Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bücherschau

[Beginn Spaltensatz]

der Dichter abgeführt. Das Stück ist für
die Zeit der Entstehung mutig, vielleicht
auch weitschauend. Die Verlagsnotiz be¬
hauptet: "Seit langem hat keine mensch¬
liche Stimme bezwingender des Menschen
unveräußerliche Rechte der Schwertmacht
abgefordert." Gewisse Kreise werden trium¬
phierend diese Dichtung begrüßen. Ich werte
sie namentlich nach der unglaublichen Zu¬
mutung der "Menschen" als hoffnungsvoll
ster die Entwicklung des Dichters, der das
Zeug zu einem reifen Werke wohl hat und
es hervorbringen kann, nachdem sich vom
Sturm und Drang in ihm noch manches
gelegt hat. Wenn nur die modernen Dra¬
matiker natürlicher schrieben, dann würde
man beim Lesen und Schauen eher zur
Klarheit kommen. Was sie bieten, ist sehr
häusig ^ vjxl Natur, wie sie aber dabei
sprechen, ist ebenso zu häufig Unnatur. Im
übrigen steht in dem "Retter" manches
beachtenswerte und wahre Wort, wenn ich
"und aus mehreren Gründen nicht zur reinen
Freude beim Lesen gekommen bin. Die
ließ auch die jüngst erfolgte Aufführung in
der "Tribüne" nicht aufkommen.

In die Kriegssphäre sichren auch die
"ächsten Dramen dieser Reihe. Hans
Schreyer gibt in "Brandung" ein Stim¬
mungsbild aus Ostpreußen und Polen im
A'ehre 1914 zu Kriegsausbruch. Die Schick¬
sale einer deutschen Gutsbesitzerfamilie werden
'"'s vorgeführt, und Plünderung, Ver¬
schleppung und Kosakenwirtschaft spielen eine
M lange Rolle. Die Sprache mutet eigen-
^lig an, von laufender Handlung im üblichen
Sinne ist nicht die Rede. Als Ausschnitt
"us^ den Begebenheiten der Ostpreußennot
behält das S-nel seine gewisse Bedeutung.
Die russischen Zustände sind eindeutig wieder¬
geben, wenn auch vom Schnapstrinker zu
h""sig gesprochen wird. Der Kosaken-
Muptumnn Lewko ist recht eigenartig, aber
°"es lebensvoll gezeichnet, die Zustände des
^Eschen Heeres lernt man kennen. Eine
durch das
deutschen
s"!.^^^^rung wird nicht viel zu erwartend°>."^ ^""^ gehende Hochachtung vor
" Ase Wesen schlechthin erwärmt. ' Von
fol ^°A°icht verspricht hierfür mehr Er-
S das Drama in vier Akten von Robert
lebet. Der heilige Candidus. Die

[Spaltenumbruch]

