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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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sie von der Rechtspartei bis weit in radikale Arbeiterkreise hinein die seelischen
Fundamente festmauern, auf denen parlamentaristisch oder antiparlamentaristisch
eine kraftvolle Regierung aufgerichtet werden mochte. Statt dessen mühte sich die
Parteiführung auf Grund ihrer einseitig parlamentaristischen Zwangsvorstellungen
viel zu sehr um das Scheinvolk der linksstehenden Parlamentarier, vernachlässigte
die Einheitsfront rechts und brachte die Partei in Abhängigkeit von jener demo¬
kratischen Parlamentsmitte, gegen die man eben mit so großem Erfolg den Wahl¬
kampf geführt hatte. Damit bekamen die "Negativen" in der Deutsch-nationalen
Partei mehr Gewicht, als ihnen der Tendenz der nationalen Einheitsfront nach
zukam. Die starken gemeinsamen Unterbauten der beiden Rechtsparteien wurden
durchlöchert und in ihrer politischen Tragkraft geschwächt. Auch hierfür war die
Nürnberger Tagung charakteristisch. Die "nationale Front" der zwei Rechts¬
parteien wurde dort nicht ausgewertet. Und das in einem Moment, wo einer¬
seits auf der Tagung der Gewerkschaften in Essen die "Arbeitnehmerfront" von
Lambach (D.-Rat.) bis Jmbusch (Zentrum) gezogen wurde, und in Dresden
U. S. P. und M. S. P. die gemeinsame Regierungsfront realisierten. Da die
Verbindung nach der demokratischen Seite hin ob der Sprengungsgefahr gar nicht
ernsthaft erwogen werden durfte, blieb die Nürnberger Tagung für die Deutsche
Volkspartei der Kongreß dersplsrläiäisolatioii.

Vielleicht wäre das die beste Stellung geworden, wenn die Tagung nur
den "Ideen" der Partei gewidmet worden wäre. Also vor allem der "Arbeits-
gemeinschaftsidee". Aber hier offenbarte sich eine überaus bedeut¬
same Lücke.

Der Gedanke der Arbeitsgemeinschaft war ursprünglich die bewußte politische
Idealisierung der im Herbst 1918 ins Leben gerufenen tarif-politischen Arbeits¬
gemeinschaft der führenden Männer der Jndustriellenverbände und der Gewerk¬
schaftsverbände. Generaldirektor Vogler war, vom Gesichtspunkt der Wirtschaft
her, der lebendige Träger dieses Gedankens. Die Partei als solche hatte zunächst
damit nichts zu tun. Die alte nationalliberale Ideologie war der Arbeitsgemein¬
schaftsidee sogar zuwider. Man könnte es sogar als eine Anomalie des deutschen
Parteilebens bezeichnen, daß die Partei des Unternehmertums, die Partei deS
stärksten antisozialistischen Liberalismus, den Gedanken der Arbeitsgemeinschaft auf¬
nahm. Das Merkwürdige fand seinen Grund zunächst in der Persönlichkeit Voglers
selbst, der als neuer Typ im Unternehmertum diesen Gedanken mit dem ganzen
Schwergewicht einer in chaotischer Zeit doppelt gewichtigen Persönlichkeit seiner
alten Partei ausdrückte. Ich sage: "crufdrückte", denn die merkwürdige Bereitschaft
der Deutschen Volkspartei diesem Gedanken gegenüber fand ihren zweiten Grund
darin, daß die Arbeitsgemeinschaft als taktischer Versuch zur Überwindung der
Betriebsräte aufgefaßt wurde. Von diesem Gesichtspunkt aus schluckte mancher die
"Arbeitsgemeinschaft", der sonst niemals für diese "sozialistische Idee" hätte ge¬
wonnen werden können. Hier lag eine Zweideutigkeit vor, die dem großen Taktiker
Stresemann die glänzendsten Wahlchancen bot. Mit sicherem Instinkt griff er danach.
In der Kampfstellung gegen das Betriebsrätegesetz und gegen die Rätebewegung
konnte man fast die gesamte deutsche Unternehmerschaft parteipolitisch um die Partei
konzentrieren. Mit der Idealisierung der Arbeitsgemeinschaft konnte man anderer¬
seits die von der demokratischen und sozialistischen Revolution enttäuschten "Posi¬
tiven" gewinnen. Man übersah nur dabei, daß diese Zweideutigkeit die größten
Gefahren in sich barg, für die Partei selbst, noch mehr für die Arbeitsgemeinschaft,
wenn nicht alsbald Klarheit geschaffen wurde.

