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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]

Das Svzialistenblatt "Le Populaire" vom
18. April bemerkt dazu, daß niemand der¬
gleichen behauptet habe. Niemand habe gesagt,
daß Frankreich allein den Krieg gewollt habe.
Was aber gewiß sei, sei dieses, daß in
Frankreich, Deutschland und England eine
mächtige Kriegspartei bestanden hätte, die in
erster Linie für die Vorbereitung und Ent¬
fesselung des Konflikts verantwortlich sei. An
dieser Auffassung müsse man festhalten. Das
Blatt führt dann fort: "Unsere Nationalisten
jedoch wurden von PoincarS, dessen Wahl
zum Präsidenten der Republik sie gesichert
hatten, mit Wohlwollen angehört. Wie
kommt es denn, um uns auf die persönliche
Verantwortlichkeit PoincareS zu beschränken,
daß gelegentlich Pvincarvs Wahl zum Prä¬
sidenten so gut unterrichtete, aber so ver¬
schieden orientierte Politiker wie JauröS und
Ribot ausriefen: Poincarö ist der Krieg!
Warum hat Octave Mirbcau in Cheverchemon
zu Georges Pioch geäußert, Poincare führt
uns zum Krieg? Warum hat der Vetter
Poincarüs, der Mathematiker Henri Poincare,
Eduard Schneider erklärt, daß der Krieg, da
sein Vetter zur Macht gekommen sei, fast
gewiß sei? Warum entstand seit der Rück¬
kehr Poincares ins Ministerium des Äußern
und besonders seit seinem Besuch beim Zaren,
der als erster seine Truppen 1814 mobilisierte,
das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit und
die Welle des Nationalismus (Pensionen,
Theaterstücke, chauvinistische Lieder usw.)"
Auch habe der persönliche Freund und
frühere Sekretär Poincnr<-s, Maurice Colrat,
in der Wochenschrift "Opinion" vom
14. Dezember selber zugegeben, daß Poin-
carS die Revanchepolitik durchgesetzt habe.
Bei dieser Gelegenheit sei nochmals mit allem
Nachdruck auf die schone Sammlung der von
Berus. Schwertfeger herausgegebenen belgischen
Gesandtschaftsberichte hingewiesen. Den beiden
ersten hier angezeigten Bänden (Grenzboten 1919
Heft 11/12) sind jetzt zwei weitere: "Böhmische
Krise, Agadir, Albanien" und "Kriegshetzereien

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und Kriegsrüstungen 191S--1914", sowie ein
Ergänzungsband zur Entstehungsgeschichte des
Zweibunds "Nevancheidee und PanslawismuS"
erschienen(Reimer.Hobbing Verlag,Berlin 1919).
Die große Bedeutung dieser Veröffentlichung
beruht auf zwei Umständen: einmal bildet sie
eins der vornehmlichsten Entlastungsdokument,
gegenüber den Vorwürfen von Deutschlands
Verantwortlichkeit am Kriege. Wir sind zwar
aus innerpolitischen Gründen der Kriegsschuld'
diskussion (mit Recht) reichlich müde geworden,
aber im Gespräch mit Ausländern wird dies
Thema noch auf Jahre hinaus Anlaß zu
Debatten bieten und da ist es nötig, daß
auch der deutsche Privatmann sein geistiges
Rüstzeug blank und bereit hält. Es ist wahr-
haftig nicht gleichgültig, daß Ende Juni ein
Zirkular einer im ganzen alles andere als
deutschfreundlichen Negierung Rußlands an-
laßlose aber gewaltige Rüstungen und Frank¬
reichs Unfähigkeit, die Lasten der dreijährigen
Dienstzeit länger als zwei Jahre zu tragen
verzeichnet, und betont, daß Deutschland nicht
das geringste Interesse am Losschlagen hat
und von sich aus getrost einer friedlichen
Entwicklung vertrauen könne, und daß es noch
am 3. Juli 1914 wörtlich heißt: "Niemand
zweifelt an dein noch immer friedlich gerichteten
Sinn des Kaisers Wilhelm, aber wie lange wird
man noch angesichts des drohenden Vorgehens
Frankreichs und Rußlands und der Folgen,
'die es auf die chauvinistischen und militäri¬
schen Geister des Reiches ausübt, auf diese
Gesinnung zählen dürfen?" Dann aber bildet
die Sammlung für alle, denen an scharfer
und lebendiger Erfassung der Probleme der
europäischen Politik gelegen ist, eine ganz
vorzügliche Einführung und Gelegenheit, sich
durch eigene geistige Arbeit zum Verständnis
außenpolitischer Fragen zu bilden. Raume-'
lich der fünfte Band, der bis 1836 zurückgeht,
bietet in dieser Hinsicht eine zugleich lehrreiche
und fessclndcLektüre. Ein Namen- und Sach¬
register ivird die Brauchbarkeit der Bände
M. noch erhöhen.

