Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Deutsche Lrnährungswirtschaft keit mit Düngemitteln ist augenblicklich eine günstige, die Verkehrslage muß aber Es ist von verschiedenen maßgebenden Stellen, nicht zuletzt von dem bayerischen Im übrigen ergeben sich die nächsten Maßnahmen auf dem Gebiet der Er¬ Deutsche Lrnährungswirtschaft keit mit Düngemitteln ist augenblicklich eine günstige, die Verkehrslage muß aber Es ist von verschiedenen maßgebenden Stellen, nicht zuletzt von dem bayerischen Im übrigen ergeben sich die nächsten Maßnahmen auf dem Gebiet der Er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337835"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Lrnährungswirtschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_722" prev="#ID_721"> keit mit Düngemitteln ist augenblicklich eine günstige, die Verkehrslage muß aber<lb/> sehr bald ausgenutzt werden. Die landwirtschaftlichen Organisationen bemühen<lb/> sich, ihre Mitglieder zur rechtzeitigen Bedarfsdeckung zu veranlassen. Eine<lb/> Herabsetzung der Preise des vom Reiche gelieferten Stickstoffes wäre außerdem<lb/> noch zu erwägen, zumal es bei gesteigerter Produktion gelingen könnte, einen<lb/> Teil nach dem Auslande zu günstigem Preise abzugeben und damit die Inlands¬<lb/> preise zu verbilligen.</p><lb/> <p xml:id="ID_723"> Es ist von verschiedenen maßgebenden Stellen, nicht zuletzt von dem bayerischen<lb/> Bauernführer öl-. Heim, darauf hingewiesen worden, daß die Aufhebung der<lb/> Zwangswirtschaft nicht das Allheilmittel zur Besserung unserer Ernährungslage<lb/> sein kann. Der Präsident des Neichswirtschaftsrats, Edler von Braun, der selbst<lb/> zur Gruppe Landwirtschaft gehört, hat in einem in der „Deutschen Nation" ver¬<lb/> öffentlichten Aufsatze von den Trümmern der Zwangswirtschaft gesprochen, die in<lb/> ihrer jetzigen Zerfahrenheit nur noch Schaden stiftet und keinem Volksteil außer<lb/> dem Schiebertum nützt, aus der wir herausmüssen, aber nicht ins völlig freie<lb/> Spiel der Kräfte, das sich in einer unter den Daumenschrauben des Friedens von<lb/> Versailles ächzenden Volkswirtschaft nicht entfalten kann, sondern in eine Plan¬<lb/> wirtschaft, die freilich nicht der Kompliziertheit des Möllendorffschen Systems<lb/> «bedarf. Kein Zweig der Volkswirtschaft hat die in Ruinen liegende Wirtschafts¬<lb/> diktatur schwerer empfunden, als die Landwirtschaft. Trotzdem wird, wie<lb/> Okonomierat Keiser vom Preußischen Landesökonomiekollegium besonders betont,<lb/> im Interesse einer kontinuierlichen Volksernährung niemand einer plötzlichen Auf¬<lb/> hebung der Zwangswirtschaft zustimmen können. Hier sind Ubergangsmaßnahmen<lb/> erforderlich, und zwar in einer Form, wie sie schon längst von feiten der Land¬<lb/> wirtschaft vorgeschlagen worden sind und um deren versuchsweise Anbahnung sie<lb/> selbst sich ehrlich bemüht. Das System der direkten Lieferungsverträge, verbunden<lb/> mit einer beschränkten Umlagepflicht, war z. B. für die Kartoffellieserung vor¬<lb/> gesehen, doch haben sich hier in letzter Zeit unerwartete Schwierigkeiten von feiten<lb/> des deutschen Städtetages als Vertreters der Verbraucherschaft ergeben. Den<lb/> Kommunen war das finanzielle Risiko zu hoch und das Reich wird wiederum mit<lb/> einer gewissen Vorratswirtschaft eingreifen müssen. Die letzten Entscheidungen<lb/> stehen noch aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_724" next="#ID_725"> Im übrigen ergeben sich die nächsten Maßnahmen auf dem Gebiet der Er¬<lb/> nährungswirtschaft aus den kürzlich gefaßten Beschlüssen der deutschen Ernährungs¬<lb/> minister. Wir werden hinsichtlich des Brotgetreides die straffe Zwangswirtschaft<lb/> behalten, das Reich und auch die Länder werden so mit Vorräten ausgestattet<lb/> werden, daß sie nicht gerade immer bei ungünstiger Preislage als Käufer auf<lb/> dem Weltmarkt auftreten müssen. Die Zwangsbewirtschaftung für Fleisch wird<lb/> im Laufe des Herbstes aufgehoben werden. Schon heute sind Vorbereitungen dafür<lb/> im Gange, daß sich die Hauptverbraucher, also die größeren Städte und die länd¬<lb/> lichen Gemeinden der Jndustriebezirke, durch direkte Lieferungsverträge mit den<lb/> Produzentenorganisationen mit Schweinefleisch eindecken können. Eine Verbesserung<lb/> der Fleischversorgung wird allerdings für längere Zeit auf teuere Einfuhr von<lb/> Futtermitteln angewiesen sein. Es liegt im beiderseitigen Interesse, daß nicht daS<lb/> noch viel teurere Auslandsfleisch bezogen werden muß, sondern daß auch hier die<lb/> Landwirtschaft durch rechtzeitige Sicherstellung ihres Absatzes bei relativ günstigen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0194]
Deutsche Lrnährungswirtschaft
keit mit Düngemitteln ist augenblicklich eine günstige, die Verkehrslage muß aber
sehr bald ausgenutzt werden. Die landwirtschaftlichen Organisationen bemühen
sich, ihre Mitglieder zur rechtzeitigen Bedarfsdeckung zu veranlassen. Eine
Herabsetzung der Preise des vom Reiche gelieferten Stickstoffes wäre außerdem
noch zu erwägen, zumal es bei gesteigerter Produktion gelingen könnte, einen
Teil nach dem Auslande zu günstigem Preise abzugeben und damit die Inlands¬
preise zu verbilligen.