Die Arbeitsgemeinschaftwar nämlich die neue po¬
litische Idee von rechts, wie der radikale Rätegedanke
die neue politisch "Ideologie von links war. Und Ideen
wollen merkwürdigerweise ernst genommen werden. Die Deutsche Volkspartei mußte
es als ihre wichtigste Aufgabe empfinden, gerade weil von der latenten Zweideutigkeit
her Gefahren drohten, durch ideelle Vertiefung und durch kühne praktische Politik
der Arbeitsgemeinschastsidee so viel Eroberungskraft zu verleihen, daß jede Zwei-


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sie von der Rechtspartei bis weit in radikale Arbeiterkreise hinein die seelischen
Fundamente festmauern, auf denen parlamentaristisch oder antiparlamentaristisch
eine kraftvolle Regierung aufgerichtet werden mochte. Statt dessen mühte sich die
Parteiführung auf Grund ihrer einseitig parlamentaristischen Zwangsvorstellungen
viel zu sehr um das Scheinvolk der linksstehenden Parlamentarier, vernachlässigte
die Einheitsfront rechts und brachte die Partei in Abhängigkeit von jener demo¬
kratischen Parlamentsmitte, gegen die man eben mit so großem Erfolg den Wahl¬
kampf geführt hatte. Damit bekamen die „Negativen" in der Deutsch-nationalen
Partei mehr Gewicht, als ihnen der Tendenz der nationalen Einheitsfront nach
zukam. Die starken gemeinsamen Unterbauten der beiden Rechtsparteien wurden
durchlöchert und in ihrer politischen Tragkraft geschwächt. Auch hierfür war die
Nürnberger Tagung charakteristisch. Die „nationale Front" der zwei Rechts¬
parteien wurde dort nicht ausgewertet. Und das in einem Moment, wo einer¬
seits auf der Tagung der Gewerkschaften in Essen die „Arbeitnehmerfront" von
Lambach (D.-Rat.) bis Jmbusch (Zentrum) gezogen wurde, und in Dresden
U. S. P. und M. S. P. die gemeinsame Regierungsfront realisierten. Da die
Verbindung nach der demokratischen Seite hin ob der Sprengungsgefahr gar nicht
ernsthaft erwogen werden durfte, blieb die Nürnberger Tagung für die Deutsche
Volkspartei der Kongreß dersplsrläiäisolatioii.

Vielleicht wäre das die beste Stellung geworden, wenn die Tagung nur
den „Ideen" der Partei gewidmet worden wäre. Also vor allem der „Arbeits-
gemeinschaftsidee". Aber hier offenbarte sich eine überaus bedeut¬
same Lücke.

Der Gedanke der Arbeitsgemeinschaft war ursprünglich die bewußte politische
Idealisierung der im Herbst 1918 ins Leben gerufenen tarif-politischen Arbeits¬
gemeinschaft der führenden Männer der Jndustriellenverbände und der Gewerk¬
schaftsverbände. Generaldirektor Vogler war, vom Gesichtspunkt der Wirtschaft
her, der lebendige Träger dieses Gedankens. Die Partei als solche hatte zunächst
damit nichts zu tun. Die alte nationalliberale Ideologie war der Arbeitsgemein¬
schaftsidee sogar zuwider. Man könnte es sogar als eine Anomalie des deutschen
Parteilebens bezeichnen, daß die Partei des Unternehmertums, die Partei deS
stärksten antisozialistischen Liberalismus, den Gedanken der Arbeitsgemeinschaft auf¬
nahm. Das Merkwürdige fand seinen Grund zunächst in der Persönlichkeit Voglers
selbst, der als neuer Typ im Unternehmertum diesen Gedanken mit dem ganzen
Schwergewicht einer in chaotischer Zeit doppelt gewichtigen Persönlichkeit seiner
alten Partei ausdrückte. Ich sage: „crufdrückte", denn die merkwürdige Bereitschaft
der Deutschen Volkspartei diesem Gedanken gegenüber fand ihren zweiten Grund
darin, daß die Arbeitsgemeinschaft als taktischer Versuch zur Überwindung der
Betriebsräte aufgefaßt wurde. Von diesem Gesichtspunkt aus schluckte mancher die
„Arbeitsgemeinschaft", der sonst niemals für diese „sozialistische Idee" hätte ge¬
wonnen werden können. Hier lag eine Zweideutigkeit vor, die dem großen Taktiker
Stresemann die glänzendsten Wahlchancen bot. Mit sicherem Instinkt griff er danach.
In der Kampfstellung gegen das Betriebsrätegesetz und gegen die Rätebewegung
konnte man fast die gesamte deutsche Unternehmerschaft parteipolitisch um die Partei
konzentrieren. Mit der Idealisierung der Arbeitsgemeinschaft konnte man anderer¬
seits die von der demokratischen und sozialistischen Revolution enttäuschten „Posi¬
tiven" gewinnen. Man übersah nur dabei, daß diese Zweideutigkeit die größten
Gefahren in sich barg, für die Partei selbst, noch mehr für die Arbeitsgemeinschaft,
wenn nicht alsbald Klarheit geschaffen wurde.

