Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Die polnische Nationalitätenfrage völkerung ausmachen, während das flache Land im allgemeinen ziemlich rein Wesentlich ungünstiger für die Polen liegen die Verhältnisse bereits in Schwerer lassen sich die Zahlen für die preußischen Teilgebiete feststellen. 2) Wilson: Der Staat. Deutsche Übersetzung von Thomas, 1913, S. 222.
Die polnische Nationalitätenfrage völkerung ausmachen, während das flache Land im allgemeinen ziemlich rein Wesentlich ungünstiger für die Polen liegen die Verhältnisse bereits in Schwerer lassen sich die Zahlen für die preußischen Teilgebiete feststellen. 2) Wilson: Der Staat. Deutsche Übersetzung von Thomas, 1913, S. 222.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337822"/> <fw type="header" place="top"> Die polnische Nationalitätenfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_662" prev="#ID_661"> völkerung ausmachen, während das flache Land im allgemeinen ziemlich rein<lb/> polnische Bevölkerung zeigt. Warschau zählt bei etwa 1 Million Gesamt¬<lb/> bevölkerung über 320 000 Juden und 80 000 sonstige Fremdsprachige. In der<lb/> zweitgrößten polnischen Stadt Lodz, das nicht ganz 600 000 Einwohner zählt,<lb/> bilden Deutsche und Juden die Mehrheit. Im ganzen liegen die Verhältnisse<lb/> jedoch so, daß die Polen in allen Teilen des Landes, von dem Nordteil von Su-<lb/> walki und den an den Bug grenzenden südöstlichen Landstrichen ab¬<lb/> gesehen, eine zwischen 60 und 80 v. H. schwankende Mehrheit bilden (im<lb/> Gouvernement Kleine sogar 88 v. H.). Die Minderheiten schwanken danach<lb/> zwischen V? und der Bevölkerung; insgesamt machen sie nicht ganz ?4 der<lb/> Bevölkerung aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_663"> Wesentlich ungünstiger für die Polen liegen die Verhältnisse bereits in<lb/> Galizien, das bei etwa 8 Millionen Gesamtbevölkerung nur Millionen<lb/> Polen, über 3 Millionen Ruthenen, fast 1 Million Juden und 100 000 Deutsche<lb/> zählt. Wirklich polnisch ist hier nur Westgalizien bis zum San, wo über 90 v. H.<lb/> der Bevölkerung dem polnischen Sprachstamm angehören. Der größere ost-<lb/> galizische Teil weist unter seinen 3 ^ Millionen Einwohnern jedoch nur etwa<lb/> 2 Millionen Polen auf. Lemberg und einige andere Städte sind polnische<lb/> Sprachinseln im ruthenischen Gebiet, wo das polnische Element überall in<lb/> der Minderheit ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_664"> Schwerer lassen sich die Zahlen für die preußischen Teilgebiete feststellen.<lb/> Wenn wir die Ergebnisse der Volkszählung von 1910 zugrunde legen, so ergibt<lb/> sich für den abgetretenen Teil des Regierungsbezirks Posen ein Zahlenverhältnis<lb/> von etwa 850 000 Polen zu 318 000 Deutschen, für den abgetretenen Teil von<lb/> Bromberg 360 000 Polen zu 343 000 Deutschen, im Regierungsbezirk<lb/> Marienwerder 360 000 Polen zu 393 000 Deutschen und in den Teilen des<lb/> ehemaligen Regierungsbezirks Danzig 193 000 Polen zu 126 000 Deutschen,<lb/> wenn wir zugunsten der Polen ihnen die Kassuben, welche sprachlich eigentlich<lb/> den Wenden näher stehen, zurechnen. Von den abgetretenen Gebieten hatten<lb/> fast rein deutschen Charakter namentlich die Städte Bromberg mit nur 18,9 v. H.<lb/> Polnischer Bevölkerung und Graudenz mit 13 v. H. Polen; auch die Landkreise<lb/> beider Städte hatten über 60 v. H. deutsche Bevölkerung. Deutsche Mehrheiten<lb/> hatten ferner namentlich noch die Städte Thorn und Kolmar. Von einer pol¬<lb/> nischen Mehrheit in Westpreußen konnte keine Rede sein, wie denn z. B. auch<lb/> Wilson in seinem Werke vom Staats anerkennt, daß sich Friedrich der Große<lb/> bei den im übrigen von Wilson verurteilten polnischen Teilungen nur „bereits<lb/> gänzlich germanisierte Gebiete" angeeignet hat. Wieweit sich die Verhältnisse<lb/> seitdem verschoben haben, ist zahlenmäßig nicht feststellbar. Zweifellos ist der<lb/> deutsche Bevölkerungsbestandteil, namentlich in den Städten, durch die Ab¬<lb/> wanderung Deutscher und die Zuwanderung von Polen prozentual bedeutend<lb/> schlechter gestellt worden; soweit er jedoch auf dem Lande bodenansässig ist,<lb/> dürfte die Abwanderung sich in geringeren Grenzen gehalten haben. Selbst bei<lb/> einem Abzug von etwa 200 000 Deutschen würde ihre Zahl in den preußischen<lb/> Teilgebieten immer noch an 1 Million betragen.