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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Nach dem Wahlerfölg sah sich die Partei vor die schwierige Aufgabe gestellt,
die auf sie gesetzten großen Erwartungen zu erfüllen. Die Revolution als Chaos
und Zusammenbruchsbewegung galt es durch eine kühne Ideen- und Sachpolitik
im Inneren zu überwinden. Nach außen sollte die westlerische Orientierung der
loyalen und servilen Erfüllung des Friedensvertrages gebrochen werden. Zur Er¬
füllung beider Aufgaben mußte auf Grund der Wahlresultate eine neue Aufbau-
regterung realisiert werden. Die Partei selbst als stegreiche Sammelpartei des
Bürgertums schien dazu berufen, die Regierungsbildung zu bestimmen. Gerade
weil das Wahlresultat vom parlamentaristischen Gesichtspunkt aus größte Schwierig¬
keiten schuf, konnte angenommen werden, daß die Deutsche Volkspartei im anti-
parlamentaristischen Sinne auf Grund der neuen Ideen der Sachverständigenführung,
des Wirtschaftsprimats, vor allem der Arbeitsgemeinschaftspolitk, die Frage lösen
würde, wie auch zu erwarten war, daß die Deutsche Volkspartei auf Grund ihrer
Wahlpolttik sofort die Frage des Anbaues der Verfassung in der Richtung des
s 165 aufwerfen und mit ihren Ideen eine Verfassungsreform erzwingen würde.
Mit der EntPolitisierung, d. h. im parlamentaristischen Staate mit der Entstaat¬
lichung der Wirtschaft konnte ernsthaft begonnen werden. Vor allem galt es
draußen im Volk das gesammelte Bürgertum und darüber hinaus weite Kreise der
Arbeiterschaft mit den positiven Ideen der Wahlen zu durchdringen, uM zwischen
den zum Teil widerspruchsvollen, ja entgegengesetzten Tendenzen der eigenen'
Wählerschaft einen tatsächlichen Ausgleich zu schaffen.

In der Frage der Regierungsbildung trat indes Merkwürdiges zutage. Als
die Partei das Mandat zur Regierungsbildung weitergab, war dies nach außen
das Eingeständnis einer Ohnmacht, die in auffälligen Widerspruch zum Wahlerfölg
stand. Läßt steh auch advokatorisch der Beweis erbringen, daß für die Weitergabe
des Maubads allerhand Gründe vorlagen, so kann der Eindruck nicht verwischt
werden, daß in jenem Verhalten eine gewisse Impotenz zum Ausdruck kam. Es
gelang der Partei auch nicht, ihre Sachverständtgenidee durchzusetzen. Der Hinweis
auf Groener weckt bei Kennern der Dinge nur ein Schmunzeln. Nur die Wahl des
Außenministers kann als Erfolg gebucht werden. Aber die Entscheidung lag auf
wirtschaftlichem Gebiete. Die großen industriellen Sachverständigen entzogen sich,
wie bekannt, der Aufgabe, nach einer antiparlamentaristischen Wahlkampagne in
einem unverantwortlichen, parteiparlamentaristischen Kabinett Brucharbeit zu
leisten und für solche Brucharbeit die lebenswichtigeren Dinge der Wirtschaft
zu gefährden. Die Partei hatte nun nicht die Energie, auf Grund dieser Haltung
der Wirtschaftssachverständigen ihre Vorstöße gegen den im Wahlkampf bekämpften
Parteiparlamentarismus fortzusetzen und zu steigern. Im Gegenteil. Man deutete
die Haltung der Wirtschaftssachverständigen sogar für den Parteiparlamentarismus!
Man war eben trotz der "Ideen" der Wahlkampagne so stark parlamentaristisch, der
Gesinnung nach, daß man gar nicht auf den Gedanken kam, daß die Haltung der
Wirtschaftssachverständigen ein Zeugnis gegen den Parlamentarismus war. So
verloren alsbald die im Wahlkampf vertretenen neuen und eigenen Ideen der
Deutschen Volkspartei (Überwindung des Parlamentarismus, Primat der Wirt¬
schaft, Sachverständigenpolitik, Kammer der Arbeit usw.) ihre Zugkraft. Und eS
kann nicht wundernehmen, wenn auf der Nürnberger Tagung dies dadurch zum
Ausdruck kam, daß keiner dieser Ideen ein Ehrenplatz bei der Verteilung der
Themata eingeräumt wurde.