Die Arbeitsgemeinschaftwar nämlich die neue po¬
litische Idee von rechts, wie der radikale Rätegedanke
die neue politisch «Ideologie von links war. Und Ideen
wollen merkwürdigerweise ernst genommen werden. Die Deutsche Volkspartei mußte
es als ihre wichtigste Aufgabe empfinden, gerade weil von der latenten Zweideutigkeit
her Gefahren drohten, durch ideelle Vertiefung und durch kühne praktische Politik
der Arbeitsgemeinschastsidee so viel Eroberungskraft zu verleihen, daß jede Zwei-


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[0355] Reichsspiegel sie von der Rechtspartei bis weit in radikale Arbeiterkreise hinein die seelischen Fundamente festmauern, auf denen parlamentaristisch oder antiparlamentaristisch eine kraftvolle Regierung aufgerichtet werden mochte. Statt dessen mühte sich die Parteiführung auf Grund ihrer einseitig parlamentaristischen Zwangsvorstellungen viel zu sehr um das Scheinvolk der linksstehenden Parlamentarier, vernachlässigte die Einheitsfront rechts und brachte die Partei in Abhängigkeit von jener demo¬ kratischen Parlamentsmitte, gegen die man eben mit so großem Erfolg den Wahl¬ kampf geführt hatte. Damit bekamen die „Negativen" in der Deutsch-nationalen Partei mehr Gewicht, als ihnen der Tendenz der nationalen Einheitsfront nach zukam. Die starken gemeinsamen Unterbauten der beiden Rechtsparteien wurden durchlöchert und in ihrer politischen Tragkraft geschwächt. Auch hierfür war die Nürnberger Tagung charakteristisch. Die „nationale Front" der zwei Rechts¬ parteien wurde dort nicht ausgewertet. Und das in einem Moment, wo einer¬ seits auf der Tagung der Gewerkschaften in Essen die „Arbeitnehmerfront" von Lambach (D.-Rat.) bis Jmbusch (Zentrum) gezogen wurde, und in Dresden U. S. P. und M. S. P. die gemeinsame Regierungsfront realisierten. Da die Verbindung nach der demokratischen Seite hin ob der Sprengungsgefahr gar nicht ernsthaft erwogen werden durfte, blieb die Nürnberger Tagung für die Deutsche Volkspartei der Kongreß dersplsrläiäisolatioii. Vielleicht wäre das die beste Stellung geworden, wenn die Tagung nur den „Ideen" der Partei gewidmet worden wäre. Also vor allem der „Arbeits- gemeinschaftsidee". Aber hier offenbarte sich eine überaus bedeut¬ same Lücke. Der Gedanke der Arbeitsgemeinschaft war ursprünglich die bewußte politische Idealisierung der im Herbst 1918 ins Leben gerufenen tarif-politischen Arbeits¬ gemeinschaft der führenden Männer der Jndustriellenverbände und der Gewerk¬ schaftsverbände. Generaldirektor Vogler war, vom Gesichtspunkt der Wirtschaft her, der lebendige Träger dieses Gedankens. Die Partei als solche hatte zunächst damit nichts zu tun. Die alte nationalliberale Ideologie war der Arbeitsgemein¬ schaftsidee sogar zuwider. Man könnte es sogar als eine Anomalie des deutschen Parteilebens bezeichnen, daß die Partei des Unternehmertums, die Partei deS stärksten antisozialistischen Liberalismus, den Gedanken der Arbeitsgemeinschaft auf¬ nahm. Das Merkwürdige fand seinen Grund zunächst in der Persönlichkeit Voglers selbst, der als neuer Typ im Unternehmertum diesen Gedanken mit dem ganzen Schwergewicht einer in chaotischer Zeit doppelt gewichtigen Persönlichkeit seiner alten Partei ausdrückte. Ich sage: „crufdrückte", denn die merkwürdige Bereitschaft der Deutschen Volkspartei diesem Gedanken gegenüber fand ihren zweiten Grund darin, daß die Arbeitsgemeinschaft als taktischer Versuch zur Überwindung der Betriebsräte aufgefaßt wurde. Von diesem Gesichtspunkt aus schluckte mancher die „Arbeitsgemeinschaft", der sonst niemals für diese „sozialistische Idee" hätte ge¬ wonnen werden können. Hier lag eine Zweideutigkeit vor, die dem großen Taktiker Stresemann die glänzendsten Wahlchancen bot. Mit sicherem Instinkt griff er danach. In der Kampfstellung gegen das Betriebsrätegesetz und gegen die Rätebewegung konnte man fast die gesamte deutsche Unternehmerschaft parteipolitisch um die Partei konzentrieren. Mit der Idealisierung der Arbeitsgemeinschaft konnte man anderer¬ seits die von der demokratischen und sozialistischen Revolution enttäuschten „Posi¬ tiven" gewinnen. Man übersah nur dabei, daß diese Zweideutigkeit die größten Gefahren in sich barg, für die Partei selbst, noch mehr für die Arbeitsgemeinschaft, wenn nicht alsbald Klarheit geschaffen wurde. Die Arbeitsgemeinschaftwar nämlich die neue po¬ litische Idee von rechts, wie der radikale Rätegedanke die neue politisch «Ideologie von links war. Und Ideen wollen merkwürdigerweise ernst genommen werden. Die Deutsche Volkspartei mußte es als ihre wichtigste Aufgabe empfinden, gerade weil von der latenten Zweideutigkeit her Gefahren drohten, durch ideelle Vertiefung und durch kühne praktische Politik der Arbeitsgemeinschastsidee so viel Eroberungskraft zu verleihen, daß jede Zwei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/355>, abgerufen am 22.07.2024.