Gebeine des Titelheiligen, der in Wort und
Erscheinung auftritt, werden gesucht. Eine
Kommission hat den Auftrag, sie zu finden
und zu überführen. Der einzige, der in
dem Dorf Wielga in Polen, nahe hinter der
österreichisch-ungarischen Front, damit Bescheid
weiß, ist ein Pilger Konstanty. Es ist ein
merkwürdiger Mensch, zugleich aber eine von
den Typen, wie sie in den Grenzlanden
häufiger vorgekommen sein sollen, und die
auch großen Einfluß auf die Bevölkerung
gehabt haben. Dies und ein gutgesehenes
Bild der Vorgänge während des Krieges
hart an der vordersten Front in ihrer Ein¬
wirkung namentlich auch auf me jüdische
Bewohnerschaft machen das Werk wertvoll.
Konstanty erbetet sich die Kenntnis von der
Lage der gesuchten Gebeine, gibt aber von
seiner Kunde so unklare Auskunft, daß die
Wut der Menge ihn steinigt. Zu spät er¬
kennt man die Raserei. Die Charakter¬
zeichnung der meisten Personen ist färben echt
und geschickt. Das Ganze ist gedehnt. Die
geringe Handlung spielt im Frühherbst 1915
und gibt Land und Leute beachtenswert
wieder. Die Kriegsverhältnisse zum Aus¬
gangspunkt nimmt auch Eduard von der
Hellens dramatische Utopie Hyacinth.
Der Verfasser ist der bekannte und geschätzte
Literarhistoriker, der schon im Jahre
1907 ein Drama, "Die Sünden der
Väter", erscheinen ließ. Auch aus dein
letzten Stück ist der Gelehrte nicht auszu¬
scheiden, eS macht hie und da einen aus¬
geklügelten Eindruck, ist aber sauber gemacht,
hat schöne Verse und gut gezeichnete Cha¬
raktere. Es ist von Anfang bis Ende
interessant. Das Drama beginnt in einem
Gefängnislazarett, in dem der verhaftete
Verfasser eines Stückes "Elektra, ein uto¬
pisches Gedicht" und eines Buches, ^das als
hochverräterisch beschlagnahmt ist, an den
Folgen eines Typhus aus dem Felde und
einer Überarbeitung auf den Tod danieder¬
liegt. Seine Braut liest das Theaterstück
und der Zuschauer erlebt die Handlung mit.
Sie schildert, wie auch der demokratische
Staat, in dem Gleichheit herrschen soll, ein
Unding ist, wie zwar die technischen Möglich¬
keiten in Jahrtausenden "gleich nach dem
Weltkrieg" bis ins Fabelhafte gesteigert sind,

[Ende Spaltensatz]
Bücherschau

[Beginn Spaltensatz]

der Dichter abgeführt. Das Stück ist für
die Zeit der Entstehung mutig, vielleicht
auch weitschauend. Die Verlagsnotiz be¬
hauptet: „Seit langem hat keine mensch¬
liche Stimme bezwingender des Menschen
unveräußerliche Rechte der Schwertmacht
abgefordert." Gewisse Kreise werden trium¬
phierend diese Dichtung begrüßen. Ich werte
sie namentlich nach der unglaublichen Zu¬
mutung der „Menschen" als hoffnungsvoll
ster die Entwicklung des Dichters, der das
Zeug zu einem reifen Werke wohl hat und
es hervorbringen kann, nachdem sich vom
Sturm und Drang in ihm noch manches
gelegt hat. Wenn nur die modernen Dra¬
matiker natürlicher schrieben, dann würde
man beim Lesen und Schauen eher zur
Klarheit kommen. Was sie bieten, ist sehr
häusig ^ vjxl Natur, wie sie aber dabei
sprechen, ist ebenso zu häufig Unnatur. Im
übrigen steht in dem „Retter" manches
beachtenswerte und wahre Wort, wenn ich
"und aus mehreren Gründen nicht zur reinen
Freude beim Lesen gekommen bin. Die
ließ auch die jüngst erfolgte Aufführung in
der „Tribüne" nicht aufkommen.

In die Kriegssphäre sichren auch die
"ächsten Dramen dieser Reihe. Hans
Schreyer gibt in „Brandung" ein Stim¬
mungsbild aus Ostpreußen und Polen im
A'ehre 1914 zu Kriegsausbruch. Die Schick¬
sale einer deutschen Gutsbesitzerfamilie werden
'"'s vorgeführt, und Plünderung, Ver¬
schleppung und Kosakenwirtschaft spielen eine
M lange Rolle. Die Sprache mutet eigen-
^lig an, von laufender Handlung im üblichen
Sinne ist nicht die Rede. Als Ausschnitt
«us^ den Begebenheiten der Ostpreußennot
behält das S-nel seine gewisse Bedeutung.
Die russischen Zustände sind eindeutig wieder¬
geben, wenn auch vom Schnapstrinker zu
h""sig gesprochen wird. Der Kosaken-
Muptumnn Lewko ist recht eigenartig, aber
°»es lebensvoll gezeichnet, die Zustände des
^Eschen Heeres lernt man kennen. Eine
durch das
deutschen
s"!.^^^^rung wird nicht viel zu erwartend°>.»^ ^""^ gehende Hochachtung vor
" Ase Wesen schlechthin erwärmt. ' Von
fol ^°A°icht verspricht hierfür mehr Er-
S das Drama in vier Akten von Robert
lebet. Der heilige Candidus. Die

[Spaltenumbruch]

Gebeine des Titelheiligen, der in Wort und
Erscheinung auftritt, werden gesucht. Eine
Kommission hat den Auftrag, sie zu finden
und zu überführen. Der einzige, der in
dem Dorf Wielga in Polen, nahe hinter der
österreichisch-ungarischen Front, damit Bescheid
weiß, ist ein Pilger Konstanty. Es ist ein
merkwürdiger Mensch, zugleich aber eine von
den Typen, wie sie in den Grenzlanden
häufiger vorgekommen sein sollen, und die
auch großen Einfluß auf die Bevölkerung
gehabt haben. Dies und ein gutgesehenes
Bild der Vorgänge während des Krieges
hart an der vordersten Front in ihrer Ein¬
wirkung namentlich auch auf me jüdische
Bewohnerschaft machen das Werk wertvoll.
Konstanty erbetet sich die Kenntnis von der
Lage der gesuchten Gebeine, gibt aber von
seiner Kunde so unklare Auskunft, daß die
Wut der Menge ihn steinigt. Zu spät er¬
kennt man die Raserei. Die Charakter¬
zeichnung der meisten Personen ist färben echt
und geschickt. Das Ganze ist gedehnt. Die
geringe Handlung spielt im Frühherbst 1915
und gibt Land und Leute beachtenswert
wieder. Die Kriegsverhältnisse zum Aus¬
gangspunkt nimmt auch Eduard von der
Hellens dramatische Utopie Hyacinth.
Der Verfasser ist der bekannte und geschätzte
Literarhistoriker, der schon im Jahre
1907 ein Drama, „Die Sünden der
Väter", erscheinen ließ. Auch aus dein
letzten Stück ist der Gelehrte nicht auszu¬
scheiden, eS macht hie und da einen aus¬
geklügelten Eindruck, ist aber sauber gemacht,
hat schöne Verse und gut gezeichnete Cha¬
raktere. Es ist von Anfang bis Ende
interessant. Das Drama beginnt in einem
Gefängnislazarett, in dem der verhaftete
Verfasser eines Stückes „Elektra, ein uto¬
pisches Gedicht" und eines Buches, ^das als
hochverräterisch beschlagnahmt ist, an den
Folgen eines Typhus aus dem Felde und
einer Überarbeitung auf den Tod danieder¬
liegt. Seine Braut liest das Theaterstück
und der Zuschauer erlebt die Handlung mit.
Sie schildert, wie auch der demokratische
Staat, in dem Gleichheit herrschen soll, ein
Unding ist, wie zwar die technischen Möglich¬
keiten in Jahrtausenden „gleich nach dem
Weltkrieg" bis ins Fabelhafte gesteigert sind,

