Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Zur rheinischen Frage des Zentrums begrüßt und unterstützt hat. Jede Hilfe auch nur moralischer Art, Wohl ist das Sonderbündlertum am Rhein selbst nicht mehr die Macht, die es Diese Entwicklung muß heute scharf ins Auge gefaßt werden, denn es ist nicht Zur rheinischen Frage des Zentrums begrüßt und unterstützt hat. Jede Hilfe auch nur moralischer Art, Wohl ist das Sonderbündlertum am Rhein selbst nicht mehr die Macht, die es Diese Entwicklung muß heute scharf ins Auge gefaßt werden, denn es ist nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337992"/> <fw type="header" place="top"> Zur rheinischen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1336" prev="#ID_1335"> des Zentrums begrüßt und unterstützt hat. Jede Hilfe auch nur moralischer Art,<lb/> die heute der „Rheinische Herold", die ausgesprochene Tageszeitung des um<lb/> Dorten gescharten Kreises erfährt, stützt zugleich die Führer derselben Bewegung,<lb/> die vor wenig mehr als Jahresfrist offen mit französischen Generälen über die<lb/> Ausrufung der rheinischen Republik verhandelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1337"> Wohl ist das Sonderbündlertum am Rhein selbst nicht mehr die Macht, die es<lb/> damals darstellte. Gerade in der Frage der Lostrennungsbcstrebungm ist die Christ¬<lb/> liche Volkspartei in sich gespalten. Mitte Juli erklärte die Kölner Ortsgruppe ent¬<lb/> schieden, daß sie mit der Rheinischen Volksvereinigung, der Kampftruppe Dortens,<lb/> nichts zu tun habe. „Unabhängig und unbeeinflußt vom Auslande wolle der<lb/> Deutsche die Fragen der Beibehaltung oder Neugründung der Länder in gesetz¬<lb/> mäßiger Freiheit ordnen. Sollte in Zukunft ein Staat die deutsche Not zur Auf¬<lb/> richtung von neuen deutschen Einzelländern — seien es Rand- oder Puffer¬<lb/> staaten — benutzen wollen, so werden wir uns diesem Unterfangen mit allen Mitteln<lb/> des Rechtes widersetzen." Dem „Rheinischen Herold", dem bisherigen Organ gerade<lb/> der Christlichen Volkspartei in Köln, wurde zugleich der Charakter als Parteiblatt<lb/> aberkannt, als die Hintermänner der Wiesbadener Aktivisten ihre unerschöpflichen<lb/> Mittel auch zum Ankauf dieser Zeitung verwandten. Auf der anderen Seite<lb/> aber haben sich ebenfalls vor wenigen Wochen Vertreter der Christlichen Volkspartei<lb/> in Aachen, Trier, Koblenz und Wiesbaden, die angeblich acht Zehntel der Gcsamt-<lb/> wcihlerschaft vertreten, um so enger um Dorten geschart und ein eigenes General¬<lb/> sekretariat in Koblenz errichtet. Der Riß, der ursprünglich das rheinische Zentrum<lb/> spaltete und diesem bei den letzten Neichstagswahlen nicht weniger als Viermal¬<lb/> hunderttausend Stimmen entzog, geht also auch durch diese Neubildung, ohne jedoch<lb/> hier wie dort das enge Zusammengehörigkeitsgefühl aller Teile zu trüben. Hier<lb/> wie dort läßt sich die Scheidelinie zwischen unitarischem Zentrum, föderalistischer<lb/> Volkspartei und Aktivisten nie und nirgends scharf ziehen. Verhindert tritt immer<lb/> wieder die Abneigung gegen ein längst entschlafenes „Preußentum" hervor, die die<lb/> Christliche Volkspartei, die Bayerische Volkspartei, die Weisen, die Hessische Rechts¬<lb/> partei und eine ganze Anzahl kleinerer Gruppen im Deutschen Reich in gemein¬<lb/> samem Haß zusammenhält.</p><lb/> <p xml:id="ID_1338"> Diese Entwicklung muß heute scharf ins Auge gefaßt werden, denn es ist nicht<lb/> emders: Jeder Fortschritt des deutschen Föderalismus in der Reichsverfassung und<lb/> im Staatsleben, der im Innern des Reiches unverfänglich, vielleicht sogar nützlich<lb/> erscheint, kommt in der Tat in der Westmark des Reiches vor allem doch den rheini¬<lb/> schen Absonderungsbestrebungen zugute und stärkt dadurch in ganz besonderem<lb/> Maße die Nheingelüste Frankreichs. Nicht mehr als Separatisten, sondern schlecht¬<lb/> hin als ehrliche deutsche Föderalisten öffnet der Kreis, der sich seiner Zeit unter<lb/> dem Namen Dorten zusammenfand und durch diesen auch nach außen am besten<lb/> gekennzeichnet wird, den Feinden die Pforten zum Einmarsch ins Reich. Der Kampf<lb/> um die preußische Verfassung, dessen entscheidende Phasen in den nächsten Wochen<lb/> schon zu erwarten sind, greift tief hinein auch in dies Außengebilde des deutschen<lb/> Staats. Sein Ausgang wird ganz wesentlich hemmend oder fördernd die Aus¬<lb/> wirkung der großen Ziele unterstützen, die Frankreich durch die doppelseitige Um¬<lb/> klammerung im Süden und Westen sich selbst und seinem Ehrgeiz gesteckt hat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
Zur rheinischen Frage
des Zentrums begrüßt und unterstützt hat. Jede Hilfe auch nur moralischer Art,
die heute der „Rheinische Herold", die ausgesprochene Tageszeitung des um
Dorten gescharten Kreises erfährt, stützt zugleich die Führer derselben Bewegung,
die vor wenig mehr als Jahresfrist offen mit französischen Generälen über die
Ausrufung der rheinischen Republik verhandelten.
Wohl ist das Sonderbündlertum am Rhein selbst nicht mehr die Macht, die es
damals darstellte. Gerade in der Frage der Lostrennungsbcstrebungm ist die Christ¬
liche Volkspartei in sich gespalten. Mitte Juli erklärte die Kölner Ortsgruppe ent¬
schieden, daß sie mit der Rheinischen Volksvereinigung, der Kampftruppe Dortens,
nichts zu tun habe. „Unabhängig und unbeeinflußt vom Auslande wolle der
Deutsche die Fragen der Beibehaltung oder Neugründung der Länder in gesetz¬
mäßiger Freiheit ordnen. Sollte in Zukunft ein Staat die deutsche Not zur Auf¬
richtung von neuen deutschen Einzelländern — seien es Rand- oder Puffer¬
staaten — benutzen wollen, so werden wir uns diesem Unterfangen mit allen Mitteln
des Rechtes widersetzen." Dem „Rheinischen Herold", dem bisherigen Organ gerade
der Christlichen Volkspartei in Köln, wurde zugleich der Charakter als Parteiblatt
aberkannt, als die Hintermänner der Wiesbadener Aktivisten ihre unerschöpflichen
Mittel auch zum Ankauf dieser Zeitung verwandten. Auf der anderen Seite
aber haben sich ebenfalls vor wenigen Wochen Vertreter der Christlichen Volkspartei
in Aachen, Trier, Koblenz und Wiesbaden, die angeblich acht Zehntel der Gcsamt-
wcihlerschaft vertreten, um so enger um Dorten geschart und ein eigenes General¬
sekretariat in Koblenz errichtet. Der Riß, der ursprünglich das rheinische Zentrum
spaltete und diesem bei den letzten Neichstagswahlen nicht weniger als Viermal¬
hunderttausend Stimmen entzog, geht also auch durch diese Neubildung, ohne jedoch
hier wie dort das enge Zusammengehörigkeitsgefühl aller Teile zu trüben. Hier
wie dort läßt sich die Scheidelinie zwischen unitarischem Zentrum, föderalistischer
Volkspartei und Aktivisten nie und nirgends scharf ziehen. Verhindert tritt immer
wieder die Abneigung gegen ein längst entschlafenes „Preußentum" hervor, die die
Christliche Volkspartei, die Bayerische Volkspartei, die Weisen, die Hessische Rechts¬
partei und eine ganze Anzahl kleinerer Gruppen im Deutschen Reich in gemein¬
samem Haß zusammenhält.
Diese Entwicklung muß heute scharf ins Auge gefaßt werden, denn es ist nicht
emders: Jeder Fortschritt des deutschen Föderalismus in der Reichsverfassung und
im Staatsleben, der im Innern des Reiches unverfänglich, vielleicht sogar nützlich
erscheint, kommt in der Tat in der Westmark des Reiches vor allem doch den rheini¬
schen Absonderungsbestrebungen zugute und stärkt dadurch in ganz besonderem
Maße die Nheingelüste Frankreichs. Nicht mehr als Separatisten, sondern schlecht¬
hin als ehrliche deutsche Föderalisten öffnet der Kreis, der sich seiner Zeit unter
dem Namen Dorten zusammenfand und durch diesen auch nach außen am besten
gekennzeichnet wird, den Feinden die Pforten zum Einmarsch ins Reich. Der Kampf
um die preußische Verfassung, dessen entscheidende Phasen in den nächsten Wochen
schon zu erwarten sind, greift tief hinein auch in dies Außengebilde des deutschen
Staats. Sein Ausgang wird ganz wesentlich hemmend oder fördernd die Aus¬
wirkung der großen Ziele unterstützen, die Frankreich durch die doppelseitige Um¬
klammerung im Süden und Westen sich selbst und seinem Ehrgeiz gesteckt hat.
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