Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Deutsche Ernährungswirtschaft aber diese Überschüsse der europäischen Wirtschaft zugeführt werden, ist zum Teil Was nun Deutschland selbst betrifft, so stellt der letzte Saatenstandsbericht Die Lage der Viehversorgung war in einer gewissen Besserung begriffen, Ein sehr wesentlicher Mißstand ist die Lage der Zuckererzeugung. Wenn Im engsten Zusammenhang mit der Zuckerproduktion steht die Frage der Man hat berechnet, daß es bei "Aufrechterhaltung des Nahrungsstandes Deutsche Ernährungswirtschaft aber diese Überschüsse der europäischen Wirtschaft zugeführt werden, ist zum Teil Was nun Deutschland selbst betrifft, so stellt der letzte Saatenstandsbericht Die Lage der Viehversorgung war in einer gewissen Besserung begriffen, Ein sehr wesentlicher Mißstand ist die Lage der Zuckererzeugung. Wenn Im engsten Zusammenhang mit der Zuckerproduktion steht die Frage der Man hat berechnet, daß es bei „Aufrechterhaltung des Nahrungsstandes <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337833"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Ernährungswirtschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_714" prev="#ID_713"> aber diese Überschüsse der europäischen Wirtschaft zugeführt werden, ist zum Teil<lb/> eine Verkehrsfrage. In dem besten nordamerikanischen Weizengebiet, in Kansas,<lb/> liegen noch heute die Ernteüberschüsse des vorigen Jahres, weil die verfahrene<lb/> Verkehrslage in den Vereinigten Staaten die Abfuhr nicht gestattete. Hinzu¬<lb/> kommen die ungeheuerlichen Schiffsfrachten, so daß das verarmte Europa nur zum<lb/> Teil in der Lage sein wird, sich diese Überschüsse zugute kommen zu lassen. Ganz<lb/> abgesehen davon, daß sich der Eigenbedarf Amerikas sehr steigert und man nach<lb/> früherem Muster in den Vereinigten Staaten vielleicht das Brodgetreide bei<lb/> ungünstiger Preislage lieber ans Vieh verfüttert.</p><lb/> <p xml:id="ID_715"> Was nun Deutschland selbst betrifft, so stellt der letzte Saatenstandsbericht<lb/> für Roggen eine Normalernte, für Winterweizen und Wintergerste eine gute<lb/> Mittelernte in Aussicht. Dasselbe dürfte für die Kartoffeln gelten, deren Anbau¬<lb/> fläche außerdem gegenüber dem Vorjahre um 20 v. H. zugenommen hat. Es darf<lb/> nicht unerwähnt bleiben, daß ein bedeutender Sachverständiger, wie Dr. Stornier,<lb/> die Ernteaussichten erheblich schlechter einschätzt. („Deutsche Tageszeitung" Ur. 358.)</p><lb/> <p xml:id="ID_716"> Die Lage der Viehversorgung war in einer gewissen Besserung begriffen,<lb/> die augenblicklich durch die von Süddeutschland ausgehende Maul- und Klauen¬<lb/> seuche stark gefährdet wird. Der Bestand an Schweinen dürfte rein zahlenmäßig<lb/> die Friedenshöhe erreicht haben, für Rinder gilt dies nur für einzelne süddeutsche<lb/> Gebiete und Oldenburg.</p><lb/> <p xml:id="ID_717"> Ein sehr wesentlicher Mißstand ist die Lage der Zuckererzeugung. Wenn<lb/> auch die Anbaufläche gegenüber dem Borjahre um etwa 10 v. H. zugenommen<lb/> hat und die Ernteaussichten günstige sind, so geht leider Deutschland ohne Zucker¬<lb/> vorräte ins neue Wirtschaftsjahr, so daß auf einen erheblichen Ausfuhrüberschuß<lb/> nicht gehofft werden kann. (Wir führten vor dem Kriege etwa eine Million<lb/> Tonnen aus, was nach heutigem Werte etwa 18 Milliarden Mark betragen würde,<lb/> womit wir den gesamten Reichszuschuß für Getreideeinfuhr selbst bei den<lb/> ungünstigen Ernteverhältniffen hätten decken können.)</p><lb/> <p xml:id="ID_718"> Im engsten Zusammenhang mit der Zuckerproduktion steht die Frage der<lb/> Futtermittel und des künstlichen Düngers. Eines greift in das andere über.