Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.Drinnen und draußen [Beginn Spaltensatz] des deutschen Volkes ausbleiben. Vom rein Heute aber, wo Österreich bankerott ist,i°i"me jeder Faktor in Frage, es zu retten, zu. Möchten doch die Deutschen aus dem Die Gedanken, die uns diese Zuschrift Drinnen und draußen [Beginn Spaltensatz] des deutschen Volkes ausbleiben. Vom rein Heute aber, wo Österreich bankerott ist,i°i»me jeder Faktor in Frage, es zu retten, zu. Möchten doch die Deutschen aus dem Die Gedanken, die uns diese Zuschrift <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337270"/> <fw type="header" place="top"> Drinnen und draußen</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_118" prev="#ID_117"> des deutschen Volkes ausbleiben. Vom rein<lb/> wirtschaftlichen Standpunkte aus ist es<lb/> vorerst begreiflich, daß man diese „Brüder"<lb/> nicht brauchen tour, man wird ihnen, die man<lb/> gar nicht kennt, nie verstanden hat, auch<lb/> keine Heimstätte geben. Sie sind Bettler<lb/> und kommen als Bettler. Wir Deutsch-<lb/> Österreicher halten uns im Moment für<lb/> Bettler, das ist daS schlimmste, hoffnungs¬<lb/> loseste um der ganzen Sache. Man hält<lb/> Grabreden auf Wien, man verzweifelt, aber<lb/> kein Mensch denkt an unsern Reichtum, der<lb/> unterdessen der Entente spielend in die<lb/> Hände fällt. Geheimrat Vrandl wies gestern<lb/> aus die „weiße Kohle" Tirols hin, diese<lb/> »Weiße Kohle," die keiner holen kommt,<lb/> während ihn der Mangel der schwarzen ver¬<lb/> zweifeln läßt. Ich bin vor Jahren stunden¬<lb/> lang im Gehäuse durch Täter gelaufen, die<lb/> °me ungeheure Wasserkraft hatten, die völlig<lb/> ungenutzt dahinbrauste. " Überall an den<lb/> Gebirgsbächen lagen Eisenhäuser, tote<lb/> Eisenhäuser. Halb verfallen, waren sie<lb/> bestenfalls kümmerliche Wohnungen für ein<lb/> paar arme Familien. Dabei war die Be¬<lb/> völkerung recht verblendet, anspruchslos,<lb/> gottergeben, wie so oft in Osterreich. Ich<lb/> löschte nach, warum die Eisenhäuser standen,<lb/> ^ erfuhr ich. daß Baron Rothschild überall<lb/> den Besitz in der Gegend auslaufe, die<lb/> Häuser mit ihrem bischen Boden seien ganz<lb/> besonders billig, denn die Besitzer sind<lb/> ^ corto der Industrie in ihrem Primitiven<lb/> Zerrieb längst nicht mehr konkurrenzfähig.<lb/> (Der Baron Rothschild hat da unten wo ein<lb/> Sägewerk.) Kein Mensch, auch nicht Baron<lb/> ^vthschild, dachte daran, hier rationell<lb/> d-e Wasserkräfte auszunutzen, Wohlstand in<lb/> der Bevölkerung zu gründen. Ähnliche<lb/> ^rlslmisse hatte ich oft in meinem armen<lb/> Österreich. Erstklassiger Boden wurde nicht<lb/> rawnell landwirtschaftlich ausgenutzt, es<lb/> lehlte die nötige Initiative, der Boden gab<lb/> la auch s» ge„ug.</p> <p xml:id="ID_119" next="#ID_120"> Heute aber, wo Österreich bankerott ist,i°i»me jeder Faktor in Frage, es zu retten,<lb/> fahrend Franzosen überall und überall in<lb/> Österreich sich ankaufen, schaut Deutschland</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_120" prev="#ID_119"> zu. Möchten doch die Deutschen aus dem<lb/> Reich herüberpurzeln nach Osterreich und<lb/> dort Beteiligung ihrer Fähigkeiten suchen.<lb/> Es gibt ihrer übergenug. Aber die Leute<lb/> hier, die ins neutrale Ausland mit ihrem<lb/> Geld fluchten, sind meist Schmarotzer, die<lb/> nur mit Spekulation vorwärts kommen<lb/> wollen, und die tüchtigen, anständigen und<lb/> reichen Deutschen kennen ja Osterreich nicht,<lb/> sie hören jetzt nur von dem „Bettelvolk,"<lb/> dem sie bestenfalls ein Paar hundert Mark<lb/> hinwerfen. Warum wird nicht eine große<lb/> Propaganda für österreichische Werte, die<lb/> da sind und durch die Valuta um ein<lb/> Butterbrot zu haben sind, gemacht? Warum<lb/> nur gejammert und geklagt? Die Reichs¬<lb/> deutschen sollen sich bei uns einbürgern, sie<lb/> hätten ihr Geld, mein Gott, gut unter¬<lb/> gebracht. In den nächsten Jahrzehnten gäbe<lb/> es ein reiches Deutsch-Österreich, dem<lb/> dann Deutschland in jeder Hinsicht eine<lb/> Hilfe wäre, statt daß Deutschlcmo Passiv<lb/> zusteht, wie Deutsch-Österreichs Schätze in<lb/> dem Rachen der Entente verschwinden."</p> <cb type="end"/><lb/> <p xml:id="ID_121"> Die Gedanken, die uns diese Zuschrift<lb/> nahelegt, möchten auch wir auf das wärmste<lb/> unterstützen. Ein starkes Anströmen reichs-<lb/> deutschen Kapitals, das feste Anlage in<lb/> Osterreich sucht, würde fraglos dem unheil¬<lb/> vollen Auflauf deutsch-österreichischer Werte<lb/> in Osterreich durch die Franzosen mit Erfolg<lb/> entgegenwirken können. Hindernd scheinen<lb/> einem solchen Vorgehen die deutschen<lb/> Kapitalsfluchtgesetze entgegenzustehen, doch<lb/> glauben wir, daß bei gutem Willen und<lb/> klar erkanntem Ziel Abmachungen zwischen<lb/> der deutschen und deutsch-österreichischen<lb/> Negierung getroffen werden könnten, die<lb/> zwar dem Wunsche, das Kapital nicht dem<lb/> deutschen Steuerfiskus zu entziehen, Rech¬<lb/> nung tragen und doch die Anlage in Oster¬<lb/> reich ermöglichen. In jedem Falle erscheint<lb/> es uns notwendig, die öffentliche Aufmerksamkeit<lb/> auf diese wichtig Frage zu lenken. Es<lb/> handelt sich hier um einen der vielen Fälle,<lb/> wo unserer Politik wieder einmal das nach¬<lb/> gerade typisch werdende Schicksal eines tra¬<lb/><note type="byline"> S—d.</note> gischen „Zu spät" droht. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
Drinnen und draußen
des deutschen Volkes ausbleiben. Vom rein
wirtschaftlichen Standpunkte aus ist es
vorerst begreiflich, daß man diese „Brüder"
nicht brauchen tour, man wird ihnen, die man
gar nicht kennt, nie verstanden hat, auch
keine Heimstätte geben. Sie sind Bettler
und kommen als Bettler. Wir Deutsch-
Österreicher halten uns im Moment für
Bettler, das ist daS schlimmste, hoffnungs¬
loseste um der ganzen Sache. Man hält
Grabreden auf Wien, man verzweifelt, aber
kein Mensch denkt an unsern Reichtum, der
unterdessen der Entente spielend in die
Hände fällt. Geheimrat Vrandl wies gestern
aus die „weiße Kohle" Tirols hin, diese
»Weiße Kohle," die keiner holen kommt,
während ihn der Mangel der schwarzen ver¬
zweifeln läßt. Ich bin vor Jahren stunden¬
lang im Gehäuse durch Täter gelaufen, die
°me ungeheure Wasserkraft hatten, die völlig
ungenutzt dahinbrauste. " Überall an den
Gebirgsbächen lagen Eisenhäuser, tote
Eisenhäuser. Halb verfallen, waren sie
bestenfalls kümmerliche Wohnungen für ein
paar arme Familien. Dabei war die Be¬
völkerung recht verblendet, anspruchslos,
gottergeben, wie so oft in Osterreich. Ich
löschte nach, warum die Eisenhäuser standen,
^ erfuhr ich. daß Baron Rothschild überall
den Besitz in der Gegend auslaufe, die
Häuser mit ihrem bischen Boden seien ganz
besonders billig, denn die Besitzer sind
^ corto der Industrie in ihrem Primitiven
Zerrieb längst nicht mehr konkurrenzfähig.
(Der Baron Rothschild hat da unten wo ein
Sägewerk.) Kein Mensch, auch nicht Baron
^vthschild, dachte daran, hier rationell
d-e Wasserkräfte auszunutzen, Wohlstand in
der Bevölkerung zu gründen. Ähnliche
^rlslmisse hatte ich oft in meinem armen
Österreich. Erstklassiger Boden wurde nicht
rawnell landwirtschaftlich ausgenutzt, es
lehlte die nötige Initiative, der Boden gab
la auch s» ge„ug.
Heute aber, wo Österreich bankerott ist,i°i»me jeder Faktor in Frage, es zu retten,
fahrend Franzosen überall und überall in
Österreich sich ankaufen, schaut Deutschland
zu. Möchten doch die Deutschen aus dem
Reich herüberpurzeln nach Osterreich und
dort Beteiligung ihrer Fähigkeiten suchen.
Es gibt ihrer übergenug. Aber die Leute
hier, die ins neutrale Ausland mit ihrem
Geld fluchten, sind meist Schmarotzer, die
nur mit Spekulation vorwärts kommen
wollen, und die tüchtigen, anständigen und
reichen Deutschen kennen ja Osterreich nicht,
sie hören jetzt nur von dem „Bettelvolk,"
dem sie bestenfalls ein Paar hundert Mark
hinwerfen. Warum wird nicht eine große
Propaganda für österreichische Werte, die
da sind und durch die Valuta um ein
Butterbrot zu haben sind, gemacht? Warum
nur gejammert und geklagt? Die Reichs¬
deutschen sollen sich bei uns einbürgern, sie
hätten ihr Geld, mein Gott, gut unter¬
gebracht. In den nächsten Jahrzehnten gäbe
es ein reiches Deutsch-Österreich, dem
dann Deutschland in jeder Hinsicht eine
Hilfe wäre, statt daß Deutschlcmo Passiv
zusteht, wie Deutsch-Österreichs Schätze in
dem Rachen der Entente verschwinden."
Die Gedanken, die uns diese Zuschrift
nahelegt, möchten auch wir auf das wärmste
unterstützen. Ein starkes Anströmen reichs-
deutschen Kapitals, das feste Anlage in
Osterreich sucht, würde fraglos dem unheil¬
vollen Auflauf deutsch-österreichischer Werte
in Osterreich durch die Franzosen mit Erfolg
entgegenwirken können. Hindernd scheinen
einem solchen Vorgehen die deutschen
Kapitalsfluchtgesetze entgegenzustehen, doch
glauben wir, daß bei gutem Willen und
klar erkanntem Ziel Abmachungen zwischen
der deutschen und deutsch-österreichischen
Negierung getroffen werden könnten, die
zwar dem Wunsche, das Kapital nicht dem
deutschen Steuerfiskus zu entziehen, Rech¬
nung tragen und doch die Anlage in Oster¬
reich ermöglichen. In jedem Falle erscheint
es uns notwendig, die öffentliche Aufmerksamkeit
auf diese wichtig Frage zu lenken. Es
handelt sich hier um einen der vielen Fälle,
wo unserer Politik wieder einmal das nach¬
gerade typisch werdende Schicksal eines tra¬
S—d. gischen „Zu spät" droht.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |