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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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auf dem Papier geeinigt halte, lief jählings infolge des vielen Radierens die
Tinte aus und entstand der große Nationalistenklex. Man glaubte die Türkei
erledigt zu haben und schon stand eine neue da, die den ganzen Vertrag zu¬
nichte machte.

Diese ganze Nationalistenbewegung ist lediglich auf die schweren politischen
Fehler der Entente zurückzuführen. Wäre sie einig gewesen, sie hätte zu Anfang
des vorigen Jahres der Türkei jeden Frieden auferlegen können, den sie gewollt
hätte. Aber man war eben, zumal in der Frage, was mit Konstantinopel
werden sollte, nicht einig. Und da man die Einigkeit zunächst in den Verhand¬
lungen mit Deutschland dringend brauchte, ließ man die türkische Angelegenheit
vorläufig vorsichtig auf sich beruhen. Bis die Griechen den günstigen Moment
erspähten, da Italien sich durch seine Sezession wegen des Adricckonflikts unbe¬
liebt gemacht hatte und "gestraft" beziehungsweise geschreckt werden mußte, und
mit der beinah eigenmächtigen Besetzung Smyrnas, "das im Vertrag von Se.
Jean de Maurienne Italien zugesprochen war, das Signal zur Aufteilung
Kleinasiens (vgl. Grenzboten 1919 Ur. 23", aber auch zur nationalistischen Ver¬
teidigung gaben. Inzwischen hatten die Engländer unter der Hand durch einen
Geheimvertrag mit der türkischen Regierung, der deren Verbleiben in Konstan¬
tinopel gewährleistete, ihren Einfluß an den Meerengen zu festigen gesucht.
Flugs waren die Franzosen für Vertreibung der Türken aus Europa und
traten, während die Italiener aus Feindschaft gegen die Griechen insgeheim
Mustapha Kemal, die Engländer ebenso heimlich die Araberstämme Faissals
gegen die Franzosen stärkten, sogar gelegentlich für die griechischen Ansprüche
auf Konstantinopel ein. Eine Zeitlang haben dann sowohl England wie Frank¬
reich geschwankt, ob sie für ihre Ziele nicht eventuell auch Mustapha Kemal
benutzen könnten und wahrscheinlich geglaubt, ihn als Popanz gebrauchen zu
können, um die türkische Regierung gefügig zu machen. Verlangsamt wurde diese
Entwicklung noch dadurch, daß England, bis es die syrische Angelegenheit in
seinem Sinne geordnet hatte (vgl. Grenzboten 1919, Ur. 40) sich in allen Meer¬
engenfragen hinter der Wilsons Krankheit wegen ausbleibenden Entscheidung
Amerikas verschanzte. Aber die nationalistische Bewegung wuchs den klugen
Rechnern und geübten Intriganten über den Kopf, die Januarwahlen entschieden
für den Einfluß des Komitees Einheit und Fortschritt, Anfang Februar plünderten
Nationalisten auf Gallipoli Depots mit 80 000 Gewehren, Mitte Februar erfolgte
eine Umbildung des Kabinetts in nationalistischen Sinne und weder dies neue
Kabinett noch Mustapha Kemal ließen Zweifel darüber bestehen, daß sie unter
keinen Umständen eine Schmälerung der türkischen Hoheitsrechte in Europa und
Kleinasien zugeben würden. Da besetzten am 16. März unter dem Schutze
englischer (und griechischer) Schiffskanonen britische Seeleute das Kriegs- und
Marineministerium und das Hauptpostamt in Kovsiantinopel, schafften nicht nur
die rationalistisch gesinnten, sondern auch die franzosenfreundlichen Persönlichkeiten
nach Malta, verhängten selbst über den Thronfolger Hausarrest und stellten den
gefügigen Damad Ferid an die Spitze eines neuen Kabinetts. Der beschloß
seinen guten Willen zu zeigen und schickte einen obskuren Bandenführer Andavur
gegen die Anatolier. Aber diese Exekutionsarmee wurde in katastrophaler Weise
geschlagen, Panderma fiel in die Hand der Aufständischen, die inzwischen auch
Lcimpsaki besetzt haben, auf Bigha losrücken und bereits die Dardanellen bedrohen.
Jetzt hatte also die Entente zwar eine gefügige Negierung, aber leider hatte diese
weder Land noch Untertanen. Und als man sich in seiner Not an den Marschall
Fons um Rat wandte, forderte dieser zur Niederwerfung der anatolischen Bewegung
nicht weniger als 300 000 Mann, die man, auch wenn man sich der aus nahe¬
liegenden Gründen äußerst hilfsbereiten Griechen bedienen wollte, nicht mehr
aufzubringen vermochte, da Frankreichs am Rhein gefesselte Bestände schon sür
Syrien nicht mehr ausreichen und England froh ist, wenn es Mesopotamien,
Persien und die indische Grenze halten kann. Daher das Einlenken in San Nemo,
daher die Belassung des Sultans in Konstantinopel, daher die türkische Flagge


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auf dem Papier geeinigt halte, lief jählings infolge des vielen Radierens die
Tinte aus und entstand der große Nationalistenklex. Man glaubte die Türkei
erledigt zu haben und schon stand eine neue da, die den ganzen Vertrag zu¬
nichte machte.

Diese ganze Nationalistenbewegung ist lediglich auf die schweren politischen
Fehler der Entente zurückzuführen. Wäre sie einig gewesen, sie hätte zu Anfang
des vorigen Jahres der Türkei jeden Frieden auferlegen können, den sie gewollt
hätte. Aber man war eben, zumal in der Frage, was mit Konstantinopel
werden sollte, nicht einig. Und da man die Einigkeit zunächst in den Verhand¬
lungen mit Deutschland dringend brauchte, ließ man die türkische Angelegenheit
vorläufig vorsichtig auf sich beruhen. Bis die Griechen den günstigen Moment
erspähten, da Italien sich durch seine Sezession wegen des Adricckonflikts unbe¬
liebt gemacht hatte und „gestraft" beziehungsweise geschreckt werden mußte, und
mit der beinah eigenmächtigen Besetzung Smyrnas, »das im Vertrag von Se.
Jean de Maurienne Italien zugesprochen war, das Signal zur Aufteilung
Kleinasiens (vgl. Grenzboten 1919 Ur. 23», aber auch zur nationalistischen Ver¬
teidigung gaben. Inzwischen hatten die Engländer unter der Hand durch einen
Geheimvertrag mit der türkischen Regierung, der deren Verbleiben in Konstan¬
tinopel gewährleistete, ihren Einfluß an den Meerengen zu festigen gesucht.
Flugs waren die Franzosen für Vertreibung der Türken aus Europa und
traten, während die Italiener aus Feindschaft gegen die Griechen insgeheim
Mustapha Kemal, die Engländer ebenso heimlich die Araberstämme Faissals
gegen die Franzosen stärkten, sogar gelegentlich für die griechischen Ansprüche
auf Konstantinopel ein. Eine Zeitlang haben dann sowohl England wie Frank¬
reich geschwankt, ob sie für ihre Ziele nicht eventuell auch Mustapha Kemal
benutzen könnten und wahrscheinlich geglaubt, ihn als Popanz gebrauchen zu
können, um die türkische Regierung gefügig zu machen. Verlangsamt wurde diese
Entwicklung noch dadurch, daß England, bis es die syrische Angelegenheit in
seinem Sinne geordnet hatte (vgl. Grenzboten 1919, Ur. 40) sich in allen Meer¬
engenfragen hinter der Wilsons Krankheit wegen ausbleibenden Entscheidung
Amerikas verschanzte. Aber die nationalistische Bewegung wuchs den klugen
Rechnern und geübten Intriganten über den Kopf, die Januarwahlen entschieden
für den Einfluß des Komitees Einheit und Fortschritt, Anfang Februar plünderten
Nationalisten auf Gallipoli Depots mit 80 000 Gewehren, Mitte Februar erfolgte
eine Umbildung des Kabinetts in nationalistischen Sinne und weder dies neue
Kabinett noch Mustapha Kemal ließen Zweifel darüber bestehen, daß sie unter
keinen Umständen eine Schmälerung der türkischen Hoheitsrechte in Europa und
Kleinasien zugeben würden. Da besetzten am 16. März unter dem Schutze
englischer (und griechischer) Schiffskanonen britische Seeleute das Kriegs- und
Marineministerium und das Hauptpostamt in Kovsiantinopel, schafften nicht nur
die rationalistisch gesinnten, sondern auch die franzosenfreundlichen Persönlichkeiten
nach Malta, verhängten selbst über den Thronfolger Hausarrest und stellten den
gefügigen Damad Ferid an die Spitze eines neuen Kabinetts. Der beschloß
seinen guten Willen zu zeigen und schickte einen obskuren Bandenführer Andavur
gegen die Anatolier. Aber diese Exekutionsarmee wurde in katastrophaler Weise
geschlagen, Panderma fiel in die Hand der Aufständischen, die inzwischen auch
Lcimpsaki besetzt haben, auf Bigha losrücken und bereits die Dardanellen bedrohen.
Jetzt hatte also die Entente zwar eine gefügige Negierung, aber leider hatte diese
weder Land noch Untertanen. Und als man sich in seiner Not an den Marschall
Fons um Rat wandte, forderte dieser zur Niederwerfung der anatolischen Bewegung
nicht weniger als 300 000 Mann, die man, auch wenn man sich der aus nahe¬
liegenden Gründen äußerst hilfsbereiten Griechen bedienen wollte, nicht mehr
aufzubringen vermochte, da Frankreichs am Rhein gefesselte Bestände schon sür
Syrien nicht mehr ausreichen und England froh ist, wenn es Mesopotamien,
Persien und die indische Grenze halten kann. Daher das Einlenken in San Nemo,
daher die Belassung des Sultans in Konstantinopel, daher die türkische Flagge


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[0236] Weltspiegel auf dem Papier geeinigt halte, lief jählings infolge des vielen Radierens die Tinte aus und entstand der große Nationalistenklex. Man glaubte die Türkei erledigt zu haben und schon stand eine neue da, die den ganzen Vertrag zu¬ nichte machte. Diese ganze Nationalistenbewegung ist lediglich auf die schweren politischen Fehler der Entente zurückzuführen. Wäre sie einig gewesen, sie hätte zu Anfang des vorigen Jahres der Türkei jeden Frieden auferlegen können, den sie gewollt hätte. Aber man war eben, zumal in der Frage, was mit Konstantinopel werden sollte, nicht einig. Und da man die Einigkeit zunächst in den Verhand¬ lungen mit Deutschland dringend brauchte, ließ man die türkische Angelegenheit vorläufig vorsichtig auf sich beruhen. Bis die Griechen den günstigen Moment erspähten, da Italien sich durch seine Sezession wegen des Adricckonflikts unbe¬ liebt gemacht hatte und „gestraft" beziehungsweise geschreckt werden mußte, und mit der beinah eigenmächtigen Besetzung Smyrnas, »das im Vertrag von Se. Jean de Maurienne Italien zugesprochen war, das Signal zur Aufteilung Kleinasiens (vgl. Grenzboten 1919 Ur. 23», aber auch zur nationalistischen Ver¬ teidigung gaben. Inzwischen hatten die Engländer unter der Hand durch einen Geheimvertrag mit der türkischen Regierung, der deren Verbleiben in Konstan¬ tinopel gewährleistete, ihren Einfluß an den Meerengen zu festigen gesucht. Flugs waren die Franzosen für Vertreibung der Türken aus Europa und traten, während die Italiener aus Feindschaft gegen die Griechen insgeheim Mustapha Kemal, die Engländer ebenso heimlich die Araberstämme Faissals gegen die Franzosen stärkten, sogar gelegentlich für die griechischen Ansprüche auf Konstantinopel ein. Eine Zeitlang haben dann sowohl England wie Frank¬ reich geschwankt, ob sie für ihre Ziele nicht eventuell auch Mustapha Kemal benutzen könnten und wahrscheinlich geglaubt, ihn als Popanz gebrauchen zu können, um die türkische Regierung gefügig zu machen. Verlangsamt wurde diese Entwicklung noch dadurch, daß England, bis es die syrische Angelegenheit in seinem Sinne geordnet hatte (vgl. Grenzboten 1919, Ur. 40) sich in allen Meer¬ engenfragen hinter der Wilsons Krankheit wegen ausbleibenden Entscheidung Amerikas verschanzte. Aber die nationalistische Bewegung wuchs den klugen Rechnern und geübten Intriganten über den Kopf, die Januarwahlen entschieden für den Einfluß des Komitees Einheit und Fortschritt, Anfang Februar plünderten Nationalisten auf Gallipoli Depots mit 80 000 Gewehren, Mitte Februar erfolgte eine Umbildung des Kabinetts in nationalistischen Sinne und weder dies neue Kabinett noch Mustapha Kemal ließen Zweifel darüber bestehen, daß sie unter keinen Umständen eine Schmälerung der türkischen Hoheitsrechte in Europa und Kleinasien zugeben würden. Da besetzten am 16. März unter dem Schutze englischer (und griechischer) Schiffskanonen britische Seeleute das Kriegs- und Marineministerium und das Hauptpostamt in Kovsiantinopel, schafften nicht nur die rationalistisch gesinnten, sondern auch die franzosenfreundlichen Persönlichkeiten nach Malta, verhängten selbst über den Thronfolger Hausarrest und stellten den gefügigen Damad Ferid an die Spitze eines neuen Kabinetts. Der beschloß seinen guten Willen zu zeigen und schickte einen obskuren Bandenführer Andavur gegen die Anatolier. Aber diese Exekutionsarmee wurde in katastrophaler Weise geschlagen, Panderma fiel in die Hand der Aufständischen, die inzwischen auch Lcimpsaki besetzt haben, auf Bigha losrücken und bereits die Dardanellen bedrohen. Jetzt hatte also die Entente zwar eine gefügige Negierung, aber leider hatte diese weder Land noch Untertanen. Und als man sich in seiner Not an den Marschall Fons um Rat wandte, forderte dieser zur Niederwerfung der anatolischen Bewegung nicht weniger als 300 000 Mann, die man, auch wenn man sich der aus nahe¬ liegenden Gründen äußerst hilfsbereiten Griechen bedienen wollte, nicht mehr aufzubringen vermochte, da Frankreichs am Rhein gefesselte Bestände schon sür Syrien nicht mehr ausreichen und England froh ist, wenn es Mesopotamien, Persien und die indische Grenze halten kann. Daher das Einlenken in San Nemo, daher die Belassung des Sultans in Konstantinopel, daher die türkische Flagge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/236>, abgerufen am 03.07.2024.