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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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geistige Bewegung ihren Ausdruck gefunden
und die Stellung MaxSchelers^) wesentlich
mitbestimmt hat. Dicht vor Kriegsbeginn
erneuerten die "Hauptfragen der-modernen
Kultur" des in Frankreich gefallenen Bonner
Philosophen Emil Hannacher das Bild
eines schwermütigen Kulturpessimismus, der
gegen unaufhaltsame zivilisatorische Ein¬
ebnung und Verflachung steil den Indivi¬
dualismus der absoluten Mystik stellte. Eine
scharfsinnige Analyse "Preußischer Prägung"
gab während des Krieges Lucia Dom Frost,
Moeller von den Brucks "Preußischer Stil"
versuchte das Wiedereinmünden des preußi¬
schen Seitenweges in das gemeindeutsche
Schicksal zu begründen. Eine Entfaltung
der Grundthese Worringers von der ewig
deutschen Gotik vollzog Richard Benz, der
den Protest gegen das Romanentum als
tiefste deutsche Sendung erkannte und damit
die Vision vom deutschen Wesen bestätigte,
die schon Dostojewski verkündet hatte (vgl.
besonders seine Politischen Schriften in der
deutschen Gesamtausgabe, herausgegeben
von Moeller van den Brück bei Piper). In
derselben Richtung ging Thomas Manns
Kampf gegen den Zivilisationsliteraten in
den "Betrachtungen eines Unpolitischen".
Während so durch tiefste denkerische Be-
mühung die geistige Westfront immer
fester ausgebaut wurde, unternahm Rudolf
Pannwitz den eigenartigen Versuch, die
französische Aufklärung und ihre Krönung
im napoleonischen Imperialismus kultur-
romantisch zu verherrlichen. In das um¬
fassende Gefüge dieser Jdeenentwicklung ge¬
hört auch als wesentliches Element Oswald
Spenglers großangelegtes Werk Der Unter¬
gang des Abendlandes, sowie die kleine und
gehaltvolle Schrift, mit der wir uns hier zu
beschäftigen haben.

Das Ziel der Untersuchung wird klar
gesehen und entschieden hingestellt: die Auf¬
gabe ist die Befreiung des deutschen Sozia-

[Spaltenumbruch]

lismus vom undeutschen Marxismus, die
sachliche Grundvoraussetzung die Einheit alt¬
preußischen und sozialistischen Geistes. Die
Revolution ist gescheitert, weil in ihr Bebel-
sches Preußentum an Marxische Nnrrritik
verraten, Organisation durch kritischen Abbau
ersetzt wurde. Was unter den Jungen heute
vielfach als Westlertum bezeichnet wird,
bettet Spengler hier als Engländerinn in
die europäische Gesamtbewegung ein und
stellt es den beiden anderen neuzeitlichen
Weltgedmiken, dem von Spanien ausgehen¬
den Ultramontanismus und dem preußischen
Sozialismus gegenüber. Insbesondere dem
Gegensatz von Engländertum und Preußen¬
tum, Wikinger- und Ordensgeist, Privat¬
gesellschaft und Staatlichkeit, Liberalisinus
und Sozialismus gelten die vorliegenden
Untersuchungen. Der Weg des Preußischen
Sozialismus führt von Friedrich Wilhelm I.
über Bismarck und Bet'el in den August
1914. Aber diese Preußische Sendung ist
in der Novemberrevolution und ihrem Vor¬
läufer, der Parlamentarisierung, an den
englischen Gedanken verraten worden. Denn
englisch in diesem Sinne ist die Unterwerfung
des Staates unter Partei-Parlamentarismus,
Korruption und Schiebertum. Englische
Verzerrung ist aber vor allem der Marxismus.
Englisch ist seine Stnatlosigkeit, seine Ver¬
achtung der Arbeit, die sich ini Phäakeuidenl
des Zukunftsbildes ausspricht, englisch ist
seine eudämonistische Moral und seine Aus-
beutungsauffassung vom Kapital. Englischer
Wikingergeist sieht die Welt als Beute,
preußischer Ordensgeist als Aufgabe Verant¬
wortlicher Verwaltung. Sozialismus muß
sich in der altpreußischen Beamtengestunung,
die entsagender Dienst an der Gesamtheit
ist, wiedererkennen und auferbnucn. Der
schlimmste Feind dieses Preußischen Sozia¬
lismus, des Geistes faustischer Zivilisation,
ist nicht der deutsche Kapitalismus, sondern
der Pstmdosozinlismus der Ententeländer.
Sozialistische und konservative Grund¬
gesinnung begegnen sich im Zielbild der
Verwandlung des Arbeiters in einen Wirt-
schastsoeamten, deL Unternehmers in einen
verantwortlichen Verwaltungsbeamten und
des Eigentums in eine Art erblichen Lehens.
Mit dem deutschen Schicksal steht das Schicksal

[Ende Spaltensatz]
vgl. die Abhandlungen und Aufsätze,
die soeben unter dem Titel "Umsturz der
Werte" in zweiter Auflage im Neuen-Geist-
Verlag, Leipzig (2 Bünde. M. 28,--) er¬
schienen sind.
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geistige Bewegung ihren Ausdruck gefunden
und die Stellung MaxSchelers^) wesentlich
mitbestimmt hat. Dicht vor Kriegsbeginn
erneuerten die „Hauptfragen der-modernen
Kultur" des in Frankreich gefallenen Bonner
Philosophen Emil Hannacher das Bild
eines schwermütigen Kulturpessimismus, der
gegen unaufhaltsame zivilisatorische Ein¬
ebnung und Verflachung steil den Indivi¬
dualismus der absoluten Mystik stellte. Eine
scharfsinnige Analyse „Preußischer Prägung"
gab während des Krieges Lucia Dom Frost,
Moeller von den Brucks „Preußischer Stil"
versuchte das Wiedereinmünden des preußi¬
schen Seitenweges in das gemeindeutsche
Schicksal zu begründen. Eine Entfaltung
der Grundthese Worringers von der ewig
deutschen Gotik vollzog Richard Benz, der
den Protest gegen das Romanentum als
tiefste deutsche Sendung erkannte und damit
die Vision vom deutschen Wesen bestätigte,
die schon Dostojewski verkündet hatte (vgl.
besonders seine Politischen Schriften in der
deutschen Gesamtausgabe, herausgegeben
von Moeller van den Brück bei Piper). In
derselben Richtung ging Thomas Manns
Kampf gegen den Zivilisationsliteraten in
den „Betrachtungen eines Unpolitischen".
Während so durch tiefste denkerische Be-
mühung die geistige Westfront immer
fester ausgebaut wurde, unternahm Rudolf
Pannwitz den eigenartigen Versuch, die
französische Aufklärung und ihre Krönung
im napoleonischen Imperialismus kultur-
romantisch zu verherrlichen. In das um¬
fassende Gefüge dieser Jdeenentwicklung ge¬
hört auch als wesentliches Element Oswald
Spenglers großangelegtes Werk Der Unter¬
gang des Abendlandes, sowie die kleine und
gehaltvolle Schrift, mit der wir uns hier zu
beschäftigen haben.

Das Ziel der Untersuchung wird klar
gesehen und entschieden hingestellt: die Auf¬
gabe ist die Befreiung des deutschen Sozia-

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lismus vom undeutschen Marxismus, die
sachliche Grundvoraussetzung die Einheit alt¬
preußischen und sozialistischen Geistes. Die
Revolution ist gescheitert, weil in ihr Bebel-
sches Preußentum an Marxische Nnrrritik
verraten, Organisation durch kritischen Abbau
ersetzt wurde. Was unter den Jungen heute
vielfach als Westlertum bezeichnet wird,
bettet Spengler hier als Engländerinn in
die europäische Gesamtbewegung ein und
stellt es den beiden anderen neuzeitlichen
Weltgedmiken, dem von Spanien ausgehen¬
den Ultramontanismus und dem preußischen
Sozialismus gegenüber. Insbesondere dem
Gegensatz von Engländertum und Preußen¬
tum, Wikinger- und Ordensgeist, Privat¬
gesellschaft und Staatlichkeit, Liberalisinus
und Sozialismus gelten die vorliegenden
Untersuchungen. Der Weg des Preußischen
Sozialismus führt von Friedrich Wilhelm I.
über Bismarck und Bet'el in den August
1914. Aber diese Preußische Sendung ist
in der Novemberrevolution und ihrem Vor¬
läufer, der Parlamentarisierung, an den
englischen Gedanken verraten worden. Denn
englisch in diesem Sinne ist die Unterwerfung
des Staates unter Partei-Parlamentarismus,
Korruption und Schiebertum. Englische
Verzerrung ist aber vor allem der Marxismus.
Englisch ist seine Stnatlosigkeit, seine Ver¬
achtung der Arbeit, die sich ini Phäakeuidenl
des Zukunftsbildes ausspricht, englisch ist
seine eudämonistische Moral und seine Aus-
beutungsauffassung vom Kapital. Englischer
Wikingergeist sieht die Welt als Beute,
preußischer Ordensgeist als Aufgabe Verant¬
wortlicher Verwaltung. Sozialismus muß
sich in der altpreußischen Beamtengestunung,
die entsagender Dienst an der Gesamtheit
ist, wiedererkennen und auferbnucn. Der
schlimmste Feind dieses Preußischen Sozia¬
lismus, des Geistes faustischer Zivilisation,
ist nicht der deutsche Kapitalismus, sondern
der Pstmdosozinlismus der Ententeländer.
Sozialistische und konservative Grund¬
gesinnung begegnen sich im Zielbild der
Verwandlung des Arbeiters in einen Wirt-
schastsoeamten, deL Unternehmers in einen
verantwortlichen Verwaltungsbeamten und
des Eigentums in eine Art erblichen Lehens.
Mit dem deutschen Schicksal steht das Schicksal

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vgl. die Abhandlungen und Aufsätze,
die soeben unter dem Titel „Umsturz der
Werte" in zweiter Auflage im Neuen-Geist-
Verlag, Leipzig (2 Bünde. M. 28,—) er¬
schienen sind.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/75>, abgerufen am 29.07.2024.