Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling Schiedsgerichten und durch allgemeine Abrüstung die Zahl der Kriege auf ein Wir wollen zu den Idealen der Zeit unseres klassischen Idealismus zurück¬ Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling et9!5--!9;7) Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerium vonX. (Schluß) Luzern, den 16. Mai 1917. Persönlich bin ich auf Grund eines Meinungsaustausches, den ich letzter Luzern, den 18. Mai 1917. Ich habe anläßlich der Anwesenheit des Abgeordneten Müller Gelegenheit Ich darf in diesem Zusammenhange bemerken, daß die ruhige und ab¬ Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling Schiedsgerichten und durch allgemeine Abrüstung die Zahl der Kriege auf ein Wir wollen zu den Idealen der Zeit unseres klassischen Idealismus zurück¬ Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling et9!5—!9;7) Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerium vonX. (Schluß) Luzern, den 16. Mai 1917. Persönlich bin ich auf Grund eines Meinungsaustausches, den ich letzter Luzern, den 18. Mai 1917. Ich habe anläßlich der Anwesenheit des Abgeordneten Müller Gelegenheit Ich darf in diesem Zusammenhange bemerken, daß die ruhige und ab¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337910"/> <fw type="header" place="top"> Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling</fw><lb/> <p xml:id="ID_947" prev="#ID_946"> Schiedsgerichten und durch allgemeine Abrüstung die Zahl der Kriege auf ein<lb/> Minimum reduziert.</p><lb/> <p xml:id="ID_948"> Wir wollen zu den Idealen der Zeit unseres klassischen Idealismus zurück¬<lb/> kehren, wo aus der schönsten Blüte unseres Geisteslebens das deutsche National¬<lb/> gefühl entstand, mit nationaler Würde aber gleichzeitig die Erkenntnis des<lb/> Weltbürgertums verbunden war.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling<lb/> et9!5—!9;7)<lb/><note type="byline"> Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerium</note> vonX. (Schluß)</head><lb/> <p xml:id="ID_949"> Luzern, den 16. Mai 1917.</p><lb/> <p xml:id="ID_950"> Persönlich bin ich auf Grund eines Meinungsaustausches, den ich letzter<lb/> Tage mit einem der amerikanischen Gesandtschaft Bern nahestehenden Diplo¬<lb/> maten hatte, der Anschauung, daß die Entente im Vertrauen auf die Unter¬<lb/> stützung Amerikas vorerst den Kampf fortsetzen wird. Man geht in Paris und<lb/> London von der Voraussetzung aus, daß Deutschland und Österreich-Ungarn<lb/> auch nach Abschluß eines Waffenstillstandes, ja selbst eines Separatfriedens mit<lb/> Rußland rieseln der Lage sein werden, ihre Ostfront zu degarnieren, da die<lb/> Verhältnisse in Rußland zu unsicher seien, um einen im Juni mit der Regierung ^<lb/> geschlossenen Waffenstillstand oder Frieden auch von Seite der vielleicht schon<lb/> im Juli erstehenden Regierung L Anerkennung zu gewährleisten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_951"> Luzern, den 18. Mai 1917.</p><lb/> <p xml:id="ID_952"> Ich habe anläßlich der Anwesenheit des Abgeordneten Müller Gelegenheit<lb/> gehabt, verschiedene der äußeren und äußersten Linken der internationalen<lb/> Sozialdemokratie nahestehende politische Persönlichkeiten kennen zu lernen-<lb/> Die Enttäuschung darüber, daß Deutschland sich nicht wenigstens Rußland<lb/> gegenüber auf den Boden der Scheidemannschen Formel gestellt hat, war<lb/> unverkennbar. Doch ist der Stand der Dinge in Rußland zur Zeit ein zu chaotischer,<lb/> als daß selbst in diesen mit russischen Verhältnissen wohlvertrauten Kreisen ein<lb/> einigermaßen sicheres Urteil darüber bestünde, wie sich Rußland eigentlich ver¬<lb/> halten werde. Was mit Sicherheit festzustellen war, ist, daß man jeden Tag mit<lb/> einer Überraschung nach der einen oder der anderen Seite rechnen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_953" next="#ID_954"> Ich darf in diesem Zusammenhange bemerken, daß die ruhige und ab¬<lb/> gewogene Art, in der Herr Müller mit politischen Persönlichkeiten der Schweiz<lb/> verhandelt, auch diesmal wieder manche schwebende Angelegenheit in einem<lb/> Deutschland günstigen Sinne gefördert und manches Mißverständnis aufgeklärt<lb/> ^t, das über unsere politischen Absichten im neutralen Ausland zu bestehen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0269]
Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling
Schiedsgerichten und durch allgemeine Abrüstung die Zahl der Kriege auf ein
Minimum reduziert.
Wir wollen zu den Idealen der Zeit unseres klassischen Idealismus zurück¬
kehren, wo aus der schönsten Blüte unseres Geisteslebens das deutsche National¬
gefühl entstand, mit nationaler Würde aber gleichzeitig die Erkenntnis des
Weltbürgertums verbunden war.
Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling
et9!5—!9;7)
Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerium vonX. (Schluß)
Luzern, den 16. Mai 1917.
Persönlich bin ich auf Grund eines Meinungsaustausches, den ich letzter
Tage mit einem der amerikanischen Gesandtschaft Bern nahestehenden Diplo¬
maten hatte, der Anschauung, daß die Entente im Vertrauen auf die Unter¬
stützung Amerikas vorerst den Kampf fortsetzen wird. Man geht in Paris und
London von der Voraussetzung aus, daß Deutschland und Österreich-Ungarn
auch nach Abschluß eines Waffenstillstandes, ja selbst eines Separatfriedens mit
Rußland rieseln der Lage sein werden, ihre Ostfront zu degarnieren, da die
Verhältnisse in Rußland zu unsicher seien, um einen im Juni mit der Regierung ^
geschlossenen Waffenstillstand oder Frieden auch von Seite der vielleicht schon
im Juli erstehenden Regierung L Anerkennung zu gewährleisten.
Luzern, den 18. Mai 1917.
Ich habe anläßlich der Anwesenheit des Abgeordneten Müller Gelegenheit
gehabt, verschiedene der äußeren und äußersten Linken der internationalen
Sozialdemokratie nahestehende politische Persönlichkeiten kennen zu lernen-
Die Enttäuschung darüber, daß Deutschland sich nicht wenigstens Rußland
gegenüber auf den Boden der Scheidemannschen Formel gestellt hat, war
unverkennbar. Doch ist der Stand der Dinge in Rußland zur Zeit ein zu chaotischer,
als daß selbst in diesen mit russischen Verhältnissen wohlvertrauten Kreisen ein
einigermaßen sicheres Urteil darüber bestünde, wie sich Rußland eigentlich ver¬
halten werde. Was mit Sicherheit festzustellen war, ist, daß man jeden Tag mit
einer Überraschung nach der einen oder der anderen Seite rechnen kann.
Ich darf in diesem Zusammenhange bemerken, daß die ruhige und ab¬
gewogene Art, in der Herr Müller mit politischen Persönlichkeiten der Schweiz
verhandelt, auch diesmal wieder manche schwebende Angelegenheit in einem
Deutschland günstigen Sinne gefördert und manches Mißverständnis aufgeklärt
^t, das über unsere politischen Absichten im neutralen Ausland zu bestehen
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