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337272"/>
          <fw type="header" place="top"> Bücherschau</fw><lb/>
          <cb type="start"/>
          <p xml:id="ID_124" prev="#ID_123"> der Dichter abgeführt. Das Stück ist für<lb/>
die Zeit der Entstehung mutig, vielleicht<lb/>
auch weitschauend. Die Verlagsnotiz be¬<lb/>
hauptet: &#x201E;Seit langem hat keine mensch¬<lb/>
liche Stimme bezwingender des Menschen<lb/>
unveräußerliche Rechte der Schwertmacht<lb/>
abgefordert." Gewisse Kreise werden trium¬<lb/>
phierend diese Dichtung begrüßen. Ich werte<lb/>
sie namentlich nach der unglaublichen Zu¬<lb/>
mutung der &#x201E;Menschen" als hoffnungsvoll<lb/>
ster die Entwicklung des Dichters, der das<lb/>
Zeug zu einem reifen Werke wohl hat und<lb/>
es hervorbringen kann, nachdem sich vom<lb/>
Sturm und Drang in ihm noch manches<lb/>
gelegt hat. Wenn nur die modernen Dra¬<lb/>
matiker natürlicher schrieben, dann würde<lb/>
man beim Lesen und Schauen eher zur<lb/>
Klarheit kommen. Was sie bieten, ist sehr<lb/>
häusig ^ vjxl Natur, wie sie aber dabei<lb/>
sprechen, ist ebenso zu häufig Unnatur. Im<lb/>
übrigen steht in dem &#x201E;Retter" manches<lb/>
beachtenswerte und wahre Wort, wenn ich<lb/>
"und aus mehreren Gründen nicht zur reinen<lb/>
Freude beim Lesen gekommen bin. Die<lb/>
ließ auch die jüngst erfolgte Aufführung in<lb/>
der &#x201E;Tribüne" nicht aufkommen.</p>
          <p xml:id="ID_125" next="#ID_126"> In die Kriegssphäre sichren auch die<lb/>
"ächsten Dramen dieser Reihe. Hans<lb/>
Schreyer gibt in &#x201E;Brandung" ein Stim¬<lb/>
mungsbild aus Ostpreußen und Polen im<lb/>
A'ehre 1914 zu Kriegsausbruch. Die Schick¬<lb/>
sale einer deutschen Gutsbesitzerfamilie werden<lb/>
'"'s vorgeführt, und Plünderung, Ver¬<lb/>
schleppung und Kosakenwirtschaft spielen eine<lb/>
M lange Rolle. Die Sprache mutet eigen-<lb/>
^lig an, von laufender Handlung im üblichen<lb/>
Sinne ist nicht die Rede. Als Ausschnitt<lb/>
«us^ den Begebenheiten der Ostpreußennot<lb/>
behält das S-nel seine gewisse Bedeutung.<lb/>
Die russischen Zustände sind eindeutig wieder¬<lb/>
geben, wenn auch vom Schnapstrinker zu<lb/>
h""sig gesprochen wird. Der Kosaken-<lb/>
Muptumnn Lewko ist recht eigenartig, aber<lb/>
°»es lebensvoll gezeichnet, die Zustände des<lb/>
^Eschen Heeres lernt man kennen. Eine<lb/>
durch das<lb/>
deutschen<lb/>
s"!.^^^^rung wird nicht viel zu erwartend°&gt;.»^ ^""^ gehende Hochachtung vor<lb/>
" Ase Wesen schlechthin erwärmt. ' Von<lb/>
fol ^°A°icht verspricht hierfür mehr Er-<lb/>
S das Drama in vier Akten von Robert<lb/>
lebet. Der heilige Candidus. Die</p>
          <cb/><lb/>
          <p xml:id="ID_126" prev="#ID_125" next="#ID_127"> Gebeine des Titelheiligen, der in Wort und<lb/>
Erscheinung auftritt, werden gesucht. Eine<lb/>
Kommission hat den Auftrag, sie zu finden<lb/>
und zu überführen. Der einzige, der in<lb/>
dem Dorf Wielga in Polen, nahe hinter der<lb/>
österreichisch-ungarischen Front, damit Bescheid<lb/>
weiß, ist ein Pilger Konstanty. Es ist ein<lb/>
merkwürdiger Mensch, zugleich aber eine von<lb/>
den Typen, wie sie in den Grenzlanden<lb/>
häufiger vorgekommen sein sollen, und die<lb/>
auch großen Einfluß auf die Bevölkerung<lb/>
gehabt haben. Dies und ein gutgesehenes<lb/>
Bild der Vorgänge während des Krieges<lb/>
hart an der vordersten Front in ihrer Ein¬<lb/>
wirkung namentlich auch auf me jüdische<lb/>
Bewohnerschaft machen das Werk wertvoll.<lb/>
Konstanty erbetet sich die Kenntnis von der<lb/>
Lage der gesuchten Gebeine, gibt aber von<lb/>
seiner Kunde so unklare Auskunft, daß die<lb/>
Wut der Menge ihn steinigt. Zu spät er¬<lb/>
kennt man die Raserei. Die Charakter¬<lb/>
zeichnung der meisten Personen ist färben echt<lb/>
und geschickt. Das Ganze ist gedehnt. Die<lb/>
geringe Handlung spielt im Frühherbst 1915<lb/>
und gibt Land und Leute beachtenswert<lb/>
wieder. Die Kriegsverhältnisse zum Aus¬<lb/>
gangspunkt nimmt auch Eduard von der<lb/>
Hellens dramatische Utopie Hyacinth.<lb/>
Der Verfasser ist der bekannte und geschätzte<lb/>
Literarhistoriker, der schon im Jahre<lb/>
1907 ein Drama, &#x201E;Die Sünden der<lb/>
Väter", erscheinen ließ. Auch aus dein<lb/>
letzten Stück ist der Gelehrte nicht auszu¬<lb/>
scheiden, eS macht hie und da einen aus¬<lb/>
geklügelten Eindruck, ist aber sauber gemacht,<lb/>
hat schöne Verse und gut gezeichnete Cha¬<lb/>
raktere. Es ist von Anfang bis Ende<lb/>
interessant. Das Drama beginnt in einem<lb/>
Gefängnislazarett, in dem der verhaftete<lb/>
Verfasser eines Stückes &#x201E;Elektra, ein uto¬<lb/>
pisches Gedicht" und eines Buches, ^das als<lb/>
hochverräterisch beschlagnahmt ist, an den<lb/>
Folgen eines Typhus aus dem Felde und<lb/>
einer Überarbeitung auf den Tod danieder¬<lb/>
liegt. Seine Braut liest das Theaterstück<lb/>
und der Zuschauer erlebt die Handlung mit.<lb/>
Sie schildert, wie auch der demokratische<lb/>
Staat, in dem Gleichheit herrschen soll, ein<lb/>
Unding ist, wie zwar die technischen Möglich¬<lb/>
keiten in Jahrtausenden &#x201E;gleich nach dem<lb/>
Weltkrieg" bis ins Fabelhafte gesteigert sind,</p>
          <cb type="end"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] Bücherschau der Dichter abgeführt. Das Stück ist für die Zeit der Entstehung mutig, vielleicht auch weitschauend. Die Verlagsnotiz be¬ hauptet: „Seit langem hat keine mensch¬ liche Stimme bezwingender des Menschen unveräußerliche Rechte der Schwertmacht abgefordert." Gewisse Kreise werden trium¬ phierend diese Dichtung begrüßen. Ich werte sie namentlich nach der unglaublichen Zu¬ mutung der „Menschen" als hoffnungsvoll ster die Entwicklung des Dichters, der das Zeug zu einem reifen Werke wohl hat und es hervorbringen kann, nachdem sich vom Sturm und Drang in ihm noch manches gelegt hat. Wenn nur die modernen Dra¬ matiker natürlicher schrieben, dann würde man beim Lesen und Schauen eher zur Klarheit kommen. Was sie bieten, ist sehr häusig ^ vjxl Natur, wie sie aber dabei sprechen, ist ebenso zu häufig Unnatur. Im übrigen steht in dem „Retter" manches beachtenswerte und wahre Wort, wenn ich "und aus mehreren Gründen nicht zur reinen Freude beim Lesen gekommen bin. Die ließ auch die jüngst erfolgte Aufführung in der „Tribüne" nicht aufkommen. In die Kriegssphäre sichren auch die "ächsten Dramen dieser Reihe. Hans Schreyer gibt in „Brandung" ein Stim¬ mungsbild