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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

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wer die Leitung dabei in Händen hat.
Man kann sich daher kaum Wundern, daß
die Landwirte den Parteilich anders gerich¬
teten Städtern am liebsten gar nichts ab¬
liefern möchten und jedes Bewußtsein der
Volkszusammengehörigkeit bei ihnen all¬
mählich verloren geht. Daß unter solchen
Umständen der Schleichhandel in Prächtiger
Blüte steht, läßt sich denken. "Wenn die
städtische Schieberbande etwas haben will,
so kann sie auch ordentlich bezahlen. Wir
müssen in der Stadt auch alles zu schier
unerschwinglichen Preisen erwerben." Der
reiche Wiener Börsenspekulant und ähnliche
Menschengattungen, bei denen die Menge des
Geldes seinen geringen Wert voll ersetzt, ist
zwar auf diese Weise imstande, sich reichlich
einzudecken, der kleine Bürger und Arbeiter
aber muß zusehen, Wie er sein Leben küm¬
merlich von den Gnadengaben der Entente
fristet. Der ganze internationale Wiener
Klüngel, der den Hauptanlaß zu der
großen Abneigung der Länder gegen Wien
bildet, ist eben mit solchen Mitteln nicht zu
treffen. Seine Trabanten überfluten das
Land, laufen alles auf und die kleinen
Landstädte, in denen das Geld nicht so
reichlich fließt wie in Wien, haben das
Nachsehen.

So ist zum Beispiel Graz bei seiner
schönen Lage inmitten der Steiermark mit
Lebensmitteln kaum besser versorgt wie
Wien, ist ebenso abhängig von den Liefe¬
rungen der Entente und hat in letzter Zeit
auch alle Warenpreise von Wien und damit,
trotz der niedrigen Valuta, auch die des
Weltmark.es fast vollkommen erreicht. Ober-
steiermark ist gebirgig und die reiche Unter-
Steiermark, einst die Kornkammer für ihre
Hauptstadt Graz, ist von den Slowenen be¬
setzt. Etwas weiter nordwestlich aber, nach
der ungarischen Grenze zu, kommt man
schon in die Hamstergebiete von Wien, das
über eine gute Bahnverbindung dorthin
verfügt.

Man lebt hier im wahren Sinne des
Wortes von der Hand in den Mund. Je
nach den einlaufenden Mehlsendungen ändert
das Brot seine Farbe, wobei die Menge
von 1300 Gramm die Woche bisher noch
hat aufrecht erhalten werden können. Kar¬

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toffeln gibt es nicht, an Zucker kommt dieser
Tage die Januar-Nation zur Ausgabe, und
so geht eS weiter durch alle Arten von
Lebensmitteln. Wie in Wien, der Stadt
der größten Konsumvereine, haben sich in
letzter Zeit auch in Graz die verschiedensten
Wirtschafisvcrbände gebildet, so unter an¬
deren die Miltelstandsküchen und die "Wirt¬
schaftsgenossenschaft beider Hochschulen in
Graz". Besonders die letztere bewährt sich
ausgezeichnet. In ihrer Mensa Akademika
nehmen täglich etwa 1000 Studenten ihr
Mittag- und Abendessen ein. Darunter auch
sehr viele in Graz selbst beheimatete, welche
die häusliche Küche nicht zu sättigen im¬
stande ist. Der Universttätsspielplatz ist in
einen Garten umgewandelt, und wird von den
Studenten selbst bestellt. Dieser wirtschaft¬
liche Zusammenschluß bietet auch zugleich
den ausländischen Hilfskomitees eine günstige
Gelegenheit, der Gesamtheit der bedürftigen
Studenten eine Unterstützung an Lebens¬
mitteln und anderem zu gewähren. Beson¬
ders der Schwede Dr. Svedin, selbst einst
Grazer Student, betätigt sich dabei in her¬
vorragender Weise.

Überhaupt haben die Hilferufe Deutsch¬
österreichs mit der Zeit recht zahlreiche
Hilfsaktionen des Auslandes ins Leben ge¬
rufen. Amerika und Schweden, die Schweiz
und Spanien machen sich in Lebensmittel¬
spenden, Geldunterstützungen und Ferien¬
kolonien den Vorrang streitig; unter den
österreichischen Kindern herrscht die größte
Spannung, ob sie Wohl in Schweden, der
Schweiz oder gar in Spanien den Sommer
verbringen werden, und ähnlich ist das
Rätselraten unter den Studenten, für die
dieses Jahr die Aussichten ganz besonders
gestiegen sind, wobei Schweden sich begreif¬
licherweise der größten Beliebtheit erfreut.
Amerika, das in dieser Ferienaktion zurück¬
stehen muß, steht dafür in den Lebens¬
mittelspenden an erster Stelle. Es sind
schon richtige Geschäftsfirmen entstanden,
die diese Spenden organisieren und an Ort
und Stelle bringen, indem sie in Wien
Depots angelegt haben, aus denen sie ver¬
teilen, sobald die Anweisung aus Amerika
erfolgt. Selbst das arme Deutschland hilft
an seinem Teile mit. So hat die Spende

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Drinnen und draußen

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wer die Leitung dabei in Händen hat.
Man kann sich daher kaum Wundern, daß
die Landwirte den Parteilich anders gerich¬
teten Städtern am liebsten gar nichts ab¬
liefern möchten und jedes Bewußtsein der
Volkszusammengehörigkeit bei ihnen all¬
mählich verloren geht. Daß unter solchen
Umständen der Schleichhandel in Prächtiger
Blüte steht, läßt sich denken. „Wenn die
städtische Schieberbande etwas haben will,
so kann sie auch ordentlich bezahlen. Wir
müssen in der Stadt auch alles zu schier
unerschwinglichen Preisen erwerben." Der
reiche Wiener Börsenspekulant und ähnliche
Menschengattungen, bei denen die Menge des
Geldes seinen geringen Wert voll ersetzt, ist
zwar auf diese Weise imstande, sich reichlich
einzudecken, der kleine Bürger und Arbeiter
aber muß zusehen, Wie er sein Leben küm¬
merlich von den Gnadengaben der Entente
fristet. Der ganze internationale Wiener
Klüngel, der den Hauptanlaß zu der
großen Abneigung der Länder gegen Wien
bildet, ist eben mit solchen Mitteln nicht zu
treffen. Seine Trabanten überfluten das
Land, laufen alles auf und die kleinen
Landstädte, in denen das Geld nicht so
reichlich fließt wie in Wien, haben das
Nachsehen.

So ist zum Beispiel Graz bei seiner
schönen Lage inmitten der Steiermark mit
Lebensmitteln kaum besser versorgt wie
Wien, ist ebenso abhängig von den Liefe¬
rungen der Entente und hat in letzter Zeit
auch alle Warenpreise von Wien und damit,
trotz der niedrigen Valuta, auch die des
Weltmark.es fast vollkommen erreicht. Ober-
steiermark ist gebirgig und die reiche Unter-
Steiermark, einst die Kornkammer für ihre
Hauptstadt Graz, ist von den Slowenen be¬
setzt. Etwas weiter nordwestlich aber, nach
der ungarischen Grenze zu, kommt man
schon in die Hamstergebiete von Wien, das
über eine gute Bahnverbindung dorthin
verfügt.

Man lebt hier im wahren Sinne des
Wortes von der Hand in den Mund. Je
nach den einlaufenden Mehlsendungen ändert
das Brot seine Farbe, wobei die Menge
von 1300 Gramm die Woche bisher noch
hat aufrecht erhalten werden können. Kar¬

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toffeln gibt es nicht, an Zucker kommt dieser
Tage die Januar-Nation zur Ausgabe, und
so geht eS weiter durch alle Arten von
Lebensmitteln. Wie in Wien, der Stadt
der größten Konsumvereine, haben sich in
letzter Zeit auch in Graz die verschiedensten
Wirtschafisvcrbände gebildet, so unter an¬
deren die Miltelstandsküchen und die „Wirt¬
schaftsgenossenschaft beider Hochschulen in
Graz". Besonders die letztere bewährt sich
ausgezeichnet. In ihrer Mensa Akademika
nehmen täglich etwa 1000 Studenten ihr
Mittag- und Abendessen ein. Darunter auch
sehr viele in Graz selbst beheimatete, welche
die häusliche Küche nicht zu sättigen im¬
stande ist. Der Universttätsspielplatz ist in
einen Garten umgewandelt, und wird von den
Studenten selbst bestellt. Dieser wirtschaft¬
liche Zusammenschluß bietet auch zugleich
den ausländischen Hilfskomitees eine günstige
Gelegenheit, der Gesamtheit der bedürftigen
Studenten eine Unterstützung an Lebens¬
mitteln und anderem zu gewähren. Beson¬
ders der Schwede Dr. Svedin, selbst einst
Grazer Student, betätigt sich dabei in her¬
vorragender Weise.

Überhaupt haben die Hilferufe Deutsch¬
österreichs mit der Zeit recht zahlreiche
Hilfsaktionen des Auslandes ins Leben ge¬
rufen. Amerika und Schweden, die Schweiz
und Spanien machen sich in Lebensmittel¬
spenden, Geldunterstützungen und Ferien¬
kolonien den Vorrang streitig; unter den
österreichischen Kindern herrscht die größte
Spannung, ob sie Wohl in Schweden, der
Schweiz oder gar in Spanien den Sommer
verbringen werden, und ähnlich ist das
Rätselraten unter den Studenten, für die
dieses Jahr die Aussichten ganz besonders
gestiegen sind, wobei Schweden sich begreif¬
licherweise der größten Beliebtheit erfreut.
Amerika, das in dieser Ferienaktion zurück¬
stehen muß, steht dafür in den Lebens¬
mittelspenden an erster Stelle. Es sind
schon richtige Geschäftsfirmen entstanden,
die diese Spenden organisieren und an Ort
und Stelle bringen, indem sie in Wien
Depots angelegt haben, aus denen sie ver¬
teilen, sobald die Anweisung aus Amerika
erfolgt. Selbst das arme Deutschland hilft
an seinem Teile mit. So hat die Spende

