Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Die türkische Frage und Italien Nichten. Kapitalistische und sozialistische Entartung arbeiten sich hier wahrhaft Unter welchen Masken der wahnwitzige Gedanke einer proletarischen Klassen¬ Die türkische Frage