Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen von 5399--^yo^ usw. daran, daß die Veränderungen in der Weltlage einschneidend genug warm, um Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen von 5399—^yo^ usw. daran, daß die Veränderungen in der Weltlage einschneidend genug warm, um <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337858"/> <fw type="header" place="top"> Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen von 5399—^yo^ usw.</fw><lb/> <p xml:id="ID_779" prev="#ID_778" next="#ID_780"> daran, daß die Veränderungen in der Weltlage einschneidend genug warm, um<lb/> neue Vorkehrungen zu bedingen; insbesondere Deutschland griff in die Kreise der<lb/> englischen Diplomatie insofern störend ein, als es in der Mitte Europas eine starke<lb/> Militärmacht errichtete, während eine der englischen Grundregeln lautete: England<lb/> habe gegen jede Militärmacht auf der Hut zu sein, die von dort her eine Vorherr¬<lb/> schaft erlangen könnte. Darunter wurde verstanden, daß kein Bündnissystem zu<lb/> dulden war, daß Englands in Europa verankerte Weltstellung bedrohte; um keinen<lb/> Preis durfte Napoleons Versuch sich wiederholen, England vom Kontinent abzu¬<lb/> sperren. Wie sollte man sich da mit der Deutschen Reichsgründung abfinden? Die<lb/> Ansichten der politischen Parteien gingen scharf auseinander. Die Liberalen wollten<lb/> vorbeugen, und nahmen von Anfang an eine deutschfeindliche Haltung ein; es ver¬<lb/> dient gewußt zu werden, daß der englische Liberalismus von der Gründung des<lb/> Reiches an als erstrebenswert die politische Kombination ins Auge faßte, die uns<lb/> zum Verhängnis wurde: Ein Zusammengehen Englands mit Frankreich und Ru߬<lb/> land. Anders die Konservativen, die den Hauptgegner in Rußland sahen und es für<lb/> zweckmäßig hielten, Deutschland für eine Frontstellung gegen Rußland zu gewinnen;<lb/> sobald Deutschland sich im Gegensatz gegen Rußland befand, war ja auch die Ge¬<lb/> fahr einer deutschen Vormachtsstellung überwunden. Diesen Standpunkt hatte Lord<lb/> Beaconsfield eingenommen. Solche Erwägungen machen es begreiflich, worin<lb/> Bismarcks folgendes diplomatisches Spiel den Engländern mißfiel; das übelste war,<lb/> daß er die Führung an sich riß. Den Liberalen war diese Tatsache Anlaß genug,<lb/> an ihrem Vorhaben festzuhalten; hingegen meinten die Konservativen von 1885 an<lb/> unter der Leitung Lord Salisburys, daß nichts zur Entscheidung dränge; Deutsch¬<lb/> lands exponierte Lage erlaube ein ruhiges Abwarten. Diese Haltung des Abwartens<lb/> empfahl sich um so mehr, je deutlicher gegen Ende der achtziger Jahre die Bildung<lb/> einer anderen Mächtegruppe in Sicht trat; Rußland und Frankreich näherten sich,<lb/> um ein Gegengewicht gegen den Dreibund zu bilden. Hielt England sich zurück, so<lb/> konnte es zu rechter Zeit ein Zünglein an der Wage zwischen den beiden Mächte¬<lb/> gruppen bilden; mit dieser Aussicht vor Augen, ist das Wort von der glänzenden<lb/> Isolierung geprägt worden. Inzwischen war jede Festigung der Front gegen Ru߬<lb/> land auch ein englisches Interesse, daher dessen Vereitwilligkeit zur Anlehnung an<lb/> den Dreibund; eine festere Bindung aber lehnte Lord Salisbmh in seiner Antwort<lb/> auf Bismarcks Schreiben höflich ab. Bismarcks Sturz öffnete plötzlich neue Mög¬<lb/> lichkeiten; wie wenn es gelang, einen Keil zwischen Deutschland und Rußland zu<lb/> treiben? Das war der Hintergedanke bei jenen Verhandlungen, die im Sansibar¬<lb/> vertrag einmündeten, der uns bekanntlich Helgoland brachte. Es ist interessant, aus<lb/> 'französischer Quelle zu hören, wie die englische Diplomatie gleichzeitig noch in<lb/> anderer Weise arbeitete; es sei hier vorausgeschickt, daß Reichskanzler von<lb/> Eaprivi den RückVersicherungsvertrag mit Rußland kündigte, womit er das letzte<lb/> Hemmnis für den Abschluß einer russisch-ftanzösischen Entente beseitigte. Hier<lb/> setzte der Prinz von Wales bei seinen häufigen Pariser Besuchen ein, um, wahrschein¬<lb/> lich von seinen russischen Verwandten unterrichtet, diesen Abschluß zu fördern. Es<lb/> geschah, um eine Annäherung Deutschlands an Rußland zu erschweren. So ist es<lb/> also mit der ursprünglichen Deutschfreundlichkeit des späteren König Eduard, welche<lb/> ^ckardtstein aus persönlichem Verkehr mit dem hohen Herrn rühmt, nicht so weit<lb/> her; wohl aber bezeugen Eckardtsteins Erinnerungen von neuem die große Kunst der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0217]
Die englisch-deutschen Bündnisverhandlungen von 5399—^yo^ usw.
daran, daß die Veränderungen in der Weltlage einschneidend genug warm, um
neue Vorkehrungen zu bedingen; insbesondere Deutschland griff in die Kreise der
englischen Diplomatie insofern störend ein, als es in der Mitte Europas eine starke
Militärmacht errichtete, während eine der englischen Grundregeln lautete: England
habe gegen jede Militärmacht auf der Hut zu sein, die von dort her eine Vorherr¬
schaft erlangen könnte. Darunter wurde verstanden, daß kein Bündnissystem zu
dulden war, daß Englands in Europa verankerte Weltstellung bedrohte; um keinen
Preis durfte Napoleons Versuch sich wiederholen, England vom Kontinent abzu¬
sperren. Wie sollte man sich da mit der Deutschen Reichsgründung abfinden? Die
Ansichten der politischen Parteien gingen scharf auseinander. Die Liberalen wollten
vorbeugen, und nahmen von Anfang an eine deutschfeindliche Haltung ein; es ver¬
dient gewußt zu werden, daß der englische Liberalismus von der Gründung des
Reiches an als erstrebenswert die politische Kombination ins Auge faßte, die uns
zum Verhängnis wurde: Ein Zusammengehen Englands mit Frankreich und Ru߬
land. Anders die Konservativen, die den Hauptgegner in Rußland sahen und es für
zweckmäßig hielten, Deutschland für eine Frontstellung gegen Rußland zu gewinnen;
sobald Deutschland sich im Gegensatz gegen Rußland befand, war ja auch die Ge¬
fahr einer deutschen Vormachtsstellung überwunden. Diesen Standpunkt hatte Lord
Beaconsfield eingenommen. Solche Erwägungen machen es begreiflich, worin
Bismarcks folgendes diplomatisches Spiel den Engländern mißfiel; das übelste war,
daß er die Führung an sich riß. Den Liberalen war diese Tatsache Anlaß genug,
an ihrem Vorhaben festzuhalten; hingegen meinten die Konservativen von 1885 an
unter der Leitung Lord Salisburys, daß nichts zur Entscheidung dränge; Deutsch¬
lands exponierte Lage erlaube ein ruhiges Abwarten. Diese Haltung des Abwartens
empfahl sich um so mehr, je deutlicher gegen Ende der achtziger Jahre die Bildung
einer anderen Mächtegruppe in Sicht trat; Rußland und Frankreich näherten sich,
um ein Gegengewicht gegen den Dreibund zu bilden. Hielt England sich zurück, so
konnte es zu rechter Zeit ein Zünglein an der Wage zwischen den beiden Mächte¬
gruppen bilden; mit dieser Aussicht vor Augen, ist das Wort von der glänzenden
Isolierung geprägt worden. Inzwischen war jede Festigung der Front gegen Ru߬
land auch ein englisches Interesse, daher dessen Vereitwilligkeit zur Anlehnung an
den Dreibund; eine festere Bindung aber lehnte Lord Salisbmh in seiner Antwort
auf Bismarcks Schreiben höflich ab. Bismarcks Sturz öffnete plötzlich neue Mög¬
lichkeiten; wie wenn es gelang, einen Keil zwischen Deutschland und Rußland zu
treiben? Das war der Hintergedanke bei jenen Verhandlungen, die im Sansibar¬
vertrag einmündeten, der uns bekanntlich Helgoland brachte. Es ist interessant, aus
'französischer Quelle zu hören, wie die englische Diplomatie gleichzeitig noch in
anderer Weise arbeitete; es sei hier vorausgeschickt, daß Reichskanzler von
Eaprivi den RückVersicherungsvertrag mit Rußland kündigte, womit er das letzte
Hemmnis für den Abschluß einer russisch-ftanzösischen Entente beseitigte. Hier
setzte der Prinz von Wales bei seinen häufigen Pariser Besuchen ein, um, wahrschein¬
lich von seinen russischen Verwandten unterrichtet, diesen Abschluß zu fördern. Es
geschah, um eine Annäherung Deutschlands an Rußland zu erschweren. So ist es
also mit der ursprünglichen Deutschfreundlichkeit des späteren König Eduard, welche
^ckardtstein aus persönlichem Verkehr mit dem hohen Herrn rühmt, nicht so weit
her; wohl aber bezeugen Eckardtsteins Erinnerungen von neuem die große Kunst der
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