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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Die Rcichsfinanzreform

grobe dahingehende nachgaben unterlaufen sind, die über hinzutretende formale
Konzessionen erst ihre volle Schärfe entfalten können. Sehen wir von diesen
Bedenken ab, so finden wir in diesem formalen Teil der Reform eine ganz be¬
sonders geschickte Anknüpfung an das historisch Gewordene, mit dem die neuen
Gedanken oft so fein verwoben find, daß selbst das Kennerauge kaum den Über¬
gang merkt. Im übrigen ist gerade dieser Teil der Reform ganz besonders dazu
berufen, vereinheitlichend und ausgleichend zu wirken; die seitherige Zerrissenheit des
Steuerrechts und des Steuerverfahrens wird überbrückt und das Verfahren wird,
selbst für indirekte Steuern, in Rechtsformen gekleidet. Eine ganze Anzahl dieser
formalen Vorschriften erscheint sogar geradezu prädestiniert, für unser heute noch
immer so zerrissenes allgemeines Verwaltungsrecht vorbildlich zu wirken und
damit die ausgleichenden Gedanken der Reform nach viel weitergehender Richtung
wirken zu lassen. --

Alles in allem: die Reichssinanzrcform will nicht mehr sein, als ein Versuch
zur Fundierung des dreistufigen deutschen Staatsaufbaus der Gegenwart und
nächsten Zukunft vom Reiche her. Was später sich anschließen kann und wird,
bleibt abzuwarten. Man kann im Ganzen wie in Einzelheiten sicherlich starke
Einwände gegen die Reforurgesetzgebung erheben, namentlich nach der Richtung,
daß vielleicht noch zu "ick vom Geists der Vergangenheit in den einzelnen
Gesetzen walte. Bei näherem Zusehen erweist es sich aber, daß viele
der zu beanstandenden Maßregeln vom Gebot der Stunde diktiert worden
sind und auch keineswegs das letzte Wort sein wollen, das gesprochen wird.
Weiter zeigt sich, daß in der Reform tatsächlich ein Weg beschritien wurde, der
uns dem angestrebten Ziele näher bringen kann. Das Ziel heißt aber Konsoli¬
dation der Staatswlrischaft und der mit ihr so eng verwobenen Volkswirtschaft
ohne allgemeinen Bankerott -- auf daß wir in absehbarer Zeit aus dem ewigen
Schuldenmachen heraus und zu einer soliden Etatisierung gelangen, bei der sich die
Ausgabennach den vorhandenen Einnahmen richten. Das erfordert schwere Opfer
von jedem Beteiligten. Es ist zu wünschen und zu hoffen, daß der Versuch nicht zu spät
gemacht worden ist, und weiter, daß nicht Radikalismus von rechts und links
oder sonstige unvorhersehbare Ereignisse das mit so viel Mühe zustande gebrachte
Werk scheitern machen -- womit gleichzeitig alle Opfer umsonst gebracht wären.
Entwickelt sich alles so, wie die Reformgesetzgebnng es sich gedacht hat, dann
können wir vielleicht einer zwar harten, aber doch immerhin erträglichen Zukunft
entgegensehen. Es ist heute schon sehr viel, wenn man auch nur das sagen
kann. Dazu ist aber auch nötig, daß über der Durchführung der Reformgesetz,
gebung ein guter Stern waltet; vor allem werden an jede der bei der Durch¬
führung beteiligten Personen gewaltige Anforderungen gestellt. Möchten sie dem
Werk das nötige Verständnis entgegenbringen, wozu diese Zeilen, unbeschadet des
durchaus selbständigen Urteils des Verfassers gegenüber dem Neformenwerk und
gerade deshalb, ihr Teil beitragen wollten.




Die Rcichsfinanzreform

grobe dahingehende nachgaben unterlaufen sind, die über hinzutretende formale
Konzessionen erst ihre volle Schärfe entfalten können. Sehen wir von diesen
Bedenken ab, so finden wir in diesem formalen Teil der Reform eine ganz be¬
sonders geschickte Anknüpfung an das historisch Gewordene, mit dem die neuen
Gedanken oft so fein verwoben find, daß selbst das Kennerauge kaum den Über¬
gang merkt. Im übrigen ist gerade dieser Teil der Reform ganz besonders dazu
berufen, vereinheitlichend und ausgleichend zu wirken; die seitherige Zerrissenheit des
Steuerrechts und des Steuerverfahrens wird überbrückt und das Verfahren wird,
selbst für indirekte Steuern, in Rechtsformen gekleidet. Eine ganze Anzahl dieser
formalen Vorschriften erscheint sogar geradezu prädestiniert, für unser heute noch
immer so zerrissenes allgemeines Verwaltungsrecht vorbildlich zu wirken und
damit die ausgleichenden Gedanken der Reform nach viel weitergehender Richtung
wirken zu lassen. —

Alles in allem: die Reichssinanzrcform will nicht mehr sein, als ein Versuch
zur Fundierung des dreistufigen deutschen Staatsaufbaus der Gegenwart und
nächsten Zukunft vom Reiche her. Was später sich anschließen kann und wird,
bleibt abzuwarten. Man kann im Ganzen wie in Einzelheiten sicherlich starke
Einwände gegen die Reforurgesetzgebung erheben, namentlich nach der Richtung,
daß vielleicht noch zu »ick vom Geists der Vergangenheit in den einzelnen
Gesetzen walte. Bei näherem Zusehen erweist es sich aber, daß viele
der zu beanstandenden Maßregeln vom Gebot der Stunde diktiert worden
sind und auch keineswegs das letzte Wort sein wollen, das gesprochen wird.
Weiter zeigt sich, daß in der Reform tatsächlich ein Weg beschritien wurde, der
uns dem angestrebten Ziele näher bringen kann. Das Ziel heißt aber Konsoli¬
dation der Staatswlrischaft und der mit ihr so eng verwobenen Volkswirtschaft
ohne allgemeinen Bankerott — auf daß wir in absehbarer Zeit aus dem ewigen
Schuldenmachen heraus und zu einer soliden Etatisierung gelangen, bei der sich die
Ausgabennach den vorhandenen Einnahmen richten. Das erfordert schwere Opfer
von jedem Beteiligten. Es ist zu wünschen und zu hoffen, daß der Versuch nicht zu spät
gemacht worden ist, und weiter, daß nicht Radikalismus von rechts und links
oder sonstige unvorhersehbare Ereignisse das mit so viel Mühe zustande gebrachte
Werk scheitern machen — womit gleichzeitig alle Opfer umsonst gebracht wären.
Entwickelt sich alles so, wie die Reformgesetzgebnng es sich gedacht hat, dann
können wir vielleicht einer zwar harten, aber doch immerhin erträglichen Zukunft
entgegensehen. Es ist heute schon sehr viel, wenn man auch nur das sagen
kann. Dazu ist aber auch nötig, daß über der Durchführung der Reformgesetz,
gebung ein guter Stern waltet; vor allem werden an jede der bei der Durch¬
führung beteiligten Personen gewaltige Anforderungen gestellt. Möchten sie dem
Werk das nötige Verständnis entgegenbringen, wozu diese Zeilen, unbeschadet des
durchaus selbständigen Urteils des Verfassers gegenüber dem Neformenwerk und
gerade deshalb, ihr Teil beitragen wollten.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/261>, abgerufen am 01.07.2024.