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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Nachdichtungen aus Hafiz und Usteri

Hierauf läßt sich eine Antwort nicht geben, weil die hier und da im neu¬
tralen Allslande versuchten Anknüpfungen, da sie resultatlos blieben, der Öffent-
lichkeit nicht bekannt gegeben worden sind. Dagegen muß darauf hingewiesen
werden, daß die Stockholmer Besprechung durchaus keinen günstigen Boden für
den Sonderfriedeu schuf, sondern im Gegenteil den Beweis erbrachte, daß die
russischen offiziellen Kreise -- vielleicht mit Ausschluß des Zaren und eines Teiles
seiner Familie -- an einen Friedensschluß nicht dachten. Bei dem ersten Be-
kanntwerden jener Zusammenkunft erhob sich ein Sturm der Entrüstung nicht
nur in allen Blättern, sondern auch in den politischen Kreisen Petersburgs. Es
hängt diese Erscheinung mit dem russischen Charakter zusammen, der, wie schon
erwähnt, sich immer in extremen Stimmungen bewegt. Eine von weiten Kreisen
getragene Friedensaktion wäre in Nußland nur nach einer allerschWersten
Katastrophe -- nicht etwa infolge bloßer Niederlagen oder wegen der Gefahr
großer Gebietsverluste -- möglich gewesen. Wenn der Zar zur Rettung seiner
Dynastie einen Frieden zu schließen versucht hätte, so wäre er seiner Krone noch
früher verlustig gegangenI Die Möglichkeit eines Sonderfriedens mit Rußland
bestand im Juli 1916 tatsächlich nicht, -- auch hier wird Deutschland ein
..Kardinalfehler" zur Last gelegt, der in Wirklichkeit nicht von ihm begangen
worden ist.

Der Verfasser dieser Zeilen ist sich dessen bewußt, daß er sich mit seiner
Auffassung vielfach in Gegensatz zu dem hergebrachten Urteil über das Verhalten
der deutschen Politik zu Rußland setzt. Es scheint ihm jedoch ein Gebot der
Pflicht zu sein, Beschuldigungen Deutschlands, die ihm eine Verantwortung für
die Entstehung des Weltkrieges und an dessen Verlängerung und unglücklichem
Ausgange aufzubürden geeignet sind, entgegenzutreten.




Nachdichtungen aus Hafiz und Usteri
Georg Jacob von
Znv Linführung

s ist uns eine große Freude, nachstehend eine Reihe von Nach¬
bildungen orientalischer Dichtungen bringen zu dürfen, die wir dem
Vertreter der islamischen Sprach- und Kulturwissenschaft an der
Kieler Universität verdanken. Sie stehen in der langen Reihe der durch
^ Jahrzehnte systematisch durchgeführten Arbeiten dieses Gelehrten,
d'e auf die Herstellung eines Gesamtbildes der islamischen Kultur, und zwar so¬
wohl der materiellen wie der geistigen, hinzielen, und durch die eine Fülle von
vorher kaum beachteten Einzelzügen ins Licht gestellt wurde. Wenn die von
^evrg Jacob begründete und herausgegebene "Türkische Bibliothek" uns durch
^ in ihr erschienenen Textausgaben, Übersetzungen und Abhandlungen reiche
Schätze folkloristischer, besonders auch religionsgeschichtlicher Überlieferung erschloß,
10 rundet sich aus den Erträgen der Bearbeitung türkischer Urkunden, die seit


11*
Nachdichtungen aus Hafiz und Usteri

Hierauf läßt sich eine Antwort nicht geben, weil die hier und da im neu¬
tralen Allslande versuchten Anknüpfungen, da sie resultatlos blieben, der Öffent-
lichkeit nicht bekannt gegeben worden sind. Dagegen muß darauf hingewiesen
werden, daß die Stockholmer Besprechung durchaus keinen günstigen Boden für
den Sonderfriedeu schuf, sondern im Gegenteil den Beweis erbrachte, daß die
russischen offiziellen Kreise — vielleicht mit Ausschluß des Zaren und eines Teiles
seiner Familie — an einen Friedensschluß nicht dachten. Bei dem ersten Be-
kanntwerden jener Zusammenkunft erhob sich ein Sturm der Entrüstung nicht
nur in allen Blättern, sondern auch in den politischen Kreisen Petersburgs. Es
hängt diese Erscheinung mit dem russischen Charakter zusammen, der, wie schon
erwähnt, sich immer in extremen Stimmungen bewegt. Eine von weiten Kreisen
getragene Friedensaktion wäre in Nußland nur nach einer allerschWersten
Katastrophe — nicht etwa infolge bloßer Niederlagen oder wegen der Gefahr
großer Gebietsverluste — möglich gewesen. Wenn der Zar zur Rettung seiner
Dynastie einen Frieden zu schließen versucht hätte, so wäre er seiner Krone noch
früher verlustig gegangenI Die Möglichkeit eines Sonderfriedens mit Rußland
bestand im Juli 1916 tatsächlich nicht, — auch hier wird Deutschland ein
..Kardinalfehler" zur Last gelegt, der in Wirklichkeit nicht von ihm begangen
worden ist.

Der Verfasser dieser Zeilen ist sich dessen bewußt, daß er sich mit seiner
Auffassung vielfach in Gegensatz zu dem hergebrachten Urteil über das Verhalten
der deutschen Politik zu Rußland setzt. Es scheint ihm jedoch ein Gebot der
Pflicht zu sein, Beschuldigungen Deutschlands, die ihm eine Verantwortung für
die Entstehung des Weltkrieges und an dessen Verlängerung und unglücklichem
Ausgange aufzubürden geeignet sind, entgegenzutreten.




Nachdichtungen aus Hafiz und Usteri
Georg Jacob von
Znv Linführung

s ist uns eine große Freude, nachstehend eine Reihe von Nach¬
bildungen orientalischer Dichtungen bringen zu dürfen, die wir dem
Vertreter der islamischen Sprach- und Kulturwissenschaft an der
Kieler Universität verdanken. Sie stehen in der langen Reihe der durch
^ Jahrzehnte systematisch durchgeführten Arbeiten dieses Gelehrten,
d'e auf die Herstellung eines Gesamtbildes der islamischen Kultur, und zwar so¬
wohl der materiellen wie der geistigen, hinzielen, und durch die eine Fülle von
vorher kaum beachteten Einzelzügen ins Licht gestellt wurde. Wenn die von
^evrg Jacob begründete und herausgegebene „Türkische Bibliothek" uns durch
^ in ihr erschienenen Textausgaben, Übersetzungen und Abhandlungen reiche
Schätze folkloristischer, besonders auch religionsgeschichtlicher Überlieferung erschloß,
10 rundet sich aus den Erträgen der Bearbeitung türkischer Urkunden, die seit


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[0169] Nachdichtungen aus Hafiz und Usteri Hierauf läßt sich eine Antwort nicht geben, weil die hier und da im neu¬ tralen Allslande versuchten Anknüpfungen, da sie resultatlos blieben, der Öffent- lichkeit nicht bekannt gegeben worden sind. Dagegen muß darauf hingewiesen werden, daß die Stockholmer Besprechung durchaus keinen günstigen Boden für den Sonderfriedeu schuf, sondern im Gegenteil den Beweis erbrachte, daß die russischen offiziellen Kreise — vielleicht mit Ausschluß des Zaren und eines Teiles seiner Familie — an einen Friedensschluß nicht dachten. Bei dem ersten Be- kanntwerden jener Zusammenkunft erhob sich ein Sturm der Entrüstung nicht nur in allen Blättern, sondern auch in den politischen Kreisen Petersburgs. Es hängt diese Erscheinung mit dem russischen Charakter zusammen, der, wie schon erwähnt, sich immer in extremen Stimmungen bewegt. Eine von weiten Kreisen getragene Friedensaktion wäre in Nußland nur nach einer allerschWersten Katastrophe — nicht etwa infolge bloßer Niederlagen oder wegen der Gefahr großer Gebietsverluste — möglich gewesen. Wenn der Zar zur Rettung seiner Dynastie einen Frieden zu schließen versucht hätte, so wäre er seiner Krone noch früher verlustig gegangenI Die Möglichkeit eines Sonderfriedens mit Rußland bestand im Juli 1916 tatsächlich nicht, — auch hier wird Deutschland ein ..Kardinalfehler" zur Last gelegt, der in Wirklichkeit nicht von ihm begangen worden ist. Der Verfasser dieser Zeilen ist sich dessen bewußt, daß er sich mit seiner Auffassung vielfach in Gegensatz zu dem hergebrachten Urteil über das Verhalten der deutschen Politik zu Rußland setzt. Es scheint ihm jedoch ein Gebot der Pflicht zu sein, Beschuldigungen Deutschlands, die ihm eine Verantwortung für die Entstehung des Weltkrieges und an dessen Verlängerung und unglücklichem Ausgange aufzubürden geeignet sind, entgegenzutreten. Nachdichtungen aus Hafiz und Usteri Georg Jacob von Znv Linführung s ist uns eine große Freude, nachstehend eine Reihe von Nach¬ bildungen orientalischer Dichtungen bringen zu dürfen, die wir dem Vertreter der islamischen Sprach- und Kulturwissenschaft an der Kieler Universität verdanken. Sie stehen in der langen Reihe der durch ^ Jahrzehnte systematisch durchgeführten Arbeiten dieses Gelehrten, d'e auf die Herstellung eines Gesamtbildes der islamischen Kultur, und zwar so¬ wohl der materiellen wie der geistigen, hinzielen, und durch die eine Fülle von vorher kaum beachteten Einzelzügen ins Licht gestellt wurde. Wenn die von ^evrg Jacob begründete und herausgegebene „Türkische Bibliothek" uns durch ^ in ihr erschienenen Textausgaben, Übersetzungen und Abhandlungen reiche Schätze folkloristischer, besonders auch religionsgeschichtlicher Überlieferung erschloß, 10 rundet sich aus den Erträgen der Bearbeitung türkischer Urkunden, die seit 11*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/169>, abgerufen am 22.07.2024.