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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Vertreter der Vereinigten Staaten (falls diese die Teilnahme wünschen), Englands,
Frankreichs, Italiens, Japans, Rußlands (sobald dies als Mitglied des Völker-
bundes anerkannt worden ist), Griechenlands, Rumäniens, Bulgariens (sobald
dieses als Mitglied des Völkerbundes anerkannt worden ist). Die Vertreter der
Vereinigten Staaten, Englands, Frankreichs, Italiens, Japans, Rußlands haben
jeder zwei Stimmen (gut gebrüllt, Löwe!), die der andern Mächte (also der
nächst Interessierten!) je eine Stimme. Die Kommission ist gänzlich unabhängig
von den lokalen Behörden und sür alle Schiffahrts- und Hafenfragen zuständig.
Die Türkei erklärt sich ferner damit einverstanden, daß die Länder mit kurdischer
Mehrheit östlich des Euphrat und im Süden von Armenien, über deren Grenzen
noch eine aus englischen, französischen und italienischen Mitgliedern bestehende
Kommission in Konstantinopel entscheiden wird, lokale Autonomie erhallen, eventuell
sogar, besonders was den Südteil von Kurdistan, der bislang zum Wilajet Mossul,
gehörte (also wo die Engländer Fuß gefaßt haben) betrifft, völlig unabhängig
werden. Die Ausübung der Hoheitsrechte über Smyrna wird Griechenland über¬
tragen. Als Zeichen der fortbestehenden türkischen Souveränität darf auf einem
der Außenfvrts die türkische Flagge wehen. Griechenland ist verantwortlich sür
die Verwaltung dieses Gebietes, darf Truppen dort halten und das Gebiet in
griechische Zollgrenze einbeziehen, darf andrerseits jedoch nichts unternehmen, um
den Wert türkischen Geldes herabzumindern. Es kann auf der Basis propvrtioneller
Vertretung der Minderheiten ein lokales Parlament einsetzen. Die Wahlen zu diesem
Parlament tonnen jedoch hinausgeschoben werden, bis die geflüchteten oder verbannten
Einwohner zurückgekehrt sind. Der Wahlmodus und die Einrichtung des Parla¬
ments bedürfen der Genehmigung des Völkerbundrates. Nach fünfjährigem Bestehen
kann das Parlament von dem Völlerbundrat die Einverleibung in Griechenland
verlangen. Der Völkerbundrat kann jedoch eine Volksabstimmung anordnen.
Griechenland erhält weiter das ganze Gebiet der europäischen Türkei bis zur
Tschataldschalinie, außerdem die meisten Inseln wie Jmbros, Tenedos, Lemnos,
Samothrake, Mitylene, Samos, Chios usw. Armenien wird als selbständiger
Staat anerkannt. Über seine Grenzen in den Wilajets Erzerum, Tropezunt,
Wan, Vitus und einen Zugang zum Meere entscheidet der Präsident der Ver¬
einigten Staaten. Die Grenzen zwischen Armenien und Georgien einer-, Aser-
beidschan andrerseits setzen die direkt beteiligten Staaten selber unter sich fest.
Syrien und Mesopotamien werden gemäß § 22 des Volksbundpaktes unabhängige
Staaten. "Verwaltmigstechinsch werden sie, bis sie fähig sind, sich selbst zu
regieren, den Ratschlägen und dem Beistand eines Mandatsträgers unterstellt.
Die Grenzen und die Mandatsträger werden durch die hauptsächlichen alliierten
Mächte bestimmt." Palästina wird ebenfalls einem Mandatsträger zugewiesen,
die englische Erklärung vom 8. November 19t7 betreffs Errichtung eines jüdischen
Staates wird ausdrücklich bestätigt. Das Hedjas wird mit noch zu bestimmen¬
den Grenzen als unabhängiger Staat anerkannt, desgleichen die Annexion
Cyperns durch England und dessen Protektorat über Ägypten, an das die Türkei
alle Rechte aufgibt. Die türkische Armee, aus Freiwilligen mit zwölfjähriger,
für Offiziere mit 25jähriger Dienstzeit zu werben, darf nicht mehr als 35 000
Gendarmen, 15 000 Verstärkungen und 700 Mann Leibwache für den Sultan
zählen. Alliierte und neutrale Offiziere haben am Kommando teil. Alle
Festungswerke an den Meerengen und am Marmarameer werden geschleift, alle
Kriegsschiffs werden ausgeliefert, die neue türkische Armee wird durch alliierte
Kommisstonen organisiert.

Wer jetzt noch nicht über dieses Meisterstück der Ententcdlplomatie in Be¬
wunderung erstarrt ist, dem ist nicht zu helfen! Wehe, wenn ein Deutscher diese
Herrlichkeit erdacht hätte, eine Woge unauslöschlichen Gelächters wäre über die
Welt dahin gegangen. Und doch hat die Entente immerhin seit Versailles was
zugelernt. Sie gibt dem Gegner nicht mehr nur eine Woche oder zwölf Tage, son¬
dern einen ganzen Monat Bedenkzeit. Ganz geheuer scheint ihr also nicht zu¬
mute gewesen zu sein. Sie scheint es nicht eilig zu haben, bewiesen zu be-


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Vertreter der Vereinigten Staaten (falls diese die Teilnahme wünschen), Englands,
Frankreichs, Italiens, Japans, Rußlands (sobald dies als Mitglied des Völker-
bundes anerkannt worden ist), Griechenlands, Rumäniens, Bulgariens (sobald
dieses als Mitglied des Völkerbundes anerkannt worden ist). Die Vertreter der
Vereinigten Staaten, Englands, Frankreichs, Italiens, Japans, Rußlands haben
jeder zwei Stimmen (gut gebrüllt, Löwe!), die der andern Mächte (also der
nächst Interessierten!) je eine Stimme. Die Kommission ist gänzlich unabhängig
von den lokalen Behörden und sür alle Schiffahrts- und Hafenfragen zuständig.
Die Türkei erklärt sich ferner damit einverstanden, daß die Länder mit kurdischer
Mehrheit östlich des Euphrat und im Süden von Armenien, über deren Grenzen
noch eine aus englischen, französischen und italienischen Mitgliedern bestehende
Kommission in Konstantinopel entscheiden wird, lokale Autonomie erhallen, eventuell
sogar, besonders was den Südteil von Kurdistan, der bislang zum Wilajet Mossul,
gehörte (also wo die Engländer Fuß gefaßt haben) betrifft, völlig unabhängig
werden. Die Ausübung der Hoheitsrechte über Smyrna wird Griechenland über¬
tragen. Als Zeichen der fortbestehenden türkischen Souveränität darf auf einem
der Außenfvrts die türkische Flagge wehen. Griechenland ist verantwortlich sür
die Verwaltung dieses Gebietes, darf Truppen dort halten und das Gebiet in
griechische Zollgrenze einbeziehen, darf andrerseits jedoch nichts unternehmen, um
den Wert türkischen Geldes herabzumindern. Es kann auf der Basis propvrtioneller
Vertretung der Minderheiten ein lokales Parlament einsetzen. Die Wahlen zu diesem
Parlament tonnen jedoch hinausgeschoben werden, bis die geflüchteten oder verbannten
Einwohner zurückgekehrt sind. Der Wahlmodus und die Einrichtung des Parla¬
ments bedürfen der Genehmigung des Völkerbundrates. Nach fünfjährigem Bestehen
kann das Parlament von dem Völlerbundrat die Einverleibung in Griechenland
verlangen. Der Völkerbundrat kann jedoch eine Volksabstimmung anordnen.
Griechenland erhält weiter das ganze Gebiet der europäischen Türkei bis zur
Tschataldschalinie, außerdem die meisten Inseln wie Jmbros, Tenedos, Lemnos,
Samothrake, Mitylene, Samos, Chios usw. Armenien wird als selbständiger
Staat anerkannt. Über seine Grenzen in den Wilajets Erzerum, Tropezunt,
Wan, Vitus und einen Zugang zum Meere entscheidet der Präsident der Ver¬
einigten Staaten. Die Grenzen zwischen Armenien und Georgien einer-, Aser-
beidschan andrerseits setzen die direkt beteiligten Staaten selber unter sich fest.
Syrien und Mesopotamien werden gemäß § 22 des Volksbundpaktes unabhängige
Staaten. „Verwaltmigstechinsch werden sie, bis sie fähig sind, sich selbst zu
regieren, den Ratschlägen und dem Beistand eines Mandatsträgers unterstellt.
Die Grenzen und die Mandatsträger werden durch die hauptsächlichen alliierten
Mächte bestimmt." Palästina wird ebenfalls einem Mandatsträger zugewiesen,
die englische Erklärung vom 8. November 19t7 betreffs Errichtung eines jüdischen
Staates wird ausdrücklich bestätigt. Das Hedjas wird mit noch zu bestimmen¬
den Grenzen als unabhängiger Staat anerkannt, desgleichen die Annexion
Cyperns durch England und dessen Protektorat über Ägypten, an das die Türkei
alle Rechte aufgibt. Die türkische Armee, aus Freiwilligen mit zwölfjähriger,
für Offiziere mit 25jähriger Dienstzeit zu werben, darf nicht mehr als 35 000
Gendarmen, 15 000 Verstärkungen und 700 Mann Leibwache für den Sultan
zählen. Alliierte und neutrale Offiziere haben am Kommando teil. Alle
Festungswerke an den Meerengen und am Marmarameer werden geschleift, alle
Kriegsschiffs werden ausgeliefert, die neue türkische Armee wird durch alliierte
Kommisstonen organisiert.

Wer jetzt noch nicht über dieses Meisterstück der Ententcdlplomatie in Be¬
wunderung erstarrt ist, dem ist nicht zu helfen! Wehe, wenn ein Deutscher diese
Herrlichkeit erdacht hätte, eine Woge unauslöschlichen Gelächters wäre über die
Welt dahin gegangen. Und doch hat die Entente immerhin seit Versailles was
zugelernt. Sie gibt dem Gegner nicht mehr nur eine Woche oder zwölf Tage, son¬
dern einen ganzen Monat Bedenkzeit. Ganz geheuer scheint ihr also nicht zu¬
mute gewesen zu sein. Sie scheint es nicht eilig zu haben, bewiesen zu be-


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[0234] ZVeltspicgel Vertreter der Vereinigten Staaten (falls diese die Teilnahme wünschen), Englands, Frankreichs, Italiens, Japans, Rußlands (sobald dies als Mitglied des Völker- bundes anerkannt worden ist), Griechenlands, Rumäniens, Bulgariens (sobald dieses als Mitglied des Völkerbundes anerkannt worden ist). Die Vertreter der Vereinigten Staaten, Englands, Frankreichs, Italiens, Japans, Rußlands haben jeder zwei Stimmen (gut gebrüllt, Löwe!), die der andern Mächte (also der nächst Interessierten!) je eine Stimme. Die Kommission ist gänzlich unabhängig von den lokalen Behörden und sür alle Schiffahrts- und Hafenfragen zuständig. Die Türkei erklärt sich ferner damit einverstanden, daß die Länder mit kurdischer Mehrheit östlich des Euphrat und im Süden von Armenien, über deren Grenzen noch eine aus englischen, französischen und italienischen Mitgliedern bestehende Kommission in Konstantinopel entscheiden wird, lokale Autonomie erhallen, eventuell sogar, besonders was den Südteil von Kurdistan, der bislang zum Wilajet Mossul, gehörte (also wo die Engländer Fuß gefaßt haben) betrifft, völlig unabhängig werden. Die Ausübung der Hoheitsrechte über Smyrna wird Griechenland über¬ tragen. Als Zeichen der fortbestehenden türkischen Souveränität darf auf einem der Außenfvrts die türkische Flagge wehen. Griechenland ist verantwortlich sür die Verwaltung dieses Gebietes, darf Truppen dort halten und das Gebiet in griechische Zollgrenze einbeziehen, darf andrerseits jedoch nichts unternehmen, um den Wert türkischen Geldes herabzumindern. Es kann auf der Basis propvrtioneller Vertretung der Minderheiten ein lokales Parlament einsetzen. Die Wahlen zu diesem Parlament tonnen jedoch hinausgeschoben werden, bis die geflüchteten oder verbannten Einwohner zurückgekehrt sind. Der Wahlmodus und die Einrichtung des Parla¬ ments bedürfen der Genehmigung des Völkerbundrates. Nach fünfjährigem Bestehen kann das Parlament von dem Völlerbundrat die Einverleibung in Griechenland verlangen. Der Völkerbundrat kann jedoch eine Volksabstimmung anordnen. Griechenland erhält weiter das ganze Gebiet der europäischen Türkei bis zur Tschataldschalinie, außerdem die meisten Inseln wie Jmbros, Tenedos, Lemnos, Samothrake, Mitylene, Samos, Chios usw. Armenien wird als selbständiger Staat anerkannt. Über seine Grenzen in den Wilajets Erzerum, Tropezunt, Wan, Vitus und einen Zugang zum Meere entscheidet der Präsident der Ver¬ einigten Staaten. Die Grenzen zwischen Armenien und Georgien einer-, Aser- beidschan andrerseits setzen die direkt beteiligten Staaten selber unter sich fest. Syrien und Mesopotamien werden gemäß § 22 des Volksbundpaktes unabhängige Staaten. „Verwaltmigstechinsch werden sie, bis sie fähig sind, sich selbst zu regieren, den Ratschlägen und dem Beistand eines Mandatsträgers unterstellt. Die Grenzen und die Mandatsträger werden durch die hauptsächlichen alliierten Mächte bestimmt." Palästina wird ebenfalls einem Mandatsträger zugewiesen, die englische Erklärung vom 8. November 19t7 betreffs Errichtung eines jüdischen Staates wird ausdrücklich bestätigt. Das Hedjas wird mit noch zu bestimmen¬ den Grenzen als unabhängiger Staat anerkannt, desgleichen die Annexion Cyperns durch England und dessen Protektorat über Ägypten, an das die Türkei alle Rechte aufgibt. Die türkische Armee, aus Freiwilligen mit zwölfjähriger, für Offiziere mit 25jähriger Dienstzeit zu werben, darf nicht mehr als 35 000 Gendarmen, 15 000 Verstärkungen und 700 Mann Leibwache für den Sultan zählen. Alliierte und neutrale Offiziere haben am Kommando teil. Alle Festungswerke an den Meerengen und am Marmarameer werden geschleift, alle Kriegsschiffs werden ausgeliefert, die neue türkische Armee wird durch alliierte Kommisstonen organisiert. Wer jetzt noch nicht über dieses Meisterstück der Ententcdlplomatie in Be¬ wunderung erstarrt ist, dem ist nicht zu helfen! Wehe, wenn ein Deutscher diese Herrlichkeit erdacht hätte, eine Woge unauslöschlichen Gelächters wäre über die Welt dahin gegangen. Und doch hat die Entente immerhin seit Versailles was zugelernt. Sie gibt dem Gegner nicht mehr nur eine Woche oder zwölf Tage, son¬ dern einen ganzen Monat Bedenkzeit. Ganz geheuer scheint ihr also nicht zu¬ mute gewesen zu sein. Sie scheint es nicht eilig zu haben, bewiesen zu be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/234>, abgerufen am 01.07.2024.