Dementsprechend gestaltete sich auch die Haltung der Deutschen Volkspartei
zur sogenannten "nationalen Front". Die intime Verbindung mit der Deutsch-
Nationalm Partei, die an der Eigenart des von den zwei Rechtsparteien vor den
Wahlen formulierten "nationalen Gedankens", wie vor allem an der Gemein¬
schaftsarbeit in zahllosen Volksgruppen (Jndustrieschicht, Deutschnationaler Hand-
lungsgehilfenverband^ nationale Frauenbewegung usw.) festgeknüpft worden war,
riß ab. Die Deutsche Volkspartei, die führend war, zog nicht aus dem Vorhanden¬
sein der unterirdischen Einheitsfront beider Parteien die Konsequenz. Mit den
Gedanken der "Arbeitsgemeinschaft", "Notgemeinschaft", "Volksgemeinschaft" konnte


Reichsspi»g-l

Nach dem Wahlerfölg sah sich die Partei vor die schwierige Aufgabe gestellt,
die auf sie gesetzten großen Erwartungen zu erfüllen. Die Revolution als Chaos
und Zusammenbruchsbewegung galt es durch eine kühne Ideen- und Sachpolitik
im Inneren zu überwinden. Nach außen sollte die westlerische Orientierung der
loyalen und servilen Erfüllung des Friedensvertrages gebrochen werden. Zur Er¬
füllung beider Aufgaben mußte auf Grund der Wahlresultate eine neue Aufbau-
regterung realisiert werden. Die Partei selbst als stegreiche Sammelpartei des
Bürgertums schien dazu berufen, die Regierungsbildung zu bestimmen. Gerade
weil das Wahlresultat vom parlamentaristischen Gesichtspunkt aus größte Schwierig¬
keiten schuf, konnte angenommen werden, daß die Deutsche Volkspartei im anti-
parlamentaristischen Sinne auf Grund der neuen Ideen der Sachverständigenführung,
des Wirtschaftsprimats, vor allem der Arbeitsgemeinschaftspolitk, die Frage lösen
würde, wie auch zu erwarten war, daß die Deutsche Volkspartei auf Grund ihrer
Wahlpolttik sofort die Frage des Anbaues der Verfassung in der Richtung des
s 165 aufwerfen und mit ihren Ideen eine Verfassungsreform erzwingen würde.
Mit der EntPolitisierung, d. h. im parlamentaristischen Staate mit der Entstaat¬
lichung der Wirtschaft konnte ernsthaft begonnen werden. Vor allem galt es
draußen im Volk das gesammelte Bürgertum und darüber hinaus weite Kreise der
Arbeiterschaft mit den positiven Ideen der Wahlen zu durchdringen, uM zwischen
den zum Teil widerspruchsvollen, ja entgegengesetzten Tendenzen der eigenen'
Wählerschaft einen tatsächlichen Ausgleich zu schaffen.