aus Ostpreußen und Polen im A'ehre 1914 zu Kriegsausbruch. Die Schick¬ sale einer deutschen Gutsbesitzerfamilie werden '"'s vorgeführt, und Plünderung, Ver¬ schleppung und Kosakenwirtschaft spielen eine M lange Rolle. Die Sprache mutet eigen- ^lig an, von laufender Handlung im üblichen Sinne ist nicht die Rede. Als Ausschnitt «us^ den Begebenheiten der Ostpreußennot behält das S-nel seine gewisse Bedeutung. Die russischen Zustände sind eindeutig wieder¬ geben, wenn auch vom Schnapstrinker zu h""sig gesprochen wird. Der Kosaken- Muptumnn Lewko ist recht eigenartig, aber °»es lebensvoll gezeichnet, die Zustände des ^Eschen Heeres lernt man kennen. Eine durch das deutschen s"!.^^^^rung wird nicht viel zu erwartend°>.»^ ^""^ gehende Hochachtung vor " Ase Wesen schlechthin erwärmt. ' Von fol ^°A°icht verspricht hierfür mehr Er- S das Drama in vier Akten von Robert lebet. Der heilige Candidus. Die Gebeine des Titelheiligen, der in Wort und Erscheinung auftritt, werden gesucht. Eine Kommission hat den Auftrag, sie zu finden und zu überführen. Der einzige, der in dem Dorf Wielga in Polen, nahe hinter der österreichisch-ungarischen Front, damit Bescheid weiß, ist ein Pilger Konstanty. Es ist ein merkwürdiger Mensch, zugleich aber eine von den Typen, wie sie in den Grenzlanden häufiger vorgekommen sein sollen, und die auch großen Einfluß auf die Bevölkerung gehabt haben. Dies und ein gutgesehenes Bild der Vorgänge während des Krieges hart an der vordersten Front in ihrer Ein¬ wirkung namentlich auch auf me jüdische Bewohnerschaft machen das Werk wertvoll. Konstanty erbetet sich die Kenntnis von der Lage der gesuchten Gebeine, gibt aber von seiner Kunde so unklare Auskunft, daß die Wut der Menge ihn steinigt. Zu spät er¬ kennt man die Raserei. Die Charakter¬ zeichnung der meisten Personen ist färben echt und geschickt. Das Ganze ist gedehnt. Die geringe Handlung spielt im Frühherbst 1915 und gibt Land und Leute beachtenswert wieder. Die Kriegsverhältnisse zum Aus¬ gangspunkt nimmt auch Eduard von der Hellens dramatische Utopie Hyacinth. Der Verfasser ist der bekannte und geschätzte Literarhistoriker, der schon im Jahre 1907 ein Drama, „Die Sünden der Väter", erscheinen ließ. Auch aus dein letzten Stück ist der Gelehrte nicht auszu¬ scheiden, eS macht hie und da einen aus¬ geklügelten Eindruck, ist aber sauber gemacht, hat schöne Verse und gut gezeichnete Cha¬ raktere. Es ist von Anfang bis Ende interessant. Das Drama beginnt in einem Gefängnislazarett, in dem der verhaftete Verfasser eines Stückes „Elektra, ein uto¬ pisches Gedicht" und eines Buches, ^das als hochverräterisch beschlagnahmt ist, an den Folgen eines Typhus aus dem Felde und einer Überarbeitung auf den Tod danieder¬ liegt. Seine Braut liest das Theaterstück und der Zuschauer erlebt die Handlung mit. Sie schildert, wie auch der demokratische Staat, in dem Gleichheit herrschen soll, ein Unding ist, wie zwar die technischen Möglich¬ keiten in Jahrtausenden „gleich nach dem Weltkrieg" bis ins Fabelhafte gesteigert sind,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/35
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/35>, abgerufen am 01.07.2024.