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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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"Offenherzigkeiten

Demonstrationszug vorzustellen mit dem Losungswort: "Nie wieder Streik!" Die¬
selben Deutschen, die den antikapitalistischen Bürgerkrieg schüren, weisen den Fran¬
zosen den sicheren und gefahrlosen Weg zur kapitalistischen Ausbeutung des ganzen
deutschen Volkes.

Natürlich durfte unter den Jnschriftstafeln dieses jammervollen Zuges auch
eine Tafel mit der Inschrift: "Wir sind die Opfer der Kriegspolitik Wilhelms II."
nicht fehlen. Das Eingeständnis unserer Schuld bildete die regelmäßige Aufgabe
zu jedem Fußfall vor dem Feind. Den Abschluß bildete ein geschmackloser Funk¬
spruch an die Kriegsteilnehmer aller Länder: "Über alle Grenzen hinweg senden
wir euch unsere brüderlichen Grüße." Dieser Deutschen herzliche Grüße werden
den "Kriegsteilnehmer" FoÄ, gewin auch dann noch empfangen, wenn er "über alle
Grenzen hinweg" einmal selbst an der Spitze seiner brüderlichen Scharen im Berliner
Lustgarten erscheinen sollte.

In denselben Tagen hielt der Verband nationalgesinnter Soldaten in Berlin
eine Gedenkfeier ab, in welcher der ersten Tage des Krieges, da das ganze Volk in
Einigkeit, Vertrauen und Opfermut zusammenstand, gedacht wurde. Nach den
Presseberichten wurde dort die Hoffnung ausgesprochen, daß "wir die alten Fahnen
wieder in Euren entfalten können", und ein Vertreter der märkischen Jugend
beteuerte, daß die aufwachsende Generation an einen Friedrich den Großen der
Zukunft glaube.

Nicht umsonst aber haben die Franzosen, treu unterstützt von den deutschen
Linksradikalen, die Struktur des deutschen Staates so tief zerstört, daß vorderhand
noch jene ergebenen Helfer des Fmnzosentums bei uns den Ausschlag geben. Erst
wenn nach der Logik der Geschichte die Franzosen selbst die verblendeten Massen in
Deutschland durch Fremdherrschaft und Aussaugung zur Besinnung gebracht haben
werden, kann jener schöne Traum der Jugend auch von uns Älteren geteilt werden.


Erzberger kehrt wieder,

hat Dr. Simons einem Schweizer Reporter mitgeteilt, denn Leute von seinen
Fähigkeiten wären doch selbst im heutigen Deutschland selten. Dazu stimmt die
Information meines oberschwäbischen Gewährsmannes, der berichtet, daß hinter
Biberach, wo seit Monaten das Unterzeug des Exministers weißgewaschen wird, die
Abwässer jetzt schon so hell fließen, daß sie von klarem Wasser fast nicht mehr zu
unterscheiden sind. Mein Gewährsmann ist dank seiner ausgezeichneten Beziehungen
auch schon in der Lage, anzudeuten, wen der Reichskanzler Erzberger in sein neues-
Kabinett hereinnehmen wird. Erzberger geht mit seiner bekannten Menschenkenntnis
und Schlaue davon aus, daß der Deutsche jeden Staatsmann lieb hat, sei er auch
noch so hereingefallen, wenn er nur ein ehrenhafter, anständiger Bürger ist. Alle,
ob sie nun Fehrenbach oder Bauer hießen, erhielten pränumerando ihren Lorbeer-
und postnumerando, wenn sie gegangen wurden, ihren silbernen Myrtenkranz. Des¬
halb plant Erzberger, sein Kabinett ausschließlich aus gewesenen und erprobten
Reichskanzlern zusammenzustellen. Um dem deutschen Volk zu gefallen, soll scherde-
mann das Innere und die Justiz, Fehrenbach das Äußere und den Verkehr (aus¬
genommen den mit Llohd George), Erzberger selbst die Wirtschaft Punz Max von
Baden die Arbeit, Bauer die Kultur, Bethmann Hollweg die Post, Mutter das
Militär und Kapp das Luftwesen erhalten. Da Hertling, von welchem wahrend
seiner Neichskanzlerzeit nie recht festzustellen war, ob er schon gestorben >pare oder
"och lebte, jetzt wirklich in einer besseren Welt weilt, soll or Wirth die Finanzen
behalten, zumal er Erzberger den Anspruch, der einzige tolle Bursche in diesem
Kabinett zu sein, nicht streitig macht und man außerdem Frau or Wirth acht jetzt
schon wieder einen Umzug von Berlin weg zumuten kann. Weil sich sämtliche Alt¬
reichskanzler der besten Frische erfreuen (wie hätten sie sonst ihren Anteil an Deutsch¬
lands Geschichte so tragen können), und da Deutschland bekanntlich nur einmal
prompt und mit sicherem Instinkt seine gewohnte Langmut vergessend, sich einmütig
Segen einen Minister aufgelehnt hat (es war Bismarck), so darf man demi Kabinett


«Offenherzigkeiten

Demonstrationszug vorzustellen mit dem Losungswort: „Nie wieder Streik!" Die¬
selben Deutschen, die den antikapitalistischen Bürgerkrieg schüren, weisen den Fran¬
zosen den sicheren und gefahrlosen Weg zur kapitalistischen Ausbeutung des ganzen
deutschen Volkes.

