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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Wenn man eine solche Widerstandskomödie macht, wie wir in Spaa, in
Versailles und wo sonst noch vorher und nachher, dann muß man es auch wirklich
auf Biegen und Brechen ankommen lassen. Ist man nicht vorher schon zum Brechen¬
lassen fest entschlossen, dann wird man eben gebogen.

Da der deutsche Charakter jetzt ein so vielmal gebogener ist, so haben wir in
der ganzen Welt den Ruf der Unehrlichkeit erhalten. Unsere Komödien sind von
schlechtem Geschmack, und unser Sträuben wird nicht ernster genommen wie das
eines Kindes, bevor es die Medizin schluckt.

Weshalb aber lassen die sozialdemokratisierten Arbeiter immer als erste die
gemeinsame Sache fallen? Weil sie keine Gemeinsamkeit irgendwelcher Art mit
dem Bürgertum haben wollen, denn das schwächt die monomane Energie des Klassen¬
kampfes. Ferner, weil sie national instinktlos die Schande nicht spüren, und statt
die inneren Händel hinter geschlossener Außenfront auszufechten, stets mit Hilfe des
Ausländers gern dem deutschen "Gegner", dem "inneren Feind", eins ans Betr
geben, einerlei, ob sie selbst auch darum hinken müssen. Mit der Einmarschdrohung
zwingt uus der Feind nacheinander alles ab. Und zuguderletzt wird er doch ein¬
marschieren. Denn nicht bis zur Erfüllung des Versailler Vertrags, sondern dauernd
sollen wir ihm Zinsen.

Weshalb aber lernt der Deutsche nie aus der grausamen Erfahrung seiner
Geschichte von gestern, vorgestern usw.? Weil ja die Presse so ohne nationale
Disziplin ist, daß die wirklichen Vorgänge, ihre Ursachen und Wirkungen garnicht
bekannt und begriffen werden. Einzelne lernen, predigen, leiden, schämen sich,
begreifen das furchtbare Los, in dieser Zeit in diesem Volk geboren zu sein, und
fühlen das nächste kommende Unheil voraus wie ein rheumatisches Bein das Wetter.
Was hilfts? Bald kommt die nächste RePetition der Komödie. Zunächst Anforderung
der Entente. Darauf: nicht etwa langsame, eindringliche Vorbereitung der ganzen
Volkspsyche auf ein einheitliches Ziel des Widerstandes, sondern zerstreutes Weiter¬
leben in innerem Hadern, optimistisches Nichtkennen des Auslandes, Falschtaxieren
der englischen Interessen, kurz: Kaninchen, ehe Boa Constrictor ansetzt. Dann,
Auge in Auge mit ihr flüchtiges, temperamentloses Entrüstungs- und Einigkeits¬
theater. Man wirft sich in die Brust: Diesmal wird bestimmt nicht bedingungslos
unterschrieben. Auf die taktischen Kunstgriffe des Verhandlungsgegners ist man
niemals vorbereitet,' so sieht man diese guten Leute mit den gewandtesten Politikern
der Entente zusammentreffen, die die Unsrigen selbst bei gleichen Machtverhältnissen
in die Tasche stecken würden. Die Rechte geht mit dem Herzen in den Einigkeits-
schwur hinein, hofft auf Wiedergeburt des Nationalwillens, die Mitte tut es anstands¬
halber (man war auch patriotisch und hat gezeigt, daß man nur gezwungen nachgibt),
die Linke macht taktisch mit, um Macht zu gewinnen und im entscheidenden
Augenblick der Nation in den Rücken zu fallen. Einzelne glauben sogar, unsere
Komödie würde in den Feinden Vernunft erwecken und Bewunderung, statt Ver¬
achtung und Peitschenhiebe. Keiner aber sieht, daß wirklicher, einiger Wider¬
standswille Macht gewesen wäre. Weil der konditionale, umfallende Scheinwille
W nichts führte, glaubt man den Beweis in Händen zu haben, daß "nichts"
helfen konnte als Unterwerfung.

Diesmal also hat man noch einmal nachgegeben, "weil wider Erwarten
nichts anderes übrig blieb. Bis zum nächstenmal wird England aber vernünftig
werden und den Franzosen schon das Handwerk legen." Man sieht die englische
Politik grotesk verzerrt nicht von England, sondern von Berlin aus, als ob sich
alles um uns drehte, wie etwa Pergamon oder Alesia die römische Politik nicht
von Rom, sondern von dort aus ansahen: die Römer müßten doch eigentlich,
werden doch wohl . . .

Aber England hat doch früher mit uns Verständigung gesucht? Jawohl,
solange wir eine Macht waren. Heute könnten wir eine Macht nur wieder
werden durch nationalen Gesamtwillen, da der andere Weg, die Maschinengewehre,


Grenzboten III 19S0 5
Reichsspiegel

Wenn man eine solche Widerstandskomödie macht, wie wir in Spaa, in
Versailles und wo sonst noch vorher und nachher, dann muß man es auch wirklich
auf Biegen und Brechen ankommen lassen. Ist man nicht vorher schon zum Brechen¬
lassen fest entschlossen, dann wird man eben gebogen.

Da der deutsche Charakter jetzt ein so vielmal gebogener ist, so haben wir in
der ganzen Welt den Ruf der Unehrlichkeit erhalten. Unsere Komödien sind von
schlechtem Geschmack, und unser Sträuben wird nicht ernster genommen wie das
eines Kindes, bevor es die Medizin schluckt.

Weshalb aber lassen die sozialdemokratisierten Arbeiter immer als erste die
gemeinsame Sache fallen? Weil sie keine Gemeinsamkeit irgendwelcher Art mit
dem Bürgertum haben wollen, denn das schwächt die monomane Energie des Klassen¬
kampfes. Ferner, weil sie national instinktlos die Schande nicht spüren, und statt
die inneren Händel hinter geschlossener Außenfront auszufechten, stets mit Hilfe des
Ausländers gern dem deutschen „Gegner", dem „inneren Feind", eins ans Betr
geben, einerlei, ob sie selbst auch darum hinken müssen. Mit der Einmarschdrohung
zwingt uus der Feind nacheinander alles ab. Und zuguderletzt wird er doch ein¬
marschieren. Denn nicht bis zur Erfüllung des Versailler Vertrags, sondern dauernd
sollen wir ihm Zinsen.

Weshalb aber lernt der Deutsche nie aus der grausamen Erfahrung seiner
Geschichte von gestern, vorgestern usw.? Weil ja die Presse so ohne nationale
Disziplin ist, daß die wirklichen Vorgänge, ihre Ursachen und Wirkungen garnicht
bekannt und begriffen werden. Einzelne lernen, predigen, leiden, schämen sich,
begreifen das furchtbare Los, in dieser Zeit in diesem Volk geboren zu sein, und
fühlen das nächste kommende Unheil voraus wie ein rheumatisches Bein das Wetter.
Was hilfts? Bald kommt die nächste RePetition der Komödie. Zunächst Anforderung
der Entente. Darauf: nicht etwa langsame, eindringliche Vorbereitung der ganzen
Volkspsyche auf ein einheitliches Ziel des Widerstandes, sondern zerstreutes Weiter¬
leben in innerem Hadern, optimistisches Nichtkennen des Auslandes, Falschtaxieren
der englischen Interessen, kurz: Kaninchen, ehe Boa Constrictor ansetzt. Dann,
Auge in Auge mit ihr flüchtiges, temperamentloses Entrüstungs- und Einigkeits¬
theater. Man wirft sich in die Brust: Diesmal wird bestimmt nicht bedingungslos
unterschrieben. Auf die taktischen Kunstgriffe des Verhandlungsgegners ist man
niemals vorbereitet,' so sieht man diese guten Leute mit den gewandtesten Politikern
der Entente zusammentreffen, die die Unsrigen selbst bei gleichen Machtverhältnissen
in die Tasche stecken würden. Die Rechte geht mit dem Herzen in den Einigkeits-
schwur hinein, hofft auf Wiedergeburt des Nationalwillens, die Mitte tut es anstands¬
halber (man war auch patriotisch und hat gezeigt, daß man nur gezwungen nachgibt),
die Linke macht taktisch mit, um Macht zu gewinnen und im entscheidenden
Augenblick der Nation in den Rücken zu fallen. Einzelne glauben sogar, unsere
Komödie würde in den Feinden Vernunft erwecken und Bewunderung, statt Ver¬
achtung und Peitschenhiebe. Keiner aber sieht, daß wirklicher, einiger Wider¬
standswille Macht gewesen wäre. Weil der konditionale, umfallende Scheinwille
W nichts führte, glaubt man den Beweis in Händen zu haben, daß „nichts"
helfen konnte als Unterwerfung.

Diesmal also hat man noch einmal nachgegeben, „weil wider Erwarten
nichts anderes übrig blieb. Bis zum nächstenmal wird England aber vernünftig
werden und den Franzosen schon das Handwerk legen." Man sieht die englische
Politik grotesk verzerrt nicht von England, sondern von Berlin aus, als ob sich
alles um uns drehte, wie etwa Pergamon oder Alesia die römische Politik nicht
von Rom, sondern von dort aus ansahen: die Römer müßten doch eigentlich,
werden doch wohl . . .

Aber England hat doch früher mit uns Verständigung gesucht? Jawohl,
solange wir eine Macht waren. Heute könnten wir eine Macht nur wieder
werden durch nationalen Gesamtwillen, da der andere Weg, die Maschinengewehre,


Grenzboten III 19S0 5
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[0077] Reichsspiegel Wenn man eine solche Widerstandskomödie macht, wie wir in Spaa, in Versailles und wo sonst noch vorher und nachher, dann muß man es auch wirklich auf Biegen und Brechen ankommen lassen. Ist man nicht vorher schon zum Brechen¬ lassen fest entschlossen, dann wird man eben gebogen. Da der deutsche Charakter jetzt ein so vielmal gebogener ist, so haben wir in der ganzen Welt den Ruf der Unehrlichkeit erhalten. Unsere Komödien sind von schlechtem Geschmack, und unser Sträuben wird nicht ernster genommen wie das eines Kindes, bevor es die Medizin schluckt. Weshalb aber lassen die sozialdemokratisierten Arbeiter immer als erste die gemeinsame Sache fallen? Weil sie keine Gemeinsamkeit irgendwelcher Art mit dem Bürgertum haben wollen, denn das schwächt die monomane Energie des Klassen¬ kampfes. Ferner, weil sie national instinktlos die Schande nicht spüren, und statt die inneren Händel hinter geschlossener Außenfront auszufechten, stets mit Hilfe des Ausländers gern dem deutschen „Gegner", dem „inneren Feind", eins ans Betr geben, einerlei, ob sie selbst auch darum hinken müssen. Mit der Einmarschdrohung zwingt uus der Feind nacheinander alles ab. Und zuguderletzt wird er doch ein¬ marschieren. Denn nicht bis zur Erfüllung des Versailler Vertrags, sondern dauernd sollen wir ihm Zinsen. Weshalb aber lernt der Deutsche nie aus der grausamen Erfahrung seiner Geschichte von gestern, vorgestern usw.? Weil ja die Presse so ohne nationale Disziplin ist, daß die wirklichen Vorgänge, ihre Ursachen und Wirkungen garnicht bekannt und begriffen werden. Einzelne lernen, predigen, leiden, schämen sich, begreifen das furchtbare Los, in dieser Zeit in diesem Volk geboren zu sein, und fühlen das nächste kommende Unheil voraus wie ein rheumatisches Bein das Wetter. Was hilfts? Bald kommt die nächste RePetition der Komödie. Zunächst Anforderung der Entente. Darauf: nicht etwa langsame, eindringliche Vorbereitung der ganzen Volkspsyche auf ein einheitliches Ziel des Widerstandes, sondern zerstreutes Weiter¬ leben in innerem Hadern, optimistisches Nichtkennen des Auslandes, Falschtaxieren der englischen Interessen, kurz: Kaninchen, ehe Boa Constrictor ansetzt. Dann, Auge in Auge mit ihr flüchtiges, temperamentloses Entrüstungs- und Einigkeits¬ theater. Man wirft sich in die Brust: Diesmal wird bestimmt nicht bedingungslos unterschrieben. Auf die taktischen Kunstgriffe des Verhandlungsgegners ist man niemals vorbereitet,' so sieht man diese guten Leute mit den gewandtesten Politikern der Entente zusammentreffen, die die Unsrigen selbst bei gleichen Machtverhältnissen in die Tasche stecken würden. Die Rechte geht mit dem Herzen in den Einigkeits- schwur hinein, hofft auf Wiedergeburt des Nationalwillens, die Mitte tut es anstands¬ halber (man war auch patriotisch und hat gezeigt, daß man nur gezwungen nachgibt), die Linke macht taktisch mit, um Macht zu gewinnen und im entscheidenden Augenblick der Nation in den Rücken zu fallen. Einzelne glauben sogar, unsere Komödie würde in den Feinden Vernunft erwecken und Bewunderung, statt Ver¬ achtung und Peitschenhiebe. Keiner aber sieht, daß wirklicher, einiger Wider¬ standswille Macht gewesen wäre. Weil der konditionale, umfallende Scheinwille W nichts führte, glaubt man den Beweis in Händen zu haben, daß „nichts" helfen konnte als Unterwerfung. Diesmal also hat man noch einmal nachgegeben, „weil wider Erwarten nichts anderes übrig blieb. Bis zum nächstenmal wird England aber vernünftig werden und den Franzosen schon das Handwerk legen." Man sieht die englische Politik grotesk verzerrt nicht von England, sondern von Berlin aus, als ob sich alles um uns drehte, wie etwa Pergamon oder Alesia die römische Politik nicht von Rom, sondern von dort aus ansahen: die Römer müßten doch eigentlich, werden doch wohl . . . Aber England hat doch früher mit uns Verständigung gesucht? Jawohl, solange wir eine Macht waren. Heute könnten wir eine Macht nur wieder werden durch nationalen Gesamtwillen, da der andere Weg, die Maschinengewehre, Grenzboten III 19S0 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/77>, abgerufen am 01.07.2024.