Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.Meltspiegel der Regierung ebenso erschwert wie die Denunziationen der Unabhängigen, aber Was die Kohlenfrage betrifft, muß man hoffen, daß nicht mehr unter¬ Im Osten ist die polnische Front zerbrochen und sind die preußischen 10*
Meltspiegel der Regierung ebenso erschwert wie die Denunziationen der Unabhängigen, aber Was die Kohlenfrage betrifft, muß man hoffen, daß nicht mehr unter¬ Im Osten ist die polnische Front zerbrochen und sind die preußischen 10*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0159" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337800"/> <fw type="header" place="top"> Meltspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_568" prev="#ID_567"> der Regierung ebenso erschwert wie die Denunziationen der Unabhängigen, aber<lb/> auch die äußerste Linke mag es sich gesagt sein lassen, daß selbst wenn sie am Ruder<lb/> wäre, Machtmittel der Entente gegen sie angewandt werden würden, bis sie sich<lb/> zur Erfüllung des Vertrages bequemte.</p><lb/> <p xml:id="ID_569"> Was die Kohlenfrage betrifft, muß man hoffen, daß nicht mehr unter¬<lb/> schrieben wurde als erfüllbar ist, sonst haben wir in spätestens sechs Monaten<lb/> die gleiche Situation. Immerhin ist leichter gesagt: besetzt das Ruhrgebiet, als<lb/> getan, es ist nicht gut abzusehen, was eine feindliche Besetzung des Ruhrgebiets<lb/> uns für Bordelle schaffen sollte. Sie wäre der Entente unangenehm, sie würde<lb/> ihr vielleicht (vielleicht, denn rein logisch ist nicht abzusehen, weshalb sozialistische<lb/> Arbeiter, die in der Theorie die Berechtigung von Nationalismus und Rassen¬<lb/> stolz leugnen, für hohe Löhne oder gegen Einräumung politischer Vorteile nicht<lb/> auch unter Bewachung von Schwarzen für die Entente arbeiten) kein Mehr<lb/> an Kohlen bringen, aber für Deutschland wären die unmittelbaren Nachteile<lb/> doch unzweifelhaft sehr viel größer, und die Zukunft ist in solchen Dingen dunkel.<lb/> Wen es tröstet, der mag mit dem „Vorwärts" an das „Rechtsgefühl der Welt, an<lb/> das Gewissen Europas" appellieren, politisch Denkende werden sich darauf<lb/> gefaßt machen müssen, daß das Gezänk um den Friedensvertrag weitergeht.</p><lb/> <p xml:id="ID_570" next="#ID_571"> Im Osten ist die polnische Front zerbrochen und sind die preußischen<lb/> Abstimmungsgebiete für Deutschland gewonnen. Die Polen behaupten aller¬<lb/> dings, die Abstimmung sei ungültig, nicht nur Blätter wie der „Dziennik Byd-<lb/> goski" sprechen von Abstimmungskomödie, nicht nur das polnische Pressebureau<lb/> in Paris, das fortwährend Nachrichten von deutschen militärischen Maßnahmen<lb/> in Ostpreußen und Litauen lanziert, behauptet, die polnische Regierung habe<lb/> die Abstimmung „ignoriert" und die Polen hätten nicht abgestimmt, auch der<lb/> Pariser Vertreter der Warschauer Regierung, Graf Zamoyski, macht (in einem<lb/> Interview des „Temps" vom 8.) öffentlich gegen Deutschland scharf und be¬<lb/> müht sich nach Kräften, die Atmosphäre von Spa zu vergiften. „Ohnmächtig",<lb/> so heißt es beispielsweise, „den Versailler Vertrag im Westen zu erschüttern,<lb/> müht sich Deutschland, die Alliierten von der Notwendigkeit, seine wirtschaftliche<lb/> Kraft auf Kosten Polens wieder aufzurichten, zu überzeugen." Vielleicht —<lb/> jedenfalls muß das ein deutsches Ziel sein — werden die Abstimmungsergebnisse<lb/> die Entente viel mehr von der Notwendigkeit überzeugen, jetzt auch über die<lb/> bereits unter Vergewaltigung von außen abgetretenen Gebiete abstimmen zu<lb/> lassen, um so mehr als eine gerechte Behandlung der Deutschen in Polen nach<lb/> den bisher gemachten Erfahrungen doch nicht zu erwarten ist. Jedenfalls ist<lb/> Deutschland nicht gesonnen, sich, noch dazu von einem Staat, der soeben, in<lb/> Sachen der russisch-polnischen Friedensverhandlungen, seine Souveränität<lb/> in die Hände der Entente gelegt hat, vor aller Welt Schmähungen sagen zu<lb/> lassen. Die polnische Negierung, die bisher nur verstanden hat, ihren Staat<lb/> zu allen Nachbarstaaten in die schärfsten Gegensätze zu bringen, die somit als ein<lb/> Störenfried des osteuropäischen Friedens angesprochen werden muß, hat es<lb/> wahrlich nicht nötig, durch weitere Provokationen neuen Völkerhah herauf¬<lb/> zubeschwören. Gerade der Verlauf des Krieges mit Sowjetrußland könnte ihr<lb/> beweisen, daß sie nicht antibolschewistische Barone oder Generäle, sondern die<lb/> gesund empfindenden Kräfte des Volkes zu fürchten hat, das im deutschen Osten</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 10*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0159]
Meltspiegel
der Regierung ebenso erschwert wie die Denunziationen der Unabhängigen, aber
auch die äußerste Linke mag es sich gesagt sein lassen, daß selbst wenn sie am Ruder
wäre, Machtmittel der Entente gegen sie angewandt werden würden, bis sie sich
zur Erfüllung des Vertrages bequemte.
