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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Wilson und der Friede

oder nicht, und da könne man al stimmen witnoM nsvinZ eng laves or vallinA
lor tus laces.

Nach und nach erfahren Einzelheiten eine grelle Beleuchtung. Noch im
Jahre 1914 haben der von Roosevelt, der von Taft, der von Wilson in Paris
bestellte Vertreter -- Bacon, Myron Herrick, Sharp -- die französische Regie¬
rung, die sich mitFriedensgedanken trug, ermahnt, auszuharren; Amerika werde
helfen, sobald nur die Stimmung genügend voibereitet sei; jetzt seien wohl nur
50 000 Amerikaner für den Krieg; es werden aber bald 100 Millionen sein.
Eine mächtige Agitation hatte eingesetzt; "Gold floß wie Wasser." Zu Anfang
des nächsten Jahres erklärte Lberst House, der politische Vertraute Wilsons
während des ganzen Kriegs, der sich auch um seine Präsidentschaft die größten
Verdienste erworben hatte, dem bekannten französischen Publizisten Josef
Reinach, Wilson sei durchaus überzeugt von dem Recht der Entente, und es sei
sein Grundsatz, nach feinen Überzeugungen zu handeln; er habe aber auch den
Ehrgeiz, nur in Übereinstimmung mit der Mehrheit seiner Mitbürger zu handeln;
daher werde er erst später eingreifen. Es ist oft darauf hingewiesen worden,
daß Wilson schon seiner Abkunft nach eine andere Stellung kaum habe ein¬
nehmen können. Seine Mutter war eine Engländerin (ihr Familienname
Woodrow gilt bei uns allgemein als Wilsons Vorname), er selbst durchaus eng¬
lischer Abstammung. Von Europa kannte er nur England; dorthin unterhielt er
lebhafte Verbindungen, brachte dort seine Erholungszeiten zu. Man hat von
ihm gesagt: "Er arbeitete in Amerika und lebte in England"; eine englische
Zeitung hat ihn den "besten lebenden Engländer" genannt und ihm mit diesem
Lobe kein Unrecht getan.

Es bedarf aber dieser Zeugnisse nicht einmal, um zu belegen, daß Wilson
entschlossen war, einen deutschen Sieg nicht zu dulden, nötigenfalls einen Frieden,
wie erihm paßte, zu erzwingen. Es ergibt sich das mit unverkennbarer Deutlich¬
keit aus seinen amtlichen Äußerungen, wie sie in öffentlichen Erklärungen und
Ansprachen vorliegen.

Schon in der Botschaft an die beiden Häuser des Kongresses vom 8. De¬
zember 1914, also aus derselben Zeit, in der Amerikas Vertreter in Paris die
Hilfe der Union in Aussicht stellten, tritt klar zutage, daß Wilson an Mitwirkung
bei den Friedensverhandlungen dachte: "Wir sind die Vorkämpfer des Friedens
und der Einigkeit unter den Völkern, und auf diese Auszeichnung, die wir zu
verdienen getrachtet haben, sollten wir sehr eifersüchtig sein. Gerade jetzt sollten
wir besonders eifersüchtig auf sie acht geben, weil es unsere liebste
Hoffnung ist, daß uns dieser Charakter und Ruf, so
Gott will, bald eine Gelegenheit geben wird, wie sie
selten einem Volke zuteil wurde, denFrieden in der
Welt und eine Versöhnung und Gesundung vieler
Elemente zu beraten und zu bewerkstelligen, die die
Freundschaft unter den Nationen abgekühl.t und
unterbrochen haben."

Kann der Wunsch, sich einzumischen, von einem Staatsmann deutlicher
ausgesprochen werden, ohne eine Dummheit zu begehen? Allerdings Wilson
verschanzt ihn hinter Amerikas "Charakter und Ruf". Er weiß beide bei dieser


Wilson und der Friede

oder nicht, und da könne man al stimmen witnoM nsvinZ eng laves or vallinA
lor tus laces.

Nach und nach erfahren Einzelheiten eine grelle Beleuchtung. Noch im
Jahre 1914 haben der von Roosevelt, der von Taft, der von Wilson in Paris
bestellte Vertreter — Bacon, Myron Herrick, Sharp — die französische Regie¬
rung, die sich mitFriedensgedanken trug, ermahnt, auszuharren; Amerika werde
helfen, sobald nur die Stimmung genügend voibereitet sei; jetzt seien wohl nur
50 000 Amerikaner für den Krieg; es werden aber bald 100 Millionen sein.
Eine mächtige Agitation hatte eingesetzt; „Gold floß wie Wasser." Zu Anfang
des nächsten Jahres erklärte Lberst House, der politische Vertraute Wilsons
während des ganzen Kriegs, der sich auch um seine Präsidentschaft die größten
Verdienste erworben hatte, dem bekannten französischen Publizisten Josef
Reinach, Wilson sei durchaus überzeugt von dem Recht der Entente, und es sei
sein Grundsatz, nach feinen Überzeugungen zu handeln; er habe aber auch den
Ehrgeiz, nur in Übereinstimmung mit der Mehrheit seiner Mitbürger zu handeln;
daher werde er erst später eingreifen. Es ist oft darauf hingewiesen worden,
daß Wilson schon seiner Abkunft nach eine andere Stellung kaum habe ein¬
nehmen können. Seine Mutter war eine Engländerin (ihr Familienname
Woodrow gilt bei uns allgemein als Wilsons Vorname), er selbst durchaus eng¬
lischer Abstammung. Von Europa kannte er nur England; dorthin unterhielt er
lebhafte Verbindungen, brachte dort seine Erholungszeiten zu. Man hat von
ihm gesagt: „Er arbeitete in Amerika und lebte in England"; eine englische
Zeitung hat ihn den „besten lebenden Engländer" genannt und ihm mit diesem
Lobe kein Unrecht getan.

