Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Ein Artikel mit einem Nachwort Wir haben Parteigegensätze, und sie werden bleiben. Aber sie müssen jetzt alle auf Auch muß jetzt schon davon gesprochen werden, bevor die nächsten Etappen Zum Schluß noch eine Einzelheit von grundlegender Wichtigkeit. Frankreich Wir dürften schon heute keinen Zweifel darüber lassen, daß wir den Einmarsch In den Tagen, da dieser Artikel erschien, mußte man wahrnehmen, daß die Ein Artikel mit einem Nachwort Wir haben Parteigegensätze, und sie werden bleiben. Aber sie müssen jetzt alle auf Auch muß jetzt schon davon gesprochen werden, bevor die nächsten Etappen Zum Schluß noch eine Einzelheit von grundlegender Wichtigkeit. Frankreich Wir dürften schon heute keinen Zweifel darüber lassen, daß wir den Einmarsch In den Tagen, da dieser Artikel erschien, mußte man wahrnehmen, daß die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0097" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337738"/> <fw type="header" place="top"> Ein Artikel mit einem Nachwort</fw><lb/> <p xml:id="ID_332" prev="#ID_331"> Wir haben Parteigegensätze, und sie werden bleiben. Aber sie müssen jetzt alle auf<lb/> gemeinsamen Grund der Fremdherrschaft stehen. Es gilt nach der großen Wendung<lb/> von Spa, die Öffentlichkeit auf das Kommende vorzubereiten. Vielleicht wird es<lb/> gerade dadurch vermieden, durch offene BeHandlungsweise noch abgewendet. Wenn<lb/> nicht, dann werden doch die Parteigcgensätze überbrückt und die Kräfte der Nation<lb/> ökonomisch zusamengefaßt, als wenn wir so tun, als ob wir noch Parteikämpfe inner¬<lb/> halb eines Staates mit Selbstbestimmung ausfechten dürfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_333"> Auch muß jetzt schon davon gesprochen werden, bevor die nächsten Etappen<lb/> sich verwirklicht haben werden. Denn unter den vielen Paragraphen des Friedens^<lb/> Vertrags, die nacheinander aus der Verschleierung hervortreten werden, befindet<lb/> sich auch das Verbot der nationalen Propaganda. Es wird vielleicht der Tag<lb/> kommen, wo es dem Deutschen verboten sein wird, das Wort Fremdherrschaft noch<lb/> auszusprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_334"> Zum Schluß noch eine Einzelheit von grundlegender Wichtigkeit. Frankreich<lb/> glaubte sich in Spa das Recht erworben zu haben, unser wirtschaftliches Herz, das<lb/> Nuhrgebiet, zu nehmen, wenn irgendwann in den nächsten Monaten zwei oder drei<lb/> Gewehre mehr in Deutschland vorhanden sind, als uns erlaubt wurde. Dieser<lb/> Gewehre werden zweifellos im richtigen Augenblick zu viel da sein. Nun haben wir<lb/> uns in Spa das Recht gewahrt, einen solchen Einmarsch, den der Friedensvertrag<lb/> nicht vorsieht, als feindlichen Akt aufzufassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_335"> Wir dürften schon heute keinen Zweifel darüber lassen, daß wir den Einmarsch<lb/> einer Kriegserklärung gleich erachten. Das würde den Einmarsch vielleicht nicht<lb/> hindern. Aber wenn wir ihn mit einem bloßen lahmen Protest hinnehmen winden,<lb/> ohne die diplomatischen Beziehungen abzubrechen, dann hieße das: wir fühlen uns<lb/> bereits als rechtloses Vasallenvolk und haben uns darin ergeben. Brechen wir die<lb/> Beziehungen ab, so erklären wir offen: wir sind annektiert, zu verlieren haben wir<lb/> dabei materiell nun nichts mehr, aber wir sind mit Gewalt überzogen, und der<lb/> Feind muß dann auch die Konsequenzen hinnehmen, uns offen mit Gewalt zu<lb/> regieren. Das ist für ihn viel unbequemer als die sklavische Anpassung Deutschlands<lb/> an seinen Rechtsstandpunkt. Wenn etwas heute noch die Franzosen bedenklich stimmen<lb/> kann, ihren Kurs von Spa fortzusetzen, so wäre es die klare Erkenntnis davon, daß<lb/> sie dann die Formen einer Gewaltpoliik annehmen und das Advokatische abstreifen<lb/> müssen, was innerdeutsch und international für sie unübersehbare Folgen hat. Vor¬<lb/> aussetzung aber für diesen wie für jeden anderen Erfolg letzter deutscher Willens¬<lb/> regungen und Freiheitskundgebungen ist völlige Einigkeit der Nation."</p><lb/> <p xml:id="ID_336" next="#ID_337"> In den Tagen, da dieser Artikel erschien, mußte man wahrnehmen, daß die<lb/> öffentliche Meinung Deutschlands unsicher geworden war. Einerseits herrschte die<lb/> Überzeugung von der Unerfüllbarst des Spaer Diktates vor, andererseits bemühte<lb/> man sich doch begreiflicherweise, Mittel und Wege für eine Erfüllung zu finden.<lb/> Die öffentliche Meinung Deutschlands zeigte sich in entscheidender Stunde wieder<lb/> einmal zu schwach und zersplittert. Das Bild, das die „Grenzboten" Ur. 28/29<lb/> (Grausame Komödie in endloser Wiederholung) entworfen hatten, traf zu, und<lb/> auch jetzt, da uns das Messer an die Kehle angesetzt ist, erschöpft sich die deutsche<lb/> öffentliche Meinung statt in geschlossener Abwehr in gegenseitigen unfruchtbaren<lb/> Plänkeleien. Auch hatten die wirtschaftlichen Sachverständigen ihre Tatsachenkenntnis,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
Ein Artikel mit einem Nachwort
Wir haben Parteigegensätze, und sie werden bleiben. Aber sie müssen jetzt alle auf
gemeinsamen Grund der Fremdherrschaft stehen. Es gilt nach der großen Wendung
von Spa, die Öffentlichkeit auf das Kommende vorzubereiten. Vielleicht wird es
gerade dadurch vermieden, durch offene BeHandlungsweise noch abgewendet. Wenn
nicht, dann werden doch die Parteigcgensätze überbrückt und die Kräfte der Nation
ökonomisch zusamengefaßt, als wenn wir so tun, als ob wir noch Parteikämpfe inner¬
halb eines Staates mit Selbstbestimmung ausfechten dürfen.
Auch muß jetzt schon davon gesprochen werden, bevor die nächsten Etappen
sich verwirklicht haben werden. Denn unter den vielen Paragraphen des Friedens^
Vertrags, die nacheinander aus der Verschleierung hervortreten werden, befindet
sich auch das Verbot der nationalen Propaganda. Es wird vielleicht der Tag
kommen, wo es dem Deutschen verboten sein wird, das Wort Fremdherrschaft noch
auszusprechen.
Zum Schluß noch eine Einzelheit von grundlegender Wichtigkeit. Frankreich
glaubte sich in Spa das Recht erworben zu haben, unser wirtschaftliches Herz, das
Nuhrgebiet, zu nehmen, wenn irgendwann in den nächsten Monaten zwei oder drei
Gewehre mehr in Deutschland vorhanden sind, als uns erlaubt wurde. Dieser
Gewehre werden zweifellos im richtigen Augenblick zu viel da sein. Nun haben wir
uns in Spa das Recht gewahrt, einen solchen Einmarsch, den der Friedensvertrag
nicht vorsieht, als feindlichen Akt aufzufassen.
Wir dürften schon heute keinen Zweifel darüber lassen, daß wir den Einmarsch
einer Kriegserklärung gleich erachten. Das würde den Einmarsch vielleicht nicht
hindern. Aber wenn wir ihn mit einem bloßen lahmen Protest hinnehmen winden,
ohne die diplomatischen Beziehungen abzubrechen, dann hieße das: wir fühlen uns
bereits als rechtloses Vasallenvolk und haben uns darin ergeben. Brechen wir die
Beziehungen ab, so erklären wir offen: wir sind annektiert, zu verlieren haben wir
dabei materiell nun nichts mehr, aber wir sind mit Gewalt überzogen, und der
Feind muß dann auch die Konsequenzen hinnehmen, uns offen mit Gewalt zu
regieren. Das ist für ihn viel unbequemer als die sklavische Anpassung Deutschlands
an seinen Rechtsstandpunkt. Wenn etwas heute noch die Franzosen bedenklich stimmen
kann, ihren Kurs von Spa fortzusetzen, so wäre es die klare Erkenntnis davon, daß
sie dann die Formen einer Gewaltpoliik annehmen und das Advokatische abstreifen
müssen, was innerdeutsch und international für sie unübersehbare Folgen hat. Vor¬
aussetzung aber für diesen wie für jeden anderen Erfolg letzter deutscher Willens¬
regungen und Freiheitskundgebungen ist völlige Einigkeit der Nation."
In den Tagen, da dieser Artikel erschien, mußte man wahrnehmen, daß die
öffentliche Meinung Deutschlands unsicher geworden war. Einerseits herrschte die
Überzeugung von der Unerfüllbarst des Spaer Diktates vor, andererseits bemühte
man sich doch begreiflicherweise, Mittel und Wege für eine Erfüllung zu finden.
Die öffentliche Meinung Deutschlands zeigte sich in entscheidender Stunde wieder
einmal zu schwach und zersplittert. Das Bild, das die „Grenzboten" Ur. 28/29
(Grausame Komödie in endloser Wiederholung) entworfen hatten, traf zu, und
auch jetzt, da uns das Messer an die Kehle angesetzt ist, erschöpft sich die deutsche
öffentliche Meinung statt in geschlossener Abwehr in gegenseitigen unfruchtbaren
Plänkeleien. Auch hatten die wirtschaftlichen Sachverständigen ihre Tatsachenkenntnis,
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