In der Frage der Regierungsbildung trat indes Merkwürdiges zutage. Als
die Partei das Mandat zur Regierungsbildung weitergab, war dies nach außen
das Eingeständnis einer Ohnmacht, die in auffälligen Widerspruch zum Wahlerfölg
stand. Läßt steh auch advokatorisch der Beweis erbringen, daß für die Weitergabe
des Maubads allerhand Gründe vorlagen, so kann der Eindruck nicht verwischt
werden, daß in jenem Verhalten eine gewisse Impotenz zum Ausdruck kam. Es
gelang der Partei auch nicht, ihre Sachverständtgenidee durchzusetzen. Der Hinweis
auf Groener weckt bei Kennern der Dinge nur ein Schmunzeln. Nur die Wahl des
Außenministers kann als Erfolg gebucht werden. Aber die Entscheidung lag auf
wirtschaftlichem Gebiete. Die großen industriellen Sachverständigen entzogen sich,
wie bekannt, der Aufgabe, nach einer antiparlamentaristischen Wahlkampagne in
einem unverantwortlichen, parteiparlamentaristischen Kabinett Brucharbeit zu
leisten und für solche Brucharbeit die lebenswichtigeren Dinge der Wirtschaft
zu gefährden. Die Partei hatte nun nicht die Energie, auf Grund dieser Haltung
der Wirtschaftssachverständigen ihre Vorstöße gegen den im Wahlkampf bekämpften
Parteiparlamentarismus fortzusetzen und zu steigern. Im Gegenteil. Man deutete
die Haltung der Wirtschaftssachverständigen sogar für den Parteiparlamentarismus!
Man war eben trotz der „Ideen" der Wahlkampagne so stark parlamentaristisch, der
Gesinnung nach, daß man gar nicht auf den Gedanken kam, daß die Haltung der
Wirtschaftssachverständigen ein Zeugnis gegen den Parlamentarismus war. So
verloren alsbald die im Wahlkampf vertretenen neuen und eigenen Ideen der
Deutschen Volkspartei (Überwindung des Parlamentarismus, Primat der Wirt¬
schaft, Sachverständigenpolitik, Kammer der Arbeit usw.) ihre Zugkraft. Und eS
kann nicht wundernehmen, wenn auf der Nürnberger Tagung dies dadurch zum
Ausdruck kam, daß keiner dieser Ideen ein Ehrenplatz bei der Verteilung der
Themata eingeräumt wurde.

Dementsprechend gestaltete sich auch die Haltung der Deutschen Volkspartei
zur sogenannten „nationalen Front". Die intime Verbindung mit der Deutsch-
Nationalm Partei, die an der Eigenart des von den zwei Rechtsparteien vor den
Wahlen formulierten „nationalen Gedankens", wie vor allem an der Gemein¬
schaftsarbeit in zahllosen Volksgruppen (Jndustrieschicht, Deutschnationaler Hand-
lungsgehilfenverband^ nationale Frauenbewegung usw.) festgeknüpft worden war,
riß ab. Die Deutsche Volkspartei, die führend war, zog nicht aus dem Vorhanden¬
sein der unterirdischen Einheitsfront beider Parteien die Konsequenz. Mit den
Gedanken der „Arbeitsgemeinschaft", „Notgemeinschaft", „Volksgemeinschaft" konnte