Es ist von verschiedenen maßgebenden Stellen, nicht zuletzt von dem bayerischen
Bauernführer öl-. Heim, darauf hingewiesen worden, daß die Aufhebung der
Zwangswirtschaft nicht das Allheilmittel zur Besserung unserer Ernährungslage
sein kann. Der Präsident des Neichswirtschaftsrats, Edler von Braun, der selbst
zur Gruppe Landwirtschaft gehört, hat in einem in der „Deutschen Nation" ver¬
öffentlichten Aufsatze von den Trümmern der Zwangswirtschaft gesprochen, die in
ihrer jetzigen Zerfahrenheit nur noch Schaden stiftet und keinem Volksteil außer
dem Schiebertum nützt, aus der wir herausmüssen, aber nicht ins völlig freie
Spiel der Kräfte, das sich in einer unter den Daumenschrauben des Friedens von
Versailles ächzenden Volkswirtschaft nicht entfalten kann, sondern in eine Plan¬
wirtschaft, die freilich nicht der Kompliziertheit des Möllendorffschen Systems
«bedarf. Kein Zweig der Volkswirtschaft hat die in Ruinen liegende Wirtschafts¬
diktatur schwerer empfunden, als die Landwirtschaft. Trotzdem wird, wie
Okonomierat Keiser vom Preußischen Landesökonomiekollegium besonders betont,
im Interesse einer kontinuierlichen Volksernährung niemand einer plötzlichen Auf¬
hebung der Zwangswirtschaft zustimmen können. Hier sind Ubergangsmaßnahmen
erforderlich, und zwar in einer Form, wie sie schon längst von feiten der Land¬
wirtschaft vorgeschlagen worden sind und um deren versuchsweise Anbahnung sie
selbst sich ehrlich bemüht. Das System der direkten Lieferungsverträge, verbunden
mit einer beschränkten Umlagepflicht, war z. B. für die Kartoffellieserung vor¬
gesehen, doch haben sich hier in letzter Zeit unerwartete Schwierigkeiten von feiten
des deutschen Städtetages als Vertreters der Verbraucherschaft ergeben. Den
Kommunen war das finanzielle Risiko zu hoch und das Reich wird wiederum mit
einer gewissen Vorratswirtschaft eingreifen müssen. Die letzten Entscheidungen
stehen noch aus.
Im übrigen ergeben sich die nächsten Maßnahmen auf dem Gebiet der Er¬
nährungswirtschaft aus den kürzlich gefaßten Beschlüssen der deutschen Ernährungs¬
minister. Wir werden hinsichtlich des Brotgetreides die straffe Zwangswirtschaft
behalten, das Reich und auch die Länder werden so mit Vorräten ausgestattet
werden, daß sie nicht gerade immer bei ungünstiger Preislage als Käufer auf
dem Weltmarkt auftreten müssen. Die Zwangsbewirtschaftung für Fleisch wird
im Laufe des Herbstes aufgehoben werden. Schon heute sind Vorbereitungen dafür
im Gange, daß sich die Hauptverbraucher, also die größeren Städte und die länd¬
lichen Gemeinden der Jndustriebezirke, durch direkte Lieferungsverträge mit den
Produzentenorganisationen mit Schweinefleisch eindecken können. Eine Verbesserung
der Fleischversorgung wird allerdings für längere Zeit auf teuere Einfuhr von
Futtermitteln angewiesen sein. Es liegt im beiderseitigen Interesse, daß nicht daS
noch viel teurere Auslandsfleisch bezogen werden muß, sondern daß auch hier die
Landwirtschaft durch rechtzeitige Sicherstellung ihres Absatzes bei relativ günstigen
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