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[0280] Drinnen und draußen wer die Leitung dabei in Händen hat. Man kann sich daher kaum Wundern, daß die Landwirte den Parteilich anders gerich¬ teten Städtern am liebsten gar nichts ab¬ liefern möchten und jedes Bewußtsein der Volkszusammengehörigkeit bei ihnen all¬ mählich verloren geht. Daß unter solchen Umständen der Schleichhandel in Prächtiger Blüte steht, läßt sich denken. „Wenn die städtische Schieberbande etwas haben will, so kann sie auch ordentlich bezahlen. Wir müssen in der Stadt auch alles zu schier unerschwinglichen Preisen erwerben." Der reiche Wiener Börsenspekulant und ähnliche Menschengattungen, bei denen die Menge des Geldes seinen geringen Wert voll ersetzt, ist zwar auf diese Weise imstande, sich reichlich einzudecken, der kleine Bürger und Arbeiter aber muß zusehen, Wie er sein Leben küm¬ merlich von den Gnadengaben der Entente fristet. Der ganze internationale Wiener Klüngel, der den Hauptanlaß zu der großen Abneigung der Länder gegen Wien bildet, ist eben mit solchen Mitteln nicht zu treffen. Seine Trabanten überfluten das Land, laufen alles auf und die kleinen Landstädte, in denen das Geld nicht so reichlich fließt wie in Wien, haben das Nachsehen. So ist zum Beispiel Graz bei seiner schönen Lage inmitten der Steiermark mit Lebensmitteln kaum besser versorgt wie Wien, ist ebenso abhängig von den Liefe¬ rungen der Entente und hat in letzter Zeit auch alle Warenpreise von Wien und damit, trotz der niedrigen Valuta, auch die des Weltmark.es fast vollkommen erreicht. Ober- steiermark ist gebirgig und die reiche Unter- Steiermark, einst die Kornkammer für ihre Hauptstadt Graz, ist von den Slowenen be¬ setzt. Etwas weiter nordwestlich aber, nach der ungarischen Grenze zu, kommt man schon in die Hamstergebiete von Wien, das über eine gute Bahnverbindung dorthin verfügt. Man lebt hier im wahren Sinne des Wortes von der Hand in den Mund. Je nach den einlaufenden Mehlsendungen ändert das Brot seine Farbe, wobei die Menge von 1300 Gramm die Woche bisher noch hat aufrecht erhalten werden können. Kar¬ toffeln gibt es nicht, an Zucker kommt dieser Tage die Januar-Nation zur Ausgabe, und so geht eS weiter durch alle Arten von Lebensmitteln. Wie in Wien, der Stadt der größten Konsumvereine, haben sich in letzter Zeit auch in Graz die verschiedensten Wirtschafisvcrbände gebildet, so unter an¬ deren die Miltelstandsküchen und die „Wirt¬ schaftsgenossenschaft beider Hochschulen in Graz". Besonders die letztere bewährt sich ausgezeichnet. In ihrer Mensa Akademika nehmen täglich etwa 1000 Studenten ihr Mittag- und Abendessen ein. Darunter auch sehr viele in Graz selbst beheimatete, welche die häusliche Küche nicht zu sättigen im¬ stande ist. Der Universttätsspielplatz ist in einen Garten umgewandelt, und wird von den Studenten selbst bestellt. Dieser wirtschaft¬ liche Zusammenschluß bietet auch zugleich den ausländischen Hilfskomitees eine günstige Gelegenheit, der Gesamtheit der bedürftigen Studenten eine Unterstützung an Lebens¬ mitteln und anderem zu gewähren. Beson¬ ders der Schwede Dr. Svedin, selbst einst Grazer Student, betätigt sich dabei in her¬ vorragender Weise. Überhaupt haben die Hilferufe Deutsch¬ österreichs mit der Zeit recht zahlreiche Hilfsaktionen des Auslandes ins Leben ge¬ rufen. Amerika und Schweden, die Schweiz und Spanien machen sich in Lebensmittel¬ spenden, Geldunterstützungen und Ferien¬ kolonien den Vorrang streitig; unter den österreichischen Kindern herrscht die größte Spannung, ob sie Wohl in Schweden, der Schweiz oder gar in Spanien den Sommer verbringen werden, und ähnlich ist das Rätselraten unter den Studenten, für die dieses Jahr die Aussichten ganz besonders gestiegen sind, wobei Schweden sich begreif¬ licherweise der größten Beliebtheit erfreut. Amerika, das in dieser Ferienaktion zurück¬ stehen muß, steht dafür in den Lebens¬ mittelspenden an erster Stelle. Es sind schon richtige Geschäftsfirmen entstanden, die diese Spenden organisieren und an Ort und Stelle bringen, indem sie in Wien Depots angelegt haben, aus denen sie ver¬ teilen, sobald die Anweisung aus Amerika erfolgt. Selbst das arme Deutschland hilft an seinem Teile mit. So hat die Spende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/280>, abgerufen am 22.07.2024.