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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Zwei alte Jenenser

Zwei alte Jenenser
sAarl von ^ase und Rudolf Gucken)
Prof. Dr. Joh. Werne von

ich vor 35 Jahren in Jena studierte, war die von meinem Vater
ererbte Gunst des greisen Karl von Hase der hellste Glanz, der aus
jener sonnigen Jugendzeit lag. "Der alte Hase", wie ganz Jena die
rVxiM^ Exzellenz zu nennen pflegte, dessen Lebensjahre mit dem Jahrhundert
zählten, der als Burschenschafter auf dem Hohenasperg gesessen, der
von Goethe nach Jena berufen worden war, nun der Senior der Universität und der
Nestor unter den Kirchengcschichtsschreibern, zugleich der Künstler unter diesen, er¬
schien uns wie ein Heiliger. Wenn der Greis mit seinem vom silbernen Locken¬
schmuck umwallten ausdrucksvollen Kopfe durch die traulichen Gassen des alten
Jena zu seinem geliebten "Berge" wandelte, mutete er uns an wie ein Stück Ver¬
gangenheit, das in unsere Gegenwart hineinragte. Und doch war er noch lcbens-
und schaffensfreudig, voll reger Teilnahme an allen geistigen Interessen und emsig
um die Drucklegung seiner großen Kirchengeschichte bemüht. Daß ihm aber damals
im Winter des Lebens noch eine zarte Liebe wie eine Christrose erblüht war, ahnten
wir freilich nicht, obwohl ich selbst mit seiner jungen Freundin an seinem Tische
habe sitzen dürfen. Rudolf Eucken, der Philosoph, stand damals als Vierzigjähriger
auf der Höhe des Lebens, eben mit der Grundlegung seiner eigenen Gedankenwelt
beschäftigt. Die Anregung, die von seiner Lehrtätigkeit ausging, und die Güte und
Förderung, die er dem ehrlich Strebenden erwies, habe ich selbst als junger Doktorand
in reichem Maße erfahren.

Der Zufall fügte es, daß jetzt gleichzeitig Memoirenwerke der beiden alten
Jenenser erschienen sind.

Das Hasewerk ist keine Biographie, sondern beleuchtet nur das letzte Jahr¬
zehnt eines 90 jährigen Lebens. Es sind 117 Briefe, geschrieben an eine junge
Freundin, sowie 11 Antworten, die Oskar von Hase jetzt, 30 Jahre nach dem Tode
Vaters, mit einer feinsinnigen Einführung nebst einem Begleitwort der Adressatin,
°le schon vor 30 Jahren pietätvoll diese Briefe zusammengestellt hat, und den
wildern der beiden Briefschreiber veröffentlicht. Auf seiner 17. und letzten Rom-
reise im Jahre 1882 hatte Hase bei einem Feste des Botschafters auf dem Kapital
eine junge Dame (Jenny von der Osten aus Gotha) kennengelernt, eine "Frühlings-
^Mzipessa", die ihm durch ihre Anmut und weil er sie im eifrigen Gespräch mit
dem alten Mommsen fand, auffiel. Aus dieser Bekanntschaft hat sich ein Briefwechsel,
"us diesem, zumal als Hase nach dem Tode seiner Lebensgefährtin vereinsamt war,
eme Freundschaft, und aus dieser die -- letzte große Liebe des im Herzen jung
gebliebenen Greises entwickelt. Der zu einem krasesptor 6srmÄni-z,s, sagt Oskar
Hase, gewordene Gelehrte, der als Kirchenhistoriker in seinem langen Leben
^"anch Heiligenbild der Kirche menschlich verständlich gemacht hat, erhob in
seinem hohen Alter ein reizvoll modernes Kind antiker Bildung in einer stillen



Karl von Hase: Dein Alter sei wie deine Jugend. Briefe an eine Freundin.
UL S. Leipzig, K. F. Koester. 1920. Preis geb. 28 ^.
Zwei alte Jenenser

Zwei alte Jenenser
sAarl von ^ase und Rudolf Gucken)
Prof. Dr. Joh. Werne von

ich vor 35 Jahren in Jena studierte, war die von meinem Vater
ererbte Gunst des greisen Karl von Hase der hellste Glanz, der aus
jener sonnigen Jugendzeit lag. „Der alte Hase", wie ganz Jena die
rVxiM^ Exzellenz zu nennen pflegte, dessen Lebensjahre mit dem Jahrhundert
zählten, der als Burschenschafter auf dem Hohenasperg gesessen, der
von Goethe nach Jena berufen worden war, nun der Senior der Universität und der
Nestor unter den Kirchengcschichtsschreibern, zugleich der Künstler unter diesen, er¬
schien uns wie ein Heiliger. Wenn der Greis mit seinem vom silbernen Locken¬
schmuck umwallten ausdrucksvollen Kopfe durch die traulichen Gassen des alten
Jena zu seinem geliebten „Berge" wandelte, mutete er uns an wie ein Stück Ver¬
gangenheit, das in unsere Gegenwart hineinragte. Und doch war er noch lcbens-
und schaffensfreudig, voll reger Teilnahme an allen geistigen Interessen und emsig
um die Drucklegung seiner großen Kirchengeschichte bemüht. Daß ihm aber damals
im Winter des Lebens noch eine zarte Liebe wie eine Christrose erblüht war, ahnten
wir freilich nicht, obwohl ich selbst mit seiner jungen Freundin an seinem Tische
habe sitzen dürfen. Rudolf Eucken, der Philosoph, stand damals als Vierzigjähriger
auf der Höhe des Lebens, eben mit der Grundlegung seiner eigenen Gedankenwelt
beschäftigt. Die Anregung, die von seiner Lehrtätigkeit ausging, und die Güte und
Förderung, die er dem ehrlich Strebenden erwies, habe ich selbst als junger Doktorand
in reichem Maße erfahren.

Der Zufall fügte es, daß jetzt gleichzeitig Memoirenwerke der beiden alten
Jenenser erschienen sind.

Das Hasewerk ist keine Biographie, sondern beleuchtet nur das letzte Jahr¬
zehnt eines 90 jährigen Lebens. Es sind 117 Briefe, geschrieben an eine junge
Freundin, sowie 11 Antworten, die Oskar von Hase jetzt, 30 Jahre nach dem Tode
Vaters, mit einer feinsinnigen Einführung nebst einem Begleitwort der Adressatin,
°le schon vor 30 Jahren pietätvoll diese Briefe zusammengestellt hat, und den
wildern der beiden Briefschreiber veröffentlicht. Auf seiner 17. und letzten Rom-
reise im Jahre 1882 hatte Hase bei einem Feste des Botschafters auf dem Kapital
eine junge Dame (Jenny von der Osten aus Gotha) kennengelernt, eine „Frühlings-
^Mzipessa", die ihm durch ihre Anmut und weil er sie im eifrigen Gespräch mit
dem alten Mommsen fand, auffiel. Aus dieser Bekanntschaft hat sich ein Briefwechsel,
"us diesem, zumal als Hase nach dem Tode seiner Lebensgefährtin vereinsamt war,
eme Freundschaft, und aus dieser die — letzte große Liebe des im Herzen jung
gebliebenen Greises entwickelt. Der zu einem krasesptor 6srmÄni-z,s, sagt Oskar
Hase, gewordene Gelehrte, der als Kirchenhistoriker in seinem langen Leben
^"anch Heiligenbild der Kirche menschlich verständlich gemacht hat, erhob in
seinem hohen Alter ein reizvoll modernes Kind antiker Bildung in einer stillen



Karl von Hase: Dein Alter sei wie deine Jugend. Briefe an eine Freundin.
UL S. Leipzig, K. F. Koester. 1920. Preis geb. 28 ^.
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[0347] Zwei alte Jenenser Zwei alte Jenenser sAarl von ^ase und Rudolf Gucken) Prof. Dr. Joh. Werne von ich vor 35 Jahren in Jena studierte, war die von meinem Vater ererbte Gunst des greisen Karl von Hase der hellste Glanz, der aus jener sonnigen Jugendzeit lag. „Der alte Hase", wie ganz Jena die rVxiM^ Exzellenz zu nennen pflegte, dessen Lebensjahre mit dem Jahrhundert zählten, der als Burschenschafter auf dem Hohenasperg gesessen, der von Goethe nach Jena berufen worden war, nun der Senior der Universität und der Nestor unter den Kirchengcschichtsschreibern, zugleich der Künstler unter diesen, er¬ schien uns wie ein Heiliger. Wenn der Greis mit seinem vom silbernen Locken¬ schmuck umwallten ausdrucksvollen Kopfe durch die traulichen Gassen des alten Jena zu seinem geliebten „Berge" wandelte, mutete er uns an wie ein Stück Ver¬ gangenheit, das in unsere Gegenwart hineinragte. Und doch war er noch lcbens- und schaffensfreudig, voll reger Teilnahme an allen geistigen Interessen und emsig um die Drucklegung seiner großen Kirchengeschichte bemüht. Daß ihm aber damals im Winter des Lebens noch eine zarte Liebe wie eine Christrose erblüht war, ahnten wir freilich nicht, obwohl ich selbst mit seiner jungen Freundin an seinem Tische habe sitzen dürfen. Rudolf Eucken, der Philosoph, stand damals als Vierzigjähriger auf der Höhe des Lebens, eben mit der Grundlegung seiner eigenen Gedankenwelt beschäftigt. Die Anregung, die von seiner Lehrtätigkeit ausging, und die Güte und Förderung, die er dem ehrlich Strebenden erwies, habe ich selbst als junger Doktorand in reichem Maße erfahren. Der Zufall fügte es, daß jetzt gleichzeitig Memoirenwerke der beiden alten Jenenser erschienen sind. Das Hasewerk ist keine Biographie, sondern beleuchtet nur das letzte Jahr¬ zehnt eines 90 jährigen Lebens. Es sind 117 Briefe, geschrieben an eine junge Freundin, sowie 11 Antworten, die Oskar von Hase jetzt, 30 Jahre nach dem Tode Vaters, mit einer feinsinnigen Einführung nebst einem Begleitwort der Adressatin, °le schon vor 30 Jahren pietätvoll diese Briefe zusammengestellt hat, und den wildern der beiden Briefschreiber veröffentlicht. Auf seiner 17. und letzten Rom- reise im Jahre 1882 hatte Hase bei einem Feste des Botschafters auf dem Kapital eine junge Dame (Jenny von der Osten aus Gotha) kennengelernt, eine „Frühlings- ^Mzipessa", die ihm durch ihre Anmut und weil er sie im eifrigen Gespräch mit dem alten Mommsen fand, auffiel. Aus dieser Bekanntschaft hat sich ein Briefwechsel, "us diesem, zumal als Hase nach dem Tode seiner Lebensgefährtin vereinsamt war, eme Freundschaft, und aus dieser die — letzte große Liebe des im Herzen jung gebliebenen Greises entwickelt. Der zu einem krasesptor 6srmÄni-z,s, sagt Oskar Hase, gewordene Gelehrte, der als Kirchenhistoriker in seinem langen Leben ^"anch Heiligenbild der Kirche menschlich verständlich gemacht hat, erhob in seinem hohen Alter ein reizvoll modernes Kind antiker Bildung in einer stillen Karl von Hase: Dein Alter sei wie deine Jugend. Briefe an eine Freundin. UL S. Leipzig, K. F. Koester. 1920. Preis geb. 28 ^.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/347>, abgerufen am 22.07.2024.