Natürlich durfte unter den Jnschriftstafeln dieses jammervollen Zuges auch
eine Tafel mit der Inschrift: „Wir sind die Opfer der Kriegspolitik Wilhelms II."
nicht fehlen. Das Eingeständnis unserer Schuld bildete die regelmäßige Aufgabe
zu jedem Fußfall vor dem Feind. Den Abschluß bildete ein geschmackloser Funk¬
spruch an die Kriegsteilnehmer aller Länder: „Über alle Grenzen hinweg senden
wir euch unsere brüderlichen Grüße." Dieser Deutschen herzliche Grüße werden
den „Kriegsteilnehmer" FoÄ, gewin auch dann noch empfangen, wenn er „über alle
Grenzen hinweg" einmal selbst an der Spitze seiner brüderlichen Scharen im Berliner
Lustgarten erscheinen sollte.

In denselben Tagen hielt der Verband nationalgesinnter Soldaten in Berlin
eine Gedenkfeier ab, in welcher der ersten Tage des Krieges, da das ganze Volk in
Einigkeit, Vertrauen und Opfermut zusammenstand, gedacht wurde. Nach den
Presseberichten wurde dort die Hoffnung ausgesprochen, daß „wir die alten Fahnen
wieder in Euren entfalten können", und ein Vertreter der märkischen Jugend
beteuerte, daß die aufwachsende Generation an einen Friedrich den Großen der
Zukunft glaube.

Nicht umsonst aber haben die Franzosen, treu unterstützt von den deutschen
Linksradikalen, die Struktur des deutschen Staates so tief zerstört, daß vorderhand
noch jene ergebenen Helfer des Fmnzosentums bei uns den Ausschlag geben. Erst
wenn nach der Logik der Geschichte die Franzosen selbst die verblendeten Massen in
Deutschland durch Fremdherrschaft und Aussaugung zur Besinnung gebracht haben
werden, kann jener schöne Traum der Jugend auch von uns Älteren geteilt werden.


Erzberger kehrt wieder,

hat Dr. Simons einem Schweizer Reporter mitgeteilt, denn Leute von seinen
Fähigkeiten wären doch selbst im heutigen Deutschland selten. Dazu stimmt die
Information meines oberschwäbischen Gewährsmannes, der berichtet, daß hinter
Biberach, wo seit Monaten das Unterzeug des Exministers weißgewaschen wird, die
Abwässer jetzt schon so hell fließen, daß sie von klarem Wasser fast nicht mehr zu
unterscheiden sind. Mein Gewährsmann ist dank seiner ausgezeichneten Beziehungen
auch schon in der Lage, anzudeuten, wen der Reichskanzler Erzberger in sein neues-
Kabinett hereinnehmen wird. Erzberger geht mit seiner bekannten Menschenkenntnis
und Schlaue davon aus, daß der Deutsche jeden Staatsmann lieb hat, sei er auch
noch so hereingefallen, wenn er nur ein ehrenhafter, anständiger Bürger ist. Alle,
ob sie nun Fehrenbach oder Bauer hießen, erhielten pränumerando ihren Lorbeer-
und postnumerando, wenn sie gegangen wurden, ihren silbernen Myrtenkranz. Des¬
halb plant Erzberger, sein Kabinett ausschließlich aus gewesenen und erprobten
Reichskanzlern zusammenzustellen. Um dem deutschen Volk zu gefallen, soll scherde-
mann das Innere und die Justiz, Fehrenbach das Äußere und den Verkehr (aus¬
genommen den mit Llohd George), Erzberger selbst die Wirtschaft Punz Max von
Baden die Arbeit, Bauer die Kultur, Bethmann Hollweg die Post, Mutter das
Militär und Kapp das Luftwesen erhalten. Da Hertling, von welchem wahrend
seiner Neichskanzlerzeit nie recht festzustellen war, ob er schon gestorben >pare oder
»och lebte, jetzt wirklich in einer besseren Welt weilt, soll or Wirth die Finanzen
behalten, zumal er Erzberger den Anspruch, der einzige tolle Bursche in diesem
Kabinett zu sein, nicht streitig macht und man außerdem Frau or Wirth acht jetzt
schon wieder einen Umzug von Berlin weg zumuten kann. Weil sich sämtliche Alt¬
reichskanzler der besten Frische erfreuen (wie hätten sie sonst ihren Anteil an Deutsch¬
lands Geschichte so tragen können), und da Deutschland bekanntlich nur einmal
prompt und mit sicherem Instinkt seine gewohnte Langmut vergessend, sich einmütig
Segen einen Minister aufgelehnt hat (es war Bismarck), so darf man demi Kabinett


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[0287] «Offenherzigkeiten Demonstrationszug vorzustellen mit dem Losungswort: „Nie wieder Streik!" Die¬ selben Deutschen, die den antikapitalistischen Bürgerkrieg schüren, weisen den Fran¬ zosen den sicheren und gefahrlosen Weg zur kapitalistischen Ausbeutung des ganzen deutschen Volkes. Natürlich durfte unter den Jnschriftstafeln dieses jammervollen Zuges auch eine Tafel mit der Inschrift: „Wir sind die Opfer der Kriegspolitik Wilhelms II." nicht fehlen. Das Eingeständnis unserer Schuld bildete die regelmäßige Aufgabe zu jedem Fußfall vor dem Feind. Den Abschluß bildete ein geschmackloser Funk¬ spruch an die Kriegsteilnehmer aller Länder: „Über alle Grenzen hinweg senden wir euch unsere brüderlichen Grüße." Dieser Deutschen herzliche Grüße werden den „Kriegsteilnehmer" FoÄ, gewin auch dann noch empfangen, wenn er „über alle Grenzen hinweg" einmal selbst an der Spitze seiner brüderlichen Scharen im Berliner Lustgarten erscheinen sollte. In denselben Tagen hielt der Verband nationalgesinnter Soldaten in Berlin eine Gedenkfeier ab, in welcher der ersten Tage des Krieges, da das ganze Volk in Einigkeit, Vertrauen und Opfermut zusammenstand, gedacht wurde. Nach den Presseberichten wurde dort die Hoffnung ausgesprochen, daß „wir die alten Fahnen wieder in Euren entfalten können", und ein Vertreter der märkischen Jugend beteuerte, daß die aufwachsende Generation an einen Friedrich den Großen der Zukunft glaube. Nicht umsonst aber haben die Franzosen, treu unterstützt von den deutschen Linksradikalen, die Struktur des deutschen Staates so tief zerstört, daß vorderhand noch jene ergebenen Helfer des Fmnzosentums bei uns den Ausschlag geben. Erst wenn nach der Logik der Geschichte die Franzosen selbst die verblendeten Massen in Deutschland durch Fremdherrschaft und Aussaugung zur Besinnung gebracht haben werden, kann jener schöne Traum der Jugend auch von uns Älteren geteilt werden. Erzberger kehrt wieder, hat Dr. Simons einem Schweizer Reporter mitgeteilt, denn Leute von seinen Fähigkeiten wären doch selbst im heutigen Deutschland selten. Dazu stimmt die Information meines oberschwäbischen Gewährsmannes, der berichtet, daß hinter Biberach, wo seit Monaten das Unterzeug des Exministers weißgewaschen wird, die Abwässer jetzt schon so hell fließen, daß sie von klarem Wasser fast nicht mehr zu unterscheiden sind. Mein Gewährsmann ist dank seiner ausgezeichneten Beziehungen auch schon in der Lage, anzudeuten, wen der Reichskanzler Erzberger in sein neues- Kabinett hereinnehmen wird. Erzberger geht mit seiner bekannten Menschenkenntnis und Schlaue davon aus, daß der Deutsche jeden Staatsmann lieb hat, sei er auch noch so hereingefallen, wenn er nur ein ehrenhafter, anständiger Bürger ist. Alle, ob sie nun Fehrenbach oder Bauer hießen, erhielten pränumerando ihren Lorbeer- und postnumerando, wenn sie gegangen wurden, ihren silbernen Myrtenkranz. Des¬ halb plant Erzberger, sein Kabinett ausschließlich aus gewesenen und erprobten Reichskanzlern zusammenzustellen. Um dem deutschen Volk zu gefallen, soll scherde- mann das Innere und die Justiz, Fehrenbach das Äußere und den Verkehr (aus¬ genommen den mit Llohd George), Erzberger selbst die Wirtschaft Punz Max von Baden die Arbeit, Bauer die Kultur, Bethmann Hollweg die Post, Mutter das Militär und Kapp das Luftwesen erhalten. Da Hertling, von welchem wahrend seiner Neichskanzlerzeit nie recht festzustellen war, ob er schon gestorben >pare oder »och lebte, jetzt wirklich in einer besseren Welt weilt, soll or Wirth die Finanzen behalten, zumal er Erzberger den Anspruch, der einzige tolle Bursche in diesem Kabinett zu sein, nicht streitig macht und man außerdem Frau or Wirth acht jetzt schon wieder einen Umzug von Berlin weg zumuten kann. Weil sich sämtliche Alt¬ reichskanzler der besten Frische erfreuen (wie hätten sie sonst ihren Anteil an Deutsch¬ lands Geschichte so tragen können), und da Deutschland bekanntlich nur einmal prompt und mit sicherem Instinkt seine gewohnte Langmut vergessend, sich einmütig Segen einen Minister aufgelehnt hat (es war Bismarck), so darf man demi Kabinett

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/287>, abgerufen am 01.07.2024.