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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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studentischer Siaudcsgeist und Demaaogenvei'folauna-

"Verstößen die Studentenschaft oder eines ihrer Organe gegen
diese allgemeinen oder besonderen Satzungen, fassen sie Beschlüsse oder
treffen sie Maßnahmen, die mit den Interessen der Hochschule nicht in
Einklang stehen (?!), so kann sowohl der Vorsitzende des
V e r w a le u u gsrates, wie der Rektor d e n B e s es l u ß o d e r d i e
Maßnah in e durch schriftliche, an den Vorstand der Studeuteusthafi
zu richtende Mitteilung beanstanden. Hierdurch wird der
Beschluß oder die Maßnahme vorläufig außer
Kraft gesetzt.

Gegen die Beanstandimg kann der Vorstand bei dem
Minister Einspruch erheben. Vor der Entscheidung ist dein
Verwaltungsrat Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Fügt si es d i e
Studentenschaft der Entscheidung des Ministes'
nicht, so kaun der Minister den Vorstand seines
Amtes für verlustig erkläre". Die Geschäfte gehen da""
bis zur Neuwahl auf deu Verwaltungsrat über."


(Ter dritte Absatz von 8 14 behandelt die gleichen Voraussetzungen für
eine Beanstandung der Beschlüsse oder Maßnahmen des Verwaltungsrates durch
den Rektor oder den Verwaltnugsratsvorsitzenden.) Es leuchtet ein, daß.die
Möglichkeit eines Einspruches beim Herrn Minister nichts weiter ist als eine
Art Vorspiegelung, da ja eben der Verwaltungsraisvvrsitzende gerade deu Ver¬
trauensmann und Handlanger der ministeriellen Willensabsichteu darzustellen
hat. Jede Selbständigkeit in der Beschlußfassung der "Studentenschaft oder
eines ihrer Organe" wird glattweg illusorisch und letzters verboten.

Eine derartige Bestimmung würde dem ministeriellen NberivachungS-
kommissar im etwaige" Falle alle Handhaben geben, um gewisse studentische Zu
sammenschlüsse, wie zum Beispiel den Hochschulring deutscher Art oder die
nationalen Studeutcubünde, wieder aufzulösen. Selbst die überlieferte Lebens-
führung besonders einflußreicher Gruppen, Verbindungen oder Vereine könnte
wesentlich behindert und unmöglich gemacht werden. Wahrscheinlich ist das sogar
das Endziel, worauf es der geplanten Verfügung des Ministeriums hauptsächlich
ankommt. Denn bestimmte Einzelheiten des Entwurfes lassen darauf schließen,
daß die vaterländische Haltung und Gesinnuugsart, die in den maßgebenden
Teilen der Studentenschaft immer noch stark überwiegt, am höheren Orte sehr
unerwünscht sei. Der Schluß des § 2, der von den "Zwecken" der Stuben-en-
organisativn handelt, befiehlt zuletzt: "ausgeschlossen sind politische und religiöse
Zwecke", wobei daran zu erinnern wäre, daß die Würzburger Verfassung nur
"parteipolitische" Gesichtspunkte ausgeschaltet wissen wollte. Nun berühren all¬
gemeine politisch-soziale und vaterländische Gedankengänge oder Bestrebungen am
Ende auch "Politische Zwecke", und es scheint beinahe, daß es dem deutschen
Studenten wirklich verwehrt werden soll, sich um das Schicksal der Nation
ernstere Sorgen zu machen und sein Gemütsleben auf nationale Werte einzu¬
stellen. Aber es scheint nicht bloß so. Schon § 1 entschleiert die Grundlinie.
In Würzburg hatte man nach eingehender Beratung und nicht ohne GewissenS-
schwere beschlossen, daß die "Deutsche Studentenschaft" eben tatsächlich nur aus


studentischer Siaudcsgeist und Demaaogenvei'folauna-

„Verstößen die Studentenschaft oder eines ihrer Organe gegen
diese allgemeinen oder besonderen Satzungen, fassen sie Beschlüsse oder
treffen sie Maßnahmen, die mit den Interessen der Hochschule nicht in
Einklang stehen (?!), so kann sowohl der Vorsitzende des
V e r w a le u u gsrates, wie der Rektor d e n B e s es l u ß o d e r d i e
Maßnah in e durch schriftliche, an den Vorstand der Studeuteusthafi
zu richtende Mitteilung beanstanden. Hierdurch wird der
Beschluß oder die Maßnahme vorläufig außer
Kraft gesetzt.

Gegen die Beanstandimg kann der Vorstand bei dem
Minister Einspruch erheben. Vor der Entscheidung ist dein
Verwaltungsrat Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Fügt si es d i e
Studentenschaft der Entscheidung des Ministes'
nicht, so kaun der Minister den Vorstand seines
Amtes für verlustig erkläre«. Die Geschäfte gehen da»«
bis zur Neuwahl auf deu Verwaltungsrat über."


(Ter dritte Absatz von 8 14 behandelt die gleichen Voraussetzungen für
eine Beanstandung der Beschlüsse oder Maßnahmen des Verwaltungsrates durch
den Rektor oder den Verwaltnugsratsvorsitzenden.) Es leuchtet ein, daß.die
Möglichkeit eines Einspruches beim Herrn Minister nichts weiter ist als eine
Art Vorspiegelung, da ja eben der Verwaltungsraisvvrsitzende gerade deu Ver¬
trauensmann und Handlanger der ministeriellen Willensabsichteu darzustellen
hat. Jede Selbständigkeit in der Beschlußfassung der „Studentenschaft oder
eines ihrer Organe" wird glattweg illusorisch und letzters verboten.

Eine derartige Bestimmung würde dem ministeriellen NberivachungS-
kommissar im etwaige» Falle alle Handhaben geben, um gewisse studentische Zu
sammenschlüsse, wie zum Beispiel den Hochschulring deutscher Art oder die
nationalen Studeutcubünde, wieder aufzulösen. Selbst die überlieferte Lebens-
führung besonders einflußreicher Gruppen, Verbindungen oder Vereine könnte
wesentlich behindert und unmöglich gemacht werden. Wahrscheinlich ist das sogar
das Endziel, worauf es der geplanten Verfügung des Ministeriums hauptsächlich
ankommt. Denn bestimmte Einzelheiten des Entwurfes lassen darauf schließen,
daß die vaterländische Haltung und Gesinnuugsart, die in den maßgebenden
Teilen der Studentenschaft immer noch stark überwiegt, am höheren Orte sehr
unerwünscht sei. Der Schluß des § 2, der von den „Zwecken" der Stuben-en-
organisativn handelt, befiehlt zuletzt: „ausgeschlossen sind politische und religiöse
Zwecke", wobei daran zu erinnern wäre, daß die Würzburger Verfassung nur
„parteipolitische" Gesichtspunkte ausgeschaltet wissen wollte. Nun berühren all¬
gemeine politisch-soziale und vaterländische Gedankengänge oder Bestrebungen am
Ende auch „Politische Zwecke", und es scheint beinahe, daß es dem deutschen
Studenten wirklich verwehrt werden soll, sich um das Schicksal der Nation
ernstere Sorgen zu machen und sein Gemütsleben auf nationale Werte einzu¬
stellen. Aber es scheint nicht bloß so. Schon § 1 entschleiert die Grundlinie.
In Würzburg hatte man nach eingehender Beratung und nicht ohne GewissenS-
schwere beschlossen, daß die „Deutsche Studentenschaft" eben tatsächlich nur aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/160>, abgerufen am 24.08.2024.