<lb/> Wir haben keine ausreichende Viehversorgung, weil uns die Futtermittel fehlen,<lb/> wir haben keinen Anbau hochwertiger Futtermittel, weil der Dünger fehlt, und<lb/> können vor allem deshalb nicht Zuckerrüben anbauen, die auf ein und derselben<lb/> Anbaufläche einen hohen Exportwert liefern und gleichzeitig so viel Futterwert<lb/> erzeugen, als ob neben ihnen noch Futter oder Getreide angebaut wäre. Der<lb/> Ernährungsminister hat deshalb in der Spaadebatte die Einfuhr von Rohphos¬<lb/> phaten für die Düngung und Futtermittel als werbende Einfuhr neben die Einfuhr<lb/> Von reinen Lebensmitteln in den Vordergrund gerückt. Die Umwandlung von<lb/> verhältnismäßig billigeren Hilfsstoffen in hochwertige Nährwerte ist schon vor dem<lb/> Kriege eine der wesentlichsten Leistungen der deutschen Landwirtschaft gewesen-</p><lb/> <p xml:id="ID_719"> Man hat berechnet, daß es bei „Aufrechterhaltung des Nahrungsstandes<lb/> vor dem Kriege und bei Fortdauer der bisherigen Bevölkerungsvermehrung mit Hilfe<lb/> der heute verfügbaren technischen Hilfsmittel ohne erhebliche Steigerung der<lb/> Kosten möglich sein würde, den gesamten Nahrungsmittelbedarf der deutschen<lb/> Bevölkerung im Lause der nächsten 20 Jahre im Inlande zu decken." (Gering.)</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
Deutsche Ernährungswirtschaft
aber diese Überschüsse der europäischen Wirtschaft zugeführt werden, ist zum Teil
eine Verkehrsfrage. In dem besten nordamerikanischen Weizengebiet, in Kansas,
liegen noch heute die Ernteüberschüsse des vorigen Jahres, weil die verfahrene
Verkehrslage in den Vereinigten Staaten die Abfuhr nicht gestattete. Hinzu¬
kommen die ungeheuerlichen Schiffsfrachten, so daß das verarmte Europa nur zum
Teil in der Lage sein wird, sich diese Überschüsse zugute kommen zu lassen. Ganz
abgesehen davon, daß sich der Eigenbedarf Amerikas sehr steigert und man nach
früherem Muster in den Vereinigten Staaten vielleicht das Brodgetreide bei
ungünstiger Preislage lieber ans Vieh verfüttert.
Was nun Deutschland selbst betrifft, so stellt der letzte Saatenstandsbericht
für Roggen eine Normalernte, für Winterweizen und Wintergerste eine gute
Mittelernte in Aussicht. Dasselbe dürfte für die Kartoffeln gelten, deren Anbau¬
fläche außerdem gegenüber dem Vorjahre um 20 v. H. zugenommen hat. Es darf
nicht unerwähnt bleiben, daß ein bedeutender Sachverständiger, wie Dr. Stornier,
die Ernteaussichten erheblich schlechter einschätzt. („Deutsche Tageszeitung" Ur. 358.)
Die Lage der Viehversorgung war in einer gewissen Besserung begriffen,
die augenblicklich durch die von Süddeutschland ausgehende Maul- und Klauen¬
seuche stark gefährdet wird. Der Bestand an Schweinen dürfte rein zahlenmäßig
die Friedenshöhe erreicht haben, für Rinder gilt dies nur für einzelne süddeutsche
Gebiete und Oldenburg.
Ein sehr wesentlicher Mißstand ist die Lage der Zuckererzeugung. Wenn
auch die Anbaufläche gegenüber dem Borjahre um etwa 10 v. H. zugenommen
hat und die Ernteaussichten günstige sind, so geht leider Deutschland ohne Zucker¬
vorräte ins neue Wirtschaftsjahr, so daß auf einen erheblichen Ausfuhrüberschuß
nicht gehofft werden kann. (Wir führten vor dem Kriege etwa eine Million
Tonnen aus, was nach heutigem Werte etwa 18 Milliarden Mark betragen würde,
womit wir den gesamten Reichszuschuß für Getreideeinfuhr selbst bei den
ungünstigen Ernteverhältniffen hätten decken können.)
Im engsten Zusammenhang mit der Zuckerproduktion steht die Frage der
Futtermittel und des künstlichen Düngers. Eines greift in das andere über.
Wir haben keine ausreichende Viehversorgung, weil uns die Futtermittel fehlen,
wir haben keinen Anbau hochwertiger Futtermittel, weil der Dünger fehlt, und
können vor allem deshalb nicht Zuckerrüben anbauen, die auf ein und derselben
Anbaufläche einen hohen Exportwert liefern und gleichzeitig so viel Futterwert
erzeugen, als ob neben ihnen noch Futter oder Getreide angebaut wäre. Der
Ernährungsminister hat deshalb in der Spaadebatte die Einfuhr von Rohphos¬
phaten für die Düngung und Futtermittel als werbende Einfuhr neben die Einfuhr
Von reinen Lebensmitteln in den Vordergrund gerückt. Die Umwandlung von
verhältnismäßig billigeren Hilfsstoffen in hochwertige Nährwerte ist schon vor dem
Kriege eine der wesentlichsten Leistungen der deutschen Landwirtschaft gewesen-
Man hat berechnet, daß es bei „Aufrechterhaltung des Nahrungsstandes
vor dem Kriege und bei Fortdauer der bisherigen Bevölkerungsvermehrung mit Hilfe
der heute verfügbaren technischen Hilfsmittel ohne erhebliche Steigerung der
Kosten möglich sein würde, den gesamten Nahrungsmittelbedarf der deutschen
Bevölkerung im Lause der nächsten 20 Jahre im Inlande zu decken." (Gering.)
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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