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Drinnen und draußen

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Das Svzialistenblatt „Le Populaire" vom
18. April bemerkt dazu, daß niemand der¬
gleichen behauptet habe. Niemand habe gesagt,
daß Frankreich allein den Krieg gewollt habe.
Was aber gewiß sei, sei dieses, daß in
Frankreich, Deutschland und England eine
mächtige Kriegspartei bestanden hätte, die in
erster Linie für die Vorbereitung und Ent¬
fesselung des Konflikts verantwortlich sei. An
dieser Auffassung müsse man festhalten. Das
Blatt führt dann fort: „Unsere Nationalisten
jedoch wurden von PoincarS, dessen Wahl
zum Präsidenten der Republik sie gesichert
hatten, mit Wohlwollen angehört. Wie
kommt es denn, um uns auf die persönliche
Verantwortlichkeit PoincareS zu beschränken,
daß gelegentlich Pvincarvs Wahl zum Prä¬
sidenten so gut unterrichtete, aber so ver¬
schieden orientierte Politiker wie JauröS und
Ribot ausriefen: Poincarö ist der Krieg!
Warum hat Octave Mirbcau in Cheverchemon
zu Georges Pioch geäußert, Poincare führt
uns zum Krieg? Warum hat der Vetter
Poincarüs, der Mathematiker Henri Poincare,
Eduard Schneider erklärt, daß der Krieg, da
sein Vetter zur Macht gekommen sei, fast
gewiß sei? Warum entstand seit der Rück¬
kehr Poincares ins Ministerium des Äußern
und besonders seit seinem Besuch beim Zaren,
der als erster seine Truppen 1814 mobilisierte,
das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit und
die Welle des Nationalismus (Pensionen,
Theaterstücke, chauvinistische Lieder usw.)"
Auch habe der persönliche Freund und
frühere Sekretär Poincnr<-s, Maurice Colrat,
in der Wochenschrift „Opinion" vom
14. Dezember selber zugegeben, daß Poin-
carS die Revanchepolitik durchgesetzt habe.
Bei dieser Gelegenheit sei nochmals mit allem
Nachdruck auf die schone Sammlung der von
Berus. Schwertfeger herausgegebenen belgischen
Gesandtschaftsberichte hingewiesen. Den beiden
ersten hier angezeigten Bänden (Grenzboten 1919
Heft 11/12) sind jetzt zwei weitere: „Böhmische
Krise, Agadir, Albanien" und „Kriegshetzereien

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und Kriegsrüstungen 191S—1914", sowie ein
Ergänzungsband zur Entstehungsgeschichte des
Zweibunds „Nevancheidee und PanslawismuS"
erschienen(Reimer.Hobbing Verlag,Berlin 1919).
Die große Bedeutung dieser Veröffentlichung
beruht auf zwei Umständen: einmal bildet sie
eins der vornehmlichsten Entlastungsdokument,
gegenüber den Vorwürfen von Deutschlands
Verantwortlichkeit am Kriege. Wir sind zwar
aus innerpolitischen Gründen der Kriegsschuld'
diskussion (mit Recht) reichlich müde geworden,
aber im Gespräch mit Ausländern wird dies
Thema noch auf Jahre hinaus Anlaß zu
Debatten bieten und da ist es nötig, daß
auch der deutsche Privatmann sein geistiges
Rüstzeug blank und bereit hält. Es ist wahr-
haftig nicht gleichgültig, daß Ende Juni ein
Zirkular einer im ganzen alles andere als
deutschfreundlichen Negierung Rußlands an-
laßlose aber gewaltige Rüstungen und Frank¬
reichs Unfähigkeit, die Lasten der dreijährigen
Dienstzeit länger als zwei Jahre zu tragen
verzeichnet, und betont, daß Deutschland nicht
das geringste Interesse am Losschlagen hat
und von sich aus getrost einer friedlichen
Entwicklung vertrauen könne, und daß es noch
am 3. Juli 1914 wörtlich heißt: „Niemand
zweifelt an dein noch immer friedlich gerichteten
Sinn des Kaisers Wilhelm, aber wie lange wird
man noch angesichts des drohenden Vorgehens
Frankreichs und Rußlands und der Folgen,
'die es auf die chauvinistischen und militäri¬
schen Geister des Reiches ausübt, auf diese
Gesinnung zählen dürfen?" Dann aber bildet
die Sammlung für alle, denen an scharfer
und lebendiger Erfassung der Probleme der
europäischen Politik gelegen ist, eine ganz
vorzügliche Einführung und Gelegenheit, sich
durch eigene geistige Arbeit zum Verständnis
außenpolitischer Fragen zu bilden. Raume-'
lich der fünfte Band, der bis 1836 zurückgeht,
bietet in dieser Hinsicht eine zugleich lehrreiche
und fessclndcLektüre. Ein Namen- und Sach¬
register ivird die Brauchbarkeit der Bände
M. noch erhöhen.

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[0087] Drinnen und draußen Das Svzialistenblatt „Le Populaire" vom 18. April bemerkt dazu, daß niemand der¬ gleichen behauptet habe. Niemand habe gesagt, daß Frankreich allein den Krieg gewollt habe. Was aber gewiß sei, sei dieses, daß in Frankreich, Deutschland und England eine mächtige Kriegspartei bestanden hätte, die in erster Linie für die Vorbereitung und Ent¬ fesselung des Konflikts verantwortlich sei. An dieser Auffassung müsse man festhalten. Das Blatt führt dann fort: „Unsere Nationalisten jedoch wurden von PoincarS, dessen Wahl zum Präsidenten der Republik sie gesichert hatten, mit Wohlwollen angehört. Wie kommt es denn, um uns auf die persönliche Verantwortlichkeit PoincareS zu beschränken, daß gelegentlich Pvincarvs Wahl zum Prä¬ sidenten so gut unterrichtete, aber so ver¬ schieden orientierte Politiker wie JauröS und Ribot ausriefen: Poincarö ist der Krieg! Warum hat Octave Mirbcau in Cheverchemon zu Georges Pioch geäußert, Poincare führt uns zum Krieg? Warum hat der Vetter Poincarüs, der Mathematiker Henri Poincare, Eduard Schneider erklärt, daß der Krieg, da sein Vetter zur Macht gekommen sei, fast gewiß sei? Warum entstand seit der Rück¬ kehr Poincares ins Ministerium des Äußern und besonders seit seinem Besuch beim Zaren, der als erster seine Truppen 1814 mobilisierte, das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit und die Welle des Nationalismus (Pensionen, Theaterstücke, chauvinistische Lieder usw.)" Auch habe der persönliche Freund und frühere Sekretär Poincnr<-s, Maurice Colrat, in der Wochenschrift „Opinion" vom 14. Dezember selber zugegeben, daß Poin- carS die Revanchepolitik durchgesetzt habe. Bei dieser Gelegenheit sei nochmals mit allem Nachdruck auf die schone Sammlung der von Berus. Schwertfeger herausgegebenen belgischen Gesandtschaftsberichte hingewiesen. Den beiden ersten hier angezeigten Bänden (Grenzboten 1919 Heft 11/12) sind jetzt zwei weitere: „Böhmische Krise, Agadir, Albanien" und „Kriegshetzereien und Kriegsrüstungen 191S—1914", sowie ein Ergänzungsband zur Entstehungsgeschichte des Zweibunds „Nevancheidee und PanslawismuS" erschienen(Reimer.Hobbing Verlag,Berlin 1919). Die große Bedeutung dieser Veröffentlichung beruht auf zwei Umständen: einmal bildet sie eins der vornehmlichsten Entlastungsdokument, gegenüber den Vorwürfen von Deutschlands Verantwortlichkeit am Kriege. Wir sind zwar aus innerpolitischen Gründen der Kriegsschuld' diskussion (mit Recht) reichlich müde geworden, aber im Gespräch mit Ausländern wird dies Thema noch auf Jahre hinaus Anlaß zu Debatten bieten und da ist es nötig, daß auch der deutsche Privatmann sein geistiges Rüstzeug blank und bereit hält. Es ist wahr- haftig nicht gleichgültig, daß Ende Juni ein Zirkular einer im ganzen alles andere als deutschfreundlichen Negierung Rußlands an- laßlose aber gewaltige Rüstungen und Frank¬ reichs Unfähigkeit, die Lasten der dreijährigen Dienstzeit länger als zwei Jahre zu tragen verzeichnet, und betont, daß Deutschland nicht das geringste Interesse am Losschlagen hat und von sich aus getrost einer friedlichen Entwicklung vertrauen könne, und daß es noch am 3. Juli 1914 wörtlich heißt: „Niemand zweifelt an dein noch immer friedlich gerichteten Sinn des Kaisers Wilhelm, aber wie lange wird man noch angesichts des drohenden Vorgehens Frankreichs und Rußlands und der Folgen, 'die es auf die chauvinistischen und militäri¬ schen Geister des Reiches ausübt, auf diese Gesinnung zählen dürfen?" Dann aber bildet die Sammlung für alle, denen an scharfer und lebendiger Erfassung der Probleme der europäischen Politik gelegen ist, eine ganz vorzügliche Einführung und Gelegenheit, sich durch eigene geistige Arbeit zum Verständnis außenpolitischer Fragen zu bilden. Raume-' lich der fünfte Band, der bis 1836 zurückgeht, bietet in dieser Hinsicht eine zugleich lehrreiche und fessclndcLektüre. Ein Namen- und Sach¬ register ivird die Brauchbarkeit der Bände M. noch erhöhen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/87>, abgerufen am 01.07.2024.