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[0354] Reichsspi»g-l Nach dem Wahlerfölg sah sich die Partei vor die schwierige Aufgabe gestellt, die auf sie gesetzten großen Erwartungen zu erfüllen. Die Revolution als Chaos und Zusammenbruchsbewegung galt es durch eine kühne Ideen- und Sachpolitik im Inneren zu überwinden. Nach außen sollte die westlerische Orientierung der loyalen und servilen Erfüllung des Friedensvertrages gebrochen werden. Zur Er¬ füllung beider Aufgaben mußte auf Grund der Wahlresultate eine neue Aufbau- regterung realisiert werden. Die Partei selbst als stegreiche Sammelpartei des Bürgertums schien dazu berufen, die Regierungsbildung zu bestimmen. Gerade weil das Wahlresultat vom parlamentaristischen Gesichtspunkt aus größte Schwierig¬ keiten schuf, konnte angenommen werden, daß die Deutsche Volkspartei im anti- parlamentaristischen Sinne auf Grund der neuen Ideen der Sachverständigenführung, des Wirtschaftsprimats, vor allem der Arbeitsgemeinschaftspolitk, die Frage lösen würde, wie auch zu erwarten war, daß die Deutsche Volkspartei auf Grund ihrer Wahlpolttik sofort die Frage des Anbaues der Verfassung in der Richtung des s 165 aufwerfen und mit ihren Ideen eine Verfassungsreform erzwingen würde. Mit der EntPolitisierung, d. h. im parlamentaristischen Staate mit der Entstaat¬ lichung der Wirtschaft konnte ernsthaft begonnen werden. Vor allem galt es draußen im Volk das gesammelte Bürgertum und darüber hinaus weite Kreise der Arbeiterschaft mit den positiven Ideen der Wahlen zu durchdringen, uM zwischen den zum Teil widerspruchsvollen, ja entgegengesetzten Tendenzen der eigenen' Wählerschaft einen tatsächlichen Ausgleich zu schaffen. In der Frage der Regierungsbildung trat indes Merkwürdiges zutage. Als die Partei das Mandat zur Regierungsbildung weitergab, war dies nach außen das Eingeständnis einer Ohnmacht, die in auffälligen Widerspruch zum Wahlerfölg stand. Läßt steh auch advokatorisch der Beweis erbringen, daß für die Weitergabe des Maubads allerhand Gründe vorlagen, so kann der Eindruck nicht verwischt werden, daß in jenem Verhalten eine gewisse Impotenz zum Ausdruck kam. Es gelang der Partei auch nicht, ihre Sachverständtgenidee durchzusetzen. Der Hinweis auf Groener weckt bei Kennern der Dinge nur ein Schmunzeln. Nur die Wahl des Außenministers kann als Erfolg gebucht werden. Aber die Entscheidung lag auf wirtschaftlichem Gebiete. Die großen industriellen Sachverständigen entzogen sich, wie bekannt, der Aufgabe, nach einer antiparlamentaristischen Wahlkampagne in einem unverantwortlichen, parteiparlamentaristischen Kabinett Brucharbeit zu leisten und für solche Brucharbeit die lebenswichtigeren Dinge der Wirtschaft zu gefährden. Die Partei hatte nun nicht die Energie, auf Grund dieser Haltung der Wirtschaftssachverständigen ihre Vorstöße gegen den im Wahlkampf bekämpften Parteiparlamentarismus fortzusetzen und zu steigern. Im Gegenteil. Man deutete die Haltung der Wirtschaftssachverständigen sogar für den Parteiparlamentarismus! Man war eben trotz der „Ideen" der Wahlkampagne so stark parlamentaristisch, der Gesinnung nach, daß man gar nicht auf den Gedanken kam, daß die Haltung der Wirtschaftssachverständigen ein Zeugnis gegen den Parlamentarismus war. So verloren alsbald die im Wahlkampf vertretenen neuen und eigenen Ideen der Deutschen Volkspartei (Überwindung des Parlamentarismus, Primat der Wirt¬ schaft, Sachverständigenpolitik, Kammer der Arbeit usw.) ihre Zugkraft. Und eS kann nicht wundernehmen, wenn auf der Nürnberger Tagung dies dadurch zum Ausdruck kam, daß keiner dieser Ideen ein Ehrenplatz bei der Verteilung der Themata eingeräumt wurde. Dementsprechend gestaltete sich auch die Haltung der Deutschen Volkspartei zur sogenannten „nationalen Front". Die intime Verbindung mit der Deutsch- Nationalm Partei, die an der Eigenart des von den zwei Rechtsparteien vor den Wahlen formulierten „nationalen Gedankens", wie vor allem an der Gemein¬ schaftsarbeit in zahllosen Volksgruppen (Jndustrieschicht, Deutschnationaler Hand- lungsgehilfenverband^ nationale Frauenbewegung usw.) festgeknüpft worden war, riß ab. Die Deutsche Volkspartei, die führend war, zog nicht aus dem Vorhanden¬ sein der unterirdischen Einheitsfront beider Parteien die Konsequenz. Mit den Gedanken der „Arbeitsgemeinschaft", „Notgemeinschaft", „Volksgemeinschaft" konnte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/354>, abgerufen am 24.08.2024.