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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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och nie in der Geschichte der Menschheit ist ein Volk, nachdem es
in törichter Verblendung sein scharfes, gutes Schwert selbst zer¬
brochen und dem Feinde zu Füßen gelegt hatte, zu einem Frieden
gezwungen worden, wie es der Deutschland aufgezwungene Friede
von Versailles ist. Wohl weiß die Geschichte zu erzählen von tiefer
Demütigung und Entehrung des Besiegten, von Raub, Knechtung und Sklaverei.
Rom zeigt uns an Karthago, wie der Nebenbuhler auszulöschen ist. Die Ger¬
manen geben uns ein Beispiel von der Aufsaugung greisenhafter durch junge Kulturen.
Wie ein in strotzender Mannesfülle stehendes, aber in unheilvoller Selbsttäuschung
befangenes Volk von dem Augenblick, da es, sich selbst verratend, treuherzig die
bon Fehdehandschuh befreite Rechte dem Sieger bietet, langsam und in schadenfroher
Wollust zu Tode zu martern sei, das sollte uns erst das 20. Jahrhundert, sollte
uns das Friedensinstrument von Versailles zeigen. Ist es doch zum Verwechseln
ähnlich jenen mittelalterlichen Folterwerkzeugen, die, anfangend mit den peripheren
Nerven, in sanftem Fortschritt allmählich vordringen bis zum zentralen Nerven-
apparat. Aber beileibe durften die Pausen nicht vergessen werden. Ohne sie
wären die Henker um einen großen Teil ihres Genusses gekommen. Nun soll es
freilich zähe Opfer gegeben haben, die auch diese Marter überstanden und, wenn
auch verstümmelt, doch noch lebensfähig blieben. Aber sie waren selten, und der
Schaden an Leib und Seele war nicht wieder gut zu machen.

Als man uns durch die Daumenschrauben der wiederholten Waffenstillstands-
berlängerungen genügend mürbe gemacht zu haben glaubte, kam endlich jener
mit dem geriebensten Advokatenwitz ersonnene Unterwerfungspakt, in dem nur
das Tempo unseres nationalen Absterbens zweifelhaft blieb. Er ließ selbst die
um Herrn Scheidemann stehenden Männer erbleichen; und die Verbrüderungs-
scmatiker und internationalen Schwärmer unserer heutigen Mehrheitskoalition
bekamen ihren ersten Stoß. Wenn so der herzlich gemeinte Bruderkuß erwidert
wurde, wie wollte man denn der deutschen Volksseele das Dogma des kosmo-


Grenzboten II 1S20 8


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Me es wirklich um uns steht
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och nie in der Geschichte der Menschheit ist ein Volk, nachdem es
in törichter Verblendung sein scharfes, gutes Schwert selbst zer¬
brochen und dem Feinde zu Füßen gelegt hatte, zu einem Frieden
gezwungen worden, wie es der Deutschland aufgezwungene Friede
von Versailles ist. Wohl weiß die Geschichte zu erzählen von tiefer
Demütigung und Entehrung des Besiegten, von Raub, Knechtung und Sklaverei.
Rom zeigt uns an Karthago, wie der Nebenbuhler auszulöschen ist. Die Ger¬
manen geben uns ein Beispiel von der Aufsaugung greisenhafter durch junge Kulturen.
Wie ein in strotzender Mannesfülle stehendes, aber in unheilvoller Selbsttäuschung
befangenes Volk von dem Augenblick, da es, sich selbst verratend, treuherzig die
bon Fehdehandschuh befreite Rechte dem Sieger bietet, langsam und in schadenfroher
Wollust zu Tode zu martern sei, das sollte uns erst das 20. Jahrhundert, sollte
uns das Friedensinstrument von Versailles zeigen. Ist es doch zum Verwechseln
ähnlich jenen mittelalterlichen Folterwerkzeugen, die, anfangend mit den peripheren
Nerven, in sanftem Fortschritt allmählich vordringen bis zum zentralen Nerven-
apparat. Aber beileibe durften die Pausen nicht vergessen werden. Ohne sie
wären die Henker um einen großen Teil ihres Genusses gekommen. Nun soll es
freilich zähe Opfer gegeben haben, die auch diese Marter überstanden und, wenn
auch verstümmelt, doch noch lebensfähig blieben. Aber sie waren selten, und der
Schaden an Leib und Seele war nicht wieder gut zu machen.

Als man uns durch die Daumenschrauben der wiederholten Waffenstillstands-
berlängerungen genügend mürbe gemacht zu haben glaubte, kam endlich jener
mit dem geriebensten Advokatenwitz ersonnene Unterwerfungspakt, in dem nur
das Tempo unseres nationalen Absterbens zweifelhaft blieb. Er ließ selbst die
um Herrn Scheidemann stehenden Männer erbleichen; und die Verbrüderungs-
scmatiker und internationalen Schwärmer unserer heutigen Mehrheitskoalition
bekamen ihren ersten Stoß. Wenn so der herzlich gemeinte Bruderkuß erwidert
wurde, wie wollte man denn der deutschen Volksseele das Dogma des kosmo-


Grenzboten II 1S20 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/119>, abgerufen am 25.08.2024.