenen Ring<lb/> Und hat mir durch das Haar gestrichen<lb/> Mit Fingern, die welken Sonnenstrahlen glichen,<lb/> Und sprach: Mein Sohn, ich scheide von der Erden:<lb/> Du mußt nun heute mündig werden.<lb/> Ich weiß, du kennst und verstehst mich gut,<lb/> Denn du bist Blut von meinem Blut)<lb/> Druni nur ein kurzes Wort<lb/> Sage ich dir)<lb/> Dann gehe ich fort,<lb/> Mein geliebtes Kind,<lb/> Weit, weit von hier<lb/> Jenseits der Berge, wo meine Väter sind.<lb/> Und wenn meine Väter mich fragen,<lb/> Wo ließest du Zepter und Kron',<lb/> Die du so stolz getragen<lb/> Als deines Landes König?<lb/> Ich werde ihnen sagen:<lb/> Wartet ein wenig,<lb/> Mein Sohn, mein Sohn,<lb/> Der sah unseres Hauses Schmach,<lb/> Wartet ein wenig,<lb/> Der bringt mir als König<lb/> Meine Krone nach. </l> </lg><lb/> <note type="byline"> Bogislav v. Selchow</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> (Ämzbvtcn l ISLl«</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0127]
Meines Vaters Testament
Meines Vaters Testament Ich war ein Königssohn
Und habe
Als Knabe
Wunderschön
Auf goldenem Thron
Meinen Vater geseh'n.
Dann kamen Neider von allen Seiten.
Es war kein ritterliches Streiten.
Meuchlings haben sie über Nacht
Ihn um seine Krone gebracht.
Und als es mit ihm zu Ende ging,
Da gab er mir seinen güldenen Ring
Und hat mir durch das Haar gestrichen
Mit Fingern, die welken Sonnenstrahlen glichen,
Und sprach: Mein Sohn, ich scheide von der Erden:
Du mußt nun heute mündig werden.
Ich weiß, du kennst und verstehst mich gut,
Denn du bist Blut von meinem Blut)
Druni nur ein kurzes Wort
Sage ich dir)
Dann gehe ich fort,
Mein geliebtes Kind,
Weit, weit von hier
Jenseits der Berge, wo meine Väter sind.
Und wenn meine Väter mich fragen,
Wo ließest du Zepter und Kron',
Die du so stolz getragen
Als deines Landes König?
Ich werde ihnen sagen:
Wartet ein wenig,
Mein Sohn, mein Sohn,
Der sah unseres Hauses Schmach,
Wartet ein wenig,
Der bringt mir als König
Meine Krone nach.
Bogislav v. Selchow
(Ämzbvtcn l ISLl«
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |