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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union

General Hertzog bezeichnete den Premierminister als einen Diener der bri¬
tischen Herrschsucht, als Verräter an den wahren Interessen Südafrikas, er warf
ihm vor, daß er der Union ganz unnötigerweise eine schwere Schuldenlast auf¬
gebürdet habe, um einen nur zu englischem Vorteil dienenden Krieg zu führen.
Im übrigen führte er aber in bezug auf das Verhältnis der Union zu Gro߬
britannien eine verhältnismäßig ruhige Sprache; er ließ zwar keinen Zweifel daran
aufkommen, daß er die völlige Unabhängigkeit Südafrikas von Großbritannien an¬
strebe, er forderte aber nicht zu Gewaltmitteln auf und gab zu erkennen, daß er das
Ziel auf "konstitutionellem Wege", d. h, mittels eines Mehrheitsbeschlusses des
Parlaments oder Volkes herbeizuführen wünsche. Einigen seiner Anhänger ging
dies allerdings nicht weit genug, sie sprachen sich viel schärfer und leidenschaft¬
licher aus.

Smuts bezichtigte Hertzog der Untreue und des Wortbruchs, da er die von
ihm selbst mituntcrzcichnetcn Verpflichtungen des Friedensvertrags von Verceniging
beiseite setzen wolle. Er warf Hertzog außerdem vor, ein rechthaberischer Eigen-
brötler zu sein, der Verwirrung und Uneinigkeit in die Reihen der Buren getragen
und dadurch ihren Feinden in die Hände gearbeitet habe. Zugleich aber trug
General Smuts dem unter den Buren stark ausgeprägten Unabhängigkeitsgefühl in
sehr geschickter Weise Rechnung. Er sagte, daß die ganze Unabhängigkcitsbewegung
des Generals Hertzog und seiner Anhänger überflüssig sei, da die südafrikanische
Union tatsächlich bereits unabhängig sei. Das britische Reich (Empire) habe am
4. August 1314 aufgehört zu bestehen, es sei nur noch eine Art Staatenbund, dessen
einzelne Teile, die "Dominien", das volle Selbstbestinimungsrecht besäßen, und
dessen gemeinsames Bindeglied lediglich in der Krone bestehe. Er gab bei einer
Wahlrede zu, daß die britische Flagge bei den Südafrikanern unangenehme Er¬
innerungen erwecke und sprach sich für die Schaffung- einer eigenen Unionsflagge
aus. Er versprach, die englische Khakiuniform bei den südafrikanischen Truppen
abzuschaffen (was ihm bittere Anfeindungen, namentlich von der Natalprovinz aus,
eintrug); er tat in einer Rede in Zeerust den aufsehenerregenden Ausspruch, daß
die Holländer -- womit er wohl die Buren holländischer Abstammung meinte --
wenig Ursache hätten, das britische Reich zu lieben.

Es versteht sich, daß diese Aussprüche in England nicht immer angenehm
berührten. Aber die dortige beneidenswert politisch geschulte Presse verstand es,
daran ohne viel Aufhebens vorbeizugehen.

Die Wahlen am 10. März 1920 ergaben die nachstehenden Stärkeverhältmsse
'M Parlament:

Nationalisten ......... 44
Südafrikanische Partei...... 41
Unionistm......... 25
Arbeiter.......... 21
Wilde........... 3.

Das Ministerium war nun in eine höchst schwierige Lage geraten; selbst wenn
°s sich auf die Mitglieder der südafrikanischen Partei zusammen mit den Unionisten
weiterhin stützen konnte, so hatte es keine Majorität, mit der eine Regierung mög¬
lich schien, denn auf die Stimmen der Arbeiter war keinerlei Verlaß. Man glaubte


Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union

General Hertzog bezeichnete den Premierminister als einen Diener der bri¬
tischen Herrschsucht, als Verräter an den wahren Interessen Südafrikas, er warf
ihm vor, daß er der Union ganz unnötigerweise eine schwere Schuldenlast auf¬
gebürdet habe, um einen nur zu englischem Vorteil dienenden Krieg zu führen.
Im übrigen führte er aber in bezug auf das Verhältnis der Union zu Gro߬
britannien eine verhältnismäßig ruhige Sprache; er ließ zwar keinen Zweifel daran
aufkommen, daß er die völlige Unabhängigkeit Südafrikas von Großbritannien an¬
strebe, er forderte aber nicht zu Gewaltmitteln auf und gab zu erkennen, daß er das
Ziel auf „konstitutionellem Wege", d. h, mittels eines Mehrheitsbeschlusses des
Parlaments oder Volkes herbeizuführen wünsche. Einigen seiner Anhänger ging
dies allerdings nicht weit genug, sie sprachen sich viel schärfer und leidenschaft¬
licher aus.

Smuts bezichtigte Hertzog der Untreue und des Wortbruchs, da er die von
ihm selbst mituntcrzcichnetcn Verpflichtungen des Friedensvertrags von Verceniging
beiseite setzen wolle. Er warf Hertzog außerdem vor, ein rechthaberischer Eigen-
brötler zu sein, der Verwirrung und Uneinigkeit in die Reihen der Buren getragen
und dadurch ihren Feinden in die Hände gearbeitet habe. Zugleich aber trug
General Smuts dem unter den Buren stark ausgeprägten Unabhängigkeitsgefühl in
sehr geschickter Weise Rechnung. Er sagte, daß die ganze Unabhängigkcitsbewegung
des Generals Hertzog und seiner Anhänger überflüssig sei, da die südafrikanische
Union tatsächlich bereits unabhängig sei. Das britische Reich (Empire) habe am
4. August 1314 aufgehört zu bestehen, es sei nur noch eine Art Staatenbund, dessen
einzelne Teile, die „Dominien", das volle Selbstbestinimungsrecht besäßen, und
dessen gemeinsames Bindeglied lediglich in der Krone bestehe. Er gab bei einer
Wahlrede zu, daß die britische Flagge bei den Südafrikanern unangenehme Er¬
innerungen erwecke und sprach sich für die Schaffung- einer eigenen Unionsflagge
aus. Er versprach, die englische Khakiuniform bei den südafrikanischen Truppen
abzuschaffen (was ihm bittere Anfeindungen, namentlich von der Natalprovinz aus,
eintrug); er tat in einer Rede in Zeerust den aufsehenerregenden Ausspruch, daß
die Holländer — womit er wohl die Buren holländischer Abstammung meinte —
wenig Ursache hätten, das britische Reich zu lieben.

Es versteht sich, daß diese Aussprüche in England nicht immer angenehm
berührten. Aber die dortige beneidenswert politisch geschulte Presse verstand es,
daran ohne viel Aufhebens vorbeizugehen.

Die Wahlen am 10. März 1920 ergaben die nachstehenden Stärkeverhältmsse
'M Parlament:

Nationalisten ......... 44
Südafrikanische Partei...... 41
Unionistm......... 25
Arbeiter.......... 21
Wilde........... 3.

Das Ministerium war nun in eine höchst schwierige Lage geraten; selbst wenn
°s sich auf die Mitglieder der südafrikanischen Partei zusammen mit den Unionisten
weiterhin stützen konnte, so hatte es keine Majorität, mit der eine Regierung mög¬
lich schien, denn auf die Stimmen der Arbeiter war keinerlei Verlaß. Man glaubte


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[0335] Parteipolitische Verhältnisse in der südafrikanischen Union General Hertzog bezeichnete den Premierminister als einen Diener der bri¬ tischen Herrschsucht, als Verräter an den wahren Interessen Südafrikas, er warf ihm vor, daß er der Union ganz unnötigerweise eine schwere Schuldenlast auf¬ gebürdet habe, um einen nur zu englischem Vorteil dienenden Krieg zu führen. Im übrigen führte er aber in bezug auf das Verhältnis der Union zu Gro߬ britannien eine verhältnismäßig ruhige Sprache; er ließ zwar keinen Zweifel daran aufkommen, daß er die völlige Unabhängigkeit Südafrikas von Großbritannien an¬ strebe, er forderte aber nicht zu Gewaltmitteln auf und gab zu erkennen, daß er das Ziel auf „konstitutionellem Wege", d. h, mittels eines Mehrheitsbeschlusses des Parlaments oder Volkes herbeizuführen wünsche. Einigen seiner Anhänger ging dies allerdings nicht weit genug, sie sprachen sich viel schärfer und leidenschaft¬ licher aus. Smuts bezichtigte Hertzog der Untreue und des Wortbruchs, da er die von ihm selbst mituntcrzcichnetcn Verpflichtungen des Friedensvertrags von Verceniging beiseite setzen wolle. Er warf Hertzog außerdem vor, ein rechthaberischer Eigen- brötler zu sein, der Verwirrung und Uneinigkeit in die Reihen der Buren getragen und dadurch ihren Feinden in die Hände gearbeitet habe. Zugleich aber trug General Smuts dem unter den Buren stark ausgeprägten Unabhängigkeitsgefühl in sehr geschickter Weise Rechnung. Er sagte, daß die ganze Unabhängigkcitsbewegung des Generals Hertzog und seiner Anhänger überflüssig sei, da die südafrikanische Union tatsächlich bereits unabhängig sei. Das britische Reich (Empire) habe am 4. August 1314 aufgehört zu bestehen, es sei nur noch eine Art Staatenbund, dessen einzelne Teile, die „Dominien", das volle Selbstbestinimungsrecht besäßen, und dessen gemeinsames Bindeglied lediglich in der Krone bestehe. Er gab bei einer Wahlrede zu, daß die britische Flagge bei den Südafrikanern unangenehme Er¬ innerungen erwecke und sprach sich für die Schaffung- einer eigenen Unionsflagge aus. Er versprach, die englische Khakiuniform bei den südafrikanischen Truppen abzuschaffen (was ihm bittere Anfeindungen, namentlich von der Natalprovinz aus, eintrug); er tat in einer Rede in Zeerust den aufsehenerregenden Ausspruch, daß die Holländer — womit er wohl die Buren holländischer Abstammung meinte — wenig Ursache hätten, das britische Reich zu lieben. Es versteht sich, daß diese Aussprüche in England nicht immer angenehm berührten. Aber die dortige beneidenswert politisch geschulte Presse verstand es, daran ohne viel Aufhebens vorbeizugehen. Die Wahlen am 10. März 1920 ergaben die nachstehenden Stärkeverhältmsse 'M Parlament: Nationalisten ......... 44 Südafrikanische Partei...... 41 Unionistm......... 25 Arbeiter.......... 21 Wilde........... 3. Das Ministerium war nun in eine höchst schwierige Lage geraten; selbst wenn °s sich auf die Mitglieder der südafrikanischen Partei zusammen mit den Unionisten weiterhin stützen konnte, so hatte es keine Majorität, mit der eine Regierung mög¬ lich schien, denn auf die Stimmen der Arbeiter war keinerlei Verlaß. Man glaubte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/335>, abgerufen am 22.07.2024.