Es bedarf aber dieser Zeugnisse nicht einmal, um zu belegen, daß Wilson
entschlossen war, einen deutschen Sieg nicht zu dulden, nötigenfalls einen Frieden,
wie erihm paßte, zu erzwingen. Es ergibt sich das mit unverkennbarer Deutlich¬
keit aus seinen amtlichen Äußerungen, wie sie in öffentlichen Erklärungen und
Ansprachen vorliegen.

Schon in der Botschaft an die beiden Häuser des Kongresses vom 8. De¬
zember 1914, also aus derselben Zeit, in der Amerikas Vertreter in Paris die
Hilfe der Union in Aussicht stellten, tritt klar zutage, daß Wilson an Mitwirkung
bei den Friedensverhandlungen dachte: „Wir sind die Vorkämpfer des Friedens
und der Einigkeit unter den Völkern, und auf diese Auszeichnung, die wir zu
verdienen getrachtet haben, sollten wir sehr eifersüchtig sein. Gerade jetzt sollten
wir besonders eifersüchtig auf sie acht geben, weil es unsere liebste
Hoffnung ist, daß uns dieser Charakter und Ruf, so
Gott will, bald eine Gelegenheit geben wird, wie sie
selten einem Volke zuteil wurde, denFrieden in der
Welt und eine Versöhnung und Gesundung vieler
Elemente zu beraten und zu bewerkstelligen, die die
Freundschaft unter den Nationen abgekühl.t und
unterbrochen haben."

Kann der Wunsch, sich einzumischen, von einem Staatsmann deutlicher
ausgesprochen werden, ohne eine Dummheit zu begehen? Allerdings Wilson
verschanzt ihn hinter Amerikas „Charakter und Ruf". Er weiß beide bei dieser


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[0064] Wilson und der Friede oder nicht, und da könne man al stimmen witnoM nsvinZ eng laves or vallinA lor tus laces. Nach und nach erfahren Einzelheiten eine grelle Beleuchtung. Noch im Jahre 1914 haben der von Roosevelt, der von Taft, der von Wilson in Paris bestellte Vertreter — Bacon, Myron Herrick, Sharp — die französische Regie¬ rung, die sich mitFriedensgedanken trug, ermahnt, auszuharren; Amerika werde helfen, sobald nur die Stimmung genügend voibereitet sei; jetzt seien wohl nur 50 000 Amerikaner für den Krieg; es werden aber bald 100 Millionen sein. Eine mächtige Agitation hatte eingesetzt; „Gold floß wie Wasser." Zu Anfang des nächsten Jahres erklärte Lberst House, der politische Vertraute Wilsons während des ganzen Kriegs, der sich auch um seine Präsidentschaft die größten Verdienste erworben hatte, dem bekannten französischen Publizisten Josef Reinach, Wilson sei durchaus überzeugt von dem Recht der Entente, und es sei sein Grundsatz, nach feinen Überzeugungen zu handeln; er habe aber auch den Ehrgeiz, nur in Übereinstimmung mit der Mehrheit seiner Mitbürger zu handeln; daher werde er erst später eingreifen. Es ist oft darauf hingewiesen worden, daß Wilson schon seiner Abkunft nach eine andere Stellung kaum habe ein¬ nehmen können. Seine Mutter war eine Engländerin (ihr Familienname Woodrow gilt bei uns allgemein als Wilsons Vorname), er selbst durchaus eng¬ lischer Abstammung. Von Europa kannte er nur England; dorthin unterhielt er lebhafte Verbindungen, brachte dort seine Erholungszeiten zu. Man hat von ihm gesagt: „Er arbeitete in Amerika und lebte in England"; eine englische Zeitung hat ihn den „besten lebenden Engländer" genannt und ihm mit diesem Lobe kein Unrecht getan. Es bedarf aber dieser Zeugnisse nicht einmal, um zu belegen, daß Wilson entschlossen war, einen deutschen Sieg nicht zu dulden, nötigenfalls einen Frieden, wie erihm paßte, zu erzwingen. Es ergibt sich das mit unverkennbarer Deutlich¬ keit aus seinen amtlichen Äußerungen, wie sie in öffentlichen Erklärungen und Ansprachen vorliegen. Schon in der Botschaft an die beiden Häuser des Kongresses vom 8. De¬ zember 1914, also aus derselben Zeit, in der Amerikas Vertreter in Paris die Hilfe der Union in Aussicht stellten, tritt klar zutage, daß Wilson an Mitwirkung bei den Friedensverhandlungen dachte: „Wir sind die Vorkämpfer des Friedens und der Einigkeit unter den Völkern, und auf diese Auszeichnung, die wir zu verdienen getrachtet haben, sollten wir sehr eifersüchtig sein. Gerade jetzt sollten wir besonders eifersüchtig auf sie acht geben, weil es unsere liebste Hoffnung ist, daß uns dieser Charakter und Ruf, so Gott will, bald eine Gelegenheit geben wird, wie sie selten einem Volke zuteil wurde, denFrieden in der Welt und eine Versöhnung und Gesundung vieler Elemente zu beraten und zu bewerkstelligen, die die Freundschaft unter den Nationen abgekühl.t und unterbrochen haben." Kann der Wunsch, sich einzumischen, von einem Staatsmann deutlicher ausgesprochen werden, ohne eine Dummheit zu begehen? Allerdings Wilson verschanzt ihn hinter Amerikas „Charakter und Ruf". Er weiß beide bei dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/64>, abgerufen am 22.07.2024.