Was die Kohlenfrage betrifft, muß man hoffen, daß nicht mehr unter¬
schrieben wurde als erfüllbar ist, sonst haben wir in spätestens sechs Monaten
die gleiche Situation. Immerhin ist leichter gesagt: besetzt das Ruhrgebiet, als
getan, es ist nicht gut abzusehen, was eine feindliche Besetzung des Ruhrgebiets
uns für Bordelle schaffen sollte. Sie wäre der Entente unangenehm, sie würde
ihr vielleicht (vielleicht, denn rein logisch ist nicht abzusehen, weshalb sozialistische
Arbeiter, die in der Theorie die Berechtigung von Nationalismus und Rassen¬
stolz leugnen, für hohe Löhne oder gegen Einräumung politischer Vorteile nicht
auch unter Bewachung von Schwarzen für die Entente arbeiten) kein Mehr
an Kohlen bringen, aber für Deutschland wären die unmittelbaren Nachteile
doch unzweifelhaft sehr viel größer, und die Zukunft ist in solchen Dingen dunkel.
Wen es tröstet, der mag mit dem „Vorwärts" an das „Rechtsgefühl der Welt, an
das Gewissen Europas" appellieren, politisch Denkende werden sich darauf
gefaßt machen müssen, daß das Gezänk um den Friedensvertrag weitergeht.
Im Osten ist die polnische Front zerbrochen und sind die preußischen
Abstimmungsgebiete für Deutschland gewonnen. Die Polen behaupten aller¬
dings, die Abstimmung sei ungültig, nicht nur Blätter wie der „Dziennik Byd-
goski" sprechen von Abstimmungskomödie, nicht nur das polnische Pressebureau
in Paris, das fortwährend Nachrichten von deutschen militärischen Maßnahmen
in Ostpreußen und Litauen lanziert, behauptet, die polnische Regierung habe
die Abstimmung „ignoriert" und die Polen hätten nicht abgestimmt, auch der
Pariser Vertreter der Warschauer Regierung, Graf Zamoyski, macht (in einem
Interview des „Temps" vom 8.) öffentlich gegen Deutschland scharf und be¬
müht sich nach Kräften, die Atmosphäre von Spa zu vergiften. „Ohnmächtig",
so heißt es beispielsweise, „den Versailler Vertrag im Westen zu erschüttern,
müht sich Deutschland, die Alliierten von der Notwendigkeit, seine wirtschaftliche
Kraft auf Kosten Polens wieder aufzurichten, zu überzeugen." Vielleicht —
jedenfalls muß das ein deutsches Ziel sein — werden die Abstimmungsergebnisse
die Entente viel mehr von der Notwendigkeit überzeugen, jetzt auch über die
bereits unter Vergewaltigung von außen abgetretenen Gebiete abstimmen zu
lassen, um so mehr als eine gerechte Behandlung der Deutschen in Polen nach
den bisher gemachten Erfahrungen doch nicht zu erwarten ist. Jedenfalls ist
Deutschland nicht gesonnen, sich, noch dazu von einem Staat, der soeben, in
Sachen der russisch-polnischen Friedensverhandlungen, seine Souveränität
in die Hände der Entente gelegt hat, vor aller Welt Schmähungen sagen zu
lassen. Die polnische Negierung, die bisher nur verstanden hat, ihren Staat
zu allen Nachbarstaaten in die schärfsten Gegensätze zu bringen, die somit als ein
Störenfried des osteuropäischen Friedens angesprochen werden muß, hat es
wahrlich nicht nötig, durch weitere Provokationen neuen Völkerhah herauf¬
zubeschwören. Gerade der Verlauf des Krieges mit Sowjetrußland könnte ihr
beweisen, daß sie nicht antibolschewistische Barone oder Generäle, sondern die
gesund empfindenden Kräfte des Volkes zu fürchten hat, das im deutschen Osten
10*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |