Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling sie nicht sehen, nicht anerkennen. Wir Deutschen haben noch dazu größere Sorgen. Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling et9^5--591.7) von Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerimn IV. Lugano, den 10. Januar 1916. n italienischen politischen Kreisen wird der Wunsch nach Bildung Hierzu kommt, daß bei Bildung eines Konzentrationsministeriums selbst¬ Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling sie nicht sehen, nicht anerkennen. Wir Deutschen haben noch dazu größere Sorgen. Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling et9^5—591.7) von Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerimn IV. Lugano, den 10. Januar 1916. n italienischen politischen Kreisen wird der Wunsch nach Bildung Hierzu kommt, daß bei Bildung eines Konzentrationsministeriums selbst¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337661"/> <fw type="header" place="top"> Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling</fw><lb/> <p xml:id="ID_30" prev="#ID_29"> sie nicht sehen, nicht anerkennen. Wir Deutschen haben noch dazu größere Sorgen.<lb/> Die heißen Hunger lind Spartakus, Elsaß-Lothringen, Saarbecken, Pfalz, das ganze<lb/> Rheinland, Schleswig, Westpreußen, Ostpreußen, Posen, Oberschlesien, Deutsch-<lb/> Gsterrcich, deutsche Schutzgebiete und anderes mehr. Aber trotzdem wollen wir nicht<lb/> ganz vergessen der wackeren und treuen deutschen Wallonei!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling<lb/> et9^5—591.7)<lb/> von Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerimn<lb/> IV. </head><lb/> <p xml:id="ID_31"> Lugano, den 10. Januar 1916.</p><lb/> <p xml:id="ID_32"> n italienischen politischen Kreisen wird der Wunsch nach Bildung<lb/> ! eines Konzentrationsministeriums immer stärker. Salandra wehrt<lb/> sich vorläufig noch entschieden gegen eine derartige tiefergreifende<lb/> > Änderung der bisherigen Regierungsmaximen Italiens. Nach metner<lb/> ! unmaßgeblichen Auffassung zeugt dies von einigem Weitblick. Was<lb/> wir aus Frankreich über die Unzuträglichkeiten hören, die ein Konzentrations¬<lb/> ministerium sozusagen im Keime in sich trägt, wirkt für einen italienischen Staats¬<lb/> mann wohl kaum ermutigend. Der in Deutschland noch fremde Begriff des Kon¬<lb/> zentrationsministeriums verlangt, daß alle Parteien des Landes mit Ausschluß viel¬<lb/> leicht der absolut oppositionellen Elemente in ihm vertreten sind. Dies hat zur<lb/> naturgemäßen Folge, daß die Parteien, die tatsächlich im Parlament den Aus¬<lb/> schlag geben, sich in ihrer Bedeutung reduziert sehen, da ihre Vertretung im Kabinett<lb/> unmöglich ihrem zahlenmäßigen Stärkeverhältnis entsprechen kann. In einen:<lb/> Konzentrationsministerium muß auch eine Gruppe, die vielleicht höchstens 15 ?S des<lb/> Parlaments umfaßt, mit mindestens einem Minister vertreten sein: soll daher das<lb/> Ministerium nicht zu einer Kohorte anschwellen, so müssen die großen Parteien auf<lb/> eine ihren Stärkeverhältnissen entsprechende Vertretung verzichten. Dies hat, wie<lb/> verschiedene Berichte meines französischen Vertrauensmannes haben ersehen lassen,<lb/> zu ganz erheblichen Mißvergnüglichkeiten in Frankreich geführt, und es versteht sich,<lb/> wenn Herr Salandra vorläufig sich gegen den Vorschlag sträubt, die bisher für das<lb/> italienische Verfassungsleben maßgebenden Grundsätze, nach denen das Ministerium<lb/> einer annehmbaren Majorität des Parlaments entspricht, einer allzu eiligen Revision<lb/> zu unterziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_33"> Hierzu kommt, daß bei Bildung eines Konzentrationsministeriums selbst¬<lb/> verständlich auch das katholische Element berücksichtigt werden müßte. Der vom<lb/> Vatikan stillschweigend geduldete Führer der Katholiken, Meta, hat sich durch die<lb/> von ihm in der letzten Tagung gehaltene und außerordentlich vaterländische Rede<lb/> zweifellos einen Anspruch auf seine Berufung in ein KonzmtrationsministeriiM<lb/> erworben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling
sie nicht sehen, nicht anerkennen. Wir Deutschen haben noch dazu größere Sorgen.
Die heißen Hunger lind Spartakus, Elsaß-Lothringen, Saarbecken, Pfalz, das ganze
Rheinland, Schleswig, Westpreußen, Ostpreußen, Posen, Oberschlesien, Deutsch-
Gsterrcich, deutsche Schutzgebiete und anderes mehr. Aber trotzdem wollen wir nicht
ganz vergessen der wackeren und treuen deutschen Wallonei!
Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling
et9^5—591.7)
von Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerimn
IV.
Lugano, den 10. Januar 1916.
n italienischen politischen Kreisen wird der Wunsch nach Bildung
! eines Konzentrationsministeriums immer stärker. Salandra wehrt
sich vorläufig noch entschieden gegen eine derartige tiefergreifende
> Änderung der bisherigen Regierungsmaximen Italiens. Nach metner
! unmaßgeblichen Auffassung zeugt dies von einigem Weitblick. Was
wir aus Frankreich über die Unzuträglichkeiten hören, die ein Konzentrations¬
ministerium sozusagen im Keime in sich trägt, wirkt für einen italienischen Staats¬
mann wohl kaum ermutigend. Der in Deutschland noch fremde Begriff des Kon¬
zentrationsministeriums verlangt, daß alle Parteien des Landes mit Ausschluß viel¬
leicht der absolut oppositionellen Elemente in ihm vertreten sind. Dies hat zur
naturgemäßen Folge, daß die Parteien, die tatsächlich im Parlament den Aus¬
schlag geben, sich in ihrer Bedeutung reduziert sehen, da ihre Vertretung im Kabinett
unmöglich ihrem zahlenmäßigen Stärkeverhältnis entsprechen kann. In einen:
Konzentrationsministerium muß auch eine Gruppe, die vielleicht höchstens 15 ?S des
Parlaments umfaßt, mit mindestens einem Minister vertreten sein: soll daher das
Ministerium nicht zu einer Kohorte anschwellen, so müssen die großen Parteien auf
eine ihren Stärkeverhältnissen entsprechende Vertretung verzichten. Dies hat, wie
verschiedene Berichte meines französischen Vertrauensmannes haben ersehen lassen,
zu ganz erheblichen Mißvergnüglichkeiten in Frankreich geführt, und es versteht sich,
wenn Herr Salandra vorläufig sich gegen den Vorschlag sträubt, die bisher für das
italienische Verfassungsleben maßgebenden Grundsätze, nach denen das Ministerium
einer annehmbaren Majorität des Parlaments entspricht, einer allzu eiligen Revision
zu unterziehen.
Hierzu kommt, daß bei Bildung eines Konzentrationsministeriums selbst¬
verständlich auch das katholische Element berücksichtigt werden müßte. Der vom
Vatikan stillschweigend geduldete Führer der Katholiken, Meta, hat sich durch die
von ihm in der letzten Tagung gehaltene und außerordentlich vaterländische Rede
zweifellos einen Anspruch auf seine Berufung in ein KonzmtrationsministeriiM
erworben.
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