Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Der Haß gegen das Gfstzierkorps Offiziere unschädlich gemacht wurde, in dem durch die Aufgabenumgrenzung der Die Reihe der gegen den Offizier erhobenen Verdächtigungen läßt sich beliebig Wie nun steht das deutsche Volk heute den Offizieren gegenüber? Kein Stand hat am 9. November 1918 einen schwereren Zusammenbruch all Der Haß gegen das Gfstzierkorps Offiziere unschädlich gemacht wurde, in dem durch die Aufgabenumgrenzung der Die Reihe der gegen den Offizier erhobenen Verdächtigungen läßt sich beliebig Wie nun steht das deutsche Volk heute den Offizieren gegenüber? Kein Stand hat am 9. November 1918 einen schwereren Zusammenbruch all <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337585"/> <fw type="header" place="top"> Der Haß gegen das Gfstzierkorps</fw><lb/> <p xml:id="ID_1201" prev="#ID_1200"> Offiziere unschädlich gemacht wurde, in dem durch die Aufgabenumgrenzung der<lb/> Vertrauensleute in der Truppe diesen Leuten unter anderem auch ehrengerichtliche<lb/> Funktionen zugewiesen werden. Denn was sind es schließlich für Aufgaben, die<lb/> den Vertrauensleuten bei Beratung über Ausstoßung eines Kameraden die, wohl¬<lb/> gemerkt, auch von den Leuten selbst angeregt werden kann — zufallen, wenn nicht<lb/> Wahrung der Standesehre? Das eben war der Zweck der Ehrengerichte, den<lb/> Offizierstand sittlich zu festigen und rein zu halten und ihm so den Charakter<lb/> zu verleihen, dessen er in erster Linie bedürfte, um für seine Untergebenen<lb/> zum Gegenstand achtungsvollen Vertrauens werden zu können. Der unendlich<lb/> feine Gradmesser, der durch das Vorhandenseit der Ehrengerichte an das<lb/> persönliche Leben des einzelnen gelegt war, ist in erster Linie der Ausdruck der<lb/> gesteigerten Pflichten unseres Standes gewesen. Denn „wahre Ehre kann ohne<lb/> Treue bis in den Tod, ohne unerschütterlichen Mut, feste Entschlossenheit, selbst¬<lb/> verleugnenden Gehorsam, lautere Wahrhaftigkeit, strenge Verschwiegenheit, wie ohne<lb/> aufopfernde Erfüllung selbst der anscheinend kleinsten Pflichten nicht bestehen"! So<lb/> König Wilhelm I. in seiner unvergleichlichen Einführungsorder über die Ehrengerichte<lb/> der Offiziere im preußischen Heere vom 2. Mai 1874. Von diesem Ehrbegriff aus¬<lb/> gehend, fordert der schlichte König in der gleichen Order, daß dem Offizierkorps<lb/> seines Heeres „wie bisher, so auch in Zukunft die Ehre das höchste Kleinod sein<lb/> möge". Dieses Kleinod zu schirmen, „die Pflege der bewährten Überlieferung ritter¬<lb/> lichen Sinnes im Offizierstande zu fördern", war Zweck der Ehrengerichte. Damit<lb/> fiel ihnen eine Aufgabe zu, deren Lösung weit über den Rahmen des Offizierkorps<lb/> hinaus dem deutschen Volke zum Heil wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1202"> Die Reihe der gegen den Offizier erhobenen Verdächtigungen läßt sich beliebig<lb/> verlängern und widerlegen. Überall bleibt das Ergebnis, soweit es sich um unser<lb/> altes Friedensoffizierkorps vor und im Feldzuge handelt, das gleiche: wir erkennen<lb/> eine zielbewußte, politischen Zwecken dienende und weder vor Lüge noch irgendeiner<lb/> anderen Skrupellosigkcit zurückschreckende Hetze.</p><lb/> <p xml:id="ID_1203"> Wie nun steht das deutsche Volk heute den Offizieren gegenüber?</p><lb/> <p xml:id="ID_1204" next="#ID_1205"> Kein Stand hat am 9. November 1918 einen schwereren Zusammenbruch all<lb/> seiner Ideale erlebt, wie das Offizierkorps. Undank unseres Volkes, offene Feind¬<lb/> schaft und wirtschaftliche Not fielen uns von allen Seiten an. Das alles aber ver¬<lb/> blaßte vor dem unbändigen Schmerz über den Zusammenbruch unseres stolzen Vater¬<lb/> landes. Und doch hat der Offizier alles getragen, hat die eigene Not vergessen und<lb/> dafür die Not des deutschen Volkes zu der seinigen gemacht. Unter schwersten Ge-<lb/> wissensopsern hat er — und zwar er in erster Linie — Ruhe und Ordnung im<lb/> Vaterlande wiederhergestellt. Er hat Dank weder begehrt noch gefunden. Die es<lb/> wirklich wagten, seiner in offenem Dank zu gedenken, zieh man der Reaktion! Schon<lb/> war in weiten Volkskreisen der Haß gegen uns erneut auf die Spitze gestiegen, denn<lb/> die alten Hetzer blieben nach wie vor an der Arbeit. Aber schon begann innerhalb des<lb/> stetig fortschreitenden Aufbaus der Reichswehr das auch in dieser Truppe wieder auf¬<lb/> keimende Vertrauen der Mannschaft zum Offizier den Hetzern den Boden unter<lb/> den Füßen zu entziehen. Mit um so größerem Eifer haben sie sich daher daran¬<lb/> gemacht, die Märzwirren dieses Jahres gegen den Offizier auszuschlachten. Mit<lb/> gewohnter Geschicklichkeit haben sie und ihre Presse wieder einmal verstanden, der<lb/> deutschen Öffentlichkeit die tatsächlichen Vorgänge zu verschleiern. Wieder ist es der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
Der Haß gegen das Gfstzierkorps
Offiziere unschädlich gemacht wurde, in dem durch die Aufgabenumgrenzung der
Vertrauensleute in der Truppe diesen Leuten unter anderem auch ehrengerichtliche
Funktionen zugewiesen werden. Denn was sind es schließlich für Aufgaben, die
den Vertrauensleuten bei Beratung über Ausstoßung eines Kameraden die, wohl¬
gemerkt, auch von den Leuten selbst angeregt werden kann — zufallen, wenn nicht
Wahrung der Standesehre? Das eben war der Zweck der Ehrengerichte, den
Offizierstand sittlich zu festigen und rein zu halten und ihm so den Charakter
zu verleihen, dessen er in erster Linie bedürfte, um für seine Untergebenen
zum Gegenstand achtungsvollen Vertrauens werden zu können. Der unendlich
feine Gradmesser, der durch das Vorhandenseit der Ehrengerichte an das
persönliche Leben des einzelnen gelegt war, ist in erster Linie der Ausdruck der
gesteigerten Pflichten unseres Standes gewesen. Denn „wahre Ehre kann ohne
Treue bis in den Tod, ohne unerschütterlichen Mut, feste Entschlossenheit, selbst¬
verleugnenden Gehorsam, lautere Wahrhaftigkeit, strenge Verschwiegenheit, wie ohne
aufopfernde Erfüllung selbst der anscheinend kleinsten Pflichten nicht bestehen"! So
König Wilhelm I. in seiner unvergleichlichen Einführungsorder über die Ehrengerichte
der Offiziere im preußischen Heere vom 2. Mai 1874. Von diesem Ehrbegriff aus¬
gehend, fordert der schlichte König in der gleichen Order, daß dem Offizierkorps
seines Heeres „wie bisher, so auch in Zukunft die Ehre das höchste Kleinod sein
möge". Dieses Kleinod zu schirmen, „die Pflege der bewährten Überlieferung ritter¬
lichen Sinnes im Offizierstande zu fördern", war Zweck der Ehrengerichte. Damit
fiel ihnen eine Aufgabe zu, deren Lösung weit über den Rahmen des Offizierkorps
hinaus dem deutschen Volke zum Heil wurde.
Die Reihe der gegen den Offizier erhobenen Verdächtigungen läßt sich beliebig
verlängern und widerlegen. Überall bleibt das Ergebnis, soweit es sich um unser
altes Friedensoffizierkorps vor und im Feldzuge handelt, das gleiche: wir erkennen
eine zielbewußte, politischen Zwecken dienende und weder vor Lüge noch irgendeiner
anderen Skrupellosigkcit zurückschreckende Hetze.
Wie nun steht das deutsche Volk heute den Offizieren gegenüber?
Kein Stand hat am 9. November 1918 einen schwereren Zusammenbruch all
seiner Ideale erlebt, wie das Offizierkorps. Undank unseres Volkes, offene Feind¬
schaft und wirtschaftliche Not fielen uns von allen Seiten an. Das alles aber ver¬
blaßte vor dem unbändigen Schmerz über den Zusammenbruch unseres stolzen Vater¬
landes. Und doch hat der Offizier alles getragen, hat die eigene Not vergessen und
dafür die Not des deutschen Volkes zu der seinigen gemacht. Unter schwersten Ge-
wissensopsern hat er — und zwar er in erster Linie — Ruhe und Ordnung im
Vaterlande wiederhergestellt. Er hat Dank weder begehrt noch gefunden. Die es
wirklich wagten, seiner in offenem Dank zu gedenken, zieh man der Reaktion! Schon
war in weiten Volkskreisen der Haß gegen uns erneut auf die Spitze gestiegen, denn
die alten Hetzer blieben nach wie vor an der Arbeit. Aber schon begann innerhalb des
stetig fortschreitenden Aufbaus der Reichswehr das auch in dieser Truppe wieder auf¬
keimende Vertrauen der Mannschaft zum Offizier den Hetzern den Boden unter
den Füßen zu entziehen. Mit um so größerem Eifer haben sie sich daher daran¬
gemacht, die Märzwirren dieses Jahres gegen den Offizier auszuschlachten. Mit
gewohnter Geschicklichkeit haben sie und ihre Presse wieder einmal verstanden, der
deutschen Öffentlichkeit die tatsächlichen Vorgänge zu verschleiern. Wieder ist es der
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