</p><lb/> <note xml:id="FID_5" place="foot"> 2) Wilson: Der Staat. Deutsche Übersetzung von Thomas, 1913, S. 222.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
Die polnische Nationalitätenfrage
völkerung ausmachen, während das flache Land im allgemeinen ziemlich rein
polnische Bevölkerung zeigt. Warschau zählt bei etwa 1 Million Gesamt¬
bevölkerung über 320 000 Juden und 80 000 sonstige Fremdsprachige. In der
zweitgrößten polnischen Stadt Lodz, das nicht ganz 600 000 Einwohner zählt,
bilden Deutsche und Juden die Mehrheit. Im ganzen liegen die Verhältnisse
jedoch so, daß die Polen in allen Teilen des Landes, von dem Nordteil von Su-
walki und den an den Bug grenzenden südöstlichen Landstrichen ab¬
gesehen, eine zwischen 60 und 80 v. H. schwankende Mehrheit bilden (im
Gouvernement Kleine sogar 88 v. H.). Die Minderheiten schwanken danach
zwischen V? und der Bevölkerung; insgesamt machen sie nicht ganz ?4 der
Bevölkerung aus.
Wesentlich ungünstiger für die Polen liegen die Verhältnisse bereits in
Galizien, das bei etwa 8 Millionen Gesamtbevölkerung nur Millionen
Polen, über 3 Millionen Ruthenen, fast 1 Million Juden und 100 000 Deutsche
zählt. Wirklich polnisch ist hier nur Westgalizien bis zum San, wo über 90 v. H.
der Bevölkerung dem polnischen Sprachstamm angehören. Der größere ost-
galizische Teil weist unter seinen 3 ^ Millionen Einwohnern jedoch nur etwa
2 Millionen Polen auf. Lemberg und einige andere Städte sind polnische
Sprachinseln im ruthenischen Gebiet, wo das polnische Element überall in
der Minderheit ist.
Schwerer lassen sich die Zahlen für die preußischen Teilgebiete feststellen.
Wenn wir die Ergebnisse der Volkszählung von 1910 zugrunde legen, so ergibt
sich für den abgetretenen Teil des Regierungsbezirks Posen ein Zahlenverhältnis
von etwa 850 000 Polen zu 318 000 Deutschen, für den abgetretenen Teil von
Bromberg 360 000 Polen zu 343 000 Deutschen, im Regierungsbezirk
Marienwerder 360 000 Polen zu 393 000 Deutschen und in den Teilen des
ehemaligen Regierungsbezirks Danzig 193 000 Polen zu 126 000 Deutschen,
wenn wir zugunsten der Polen ihnen die Kassuben, welche sprachlich eigentlich
den Wenden näher stehen, zurechnen. Von den abgetretenen Gebieten hatten
fast rein deutschen Charakter namentlich die Städte Bromberg mit nur 18,9 v. H.
Polnischer Bevölkerung und Graudenz mit 13 v. H. Polen; auch die Landkreise
beider Städte hatten über 60 v. H. deutsche Bevölkerung. Deutsche Mehrheiten
hatten ferner namentlich noch die Städte Thorn und Kolmar. Von einer pol¬
nischen Mehrheit in Westpreußen konnte keine Rede sein, wie denn z. B. auch
Wilson in seinem Werke vom Staats anerkennt, daß sich Friedrich der Große
bei den im übrigen von Wilson verurteilten polnischen Teilungen nur „bereits
gänzlich germanisierte Gebiete" angeeignet hat. Wieweit sich die Verhältnisse
seitdem verschoben haben, ist zahlenmäßig nicht feststellbar. Zweifellos ist der
deutsche Bevölkerungsbestandteil, namentlich in den Städten, durch die Ab¬
wanderung Deutscher und die Zuwanderung von Polen prozentual bedeutend
schlechter gestellt worden; soweit er jedoch auf dem Lande bodenansässig ist,
dürfte die Abwanderung sich in geringeren Grenzen gehalten haben. Selbst bei
einem Abzug von etwa 200 000 Deutschen würde ihre Zahl in den preußischen
Teilgebieten immer noch an 1 Million betragen.
2) Wilson: Der Staat. Deutsche Übersetzung von Thomas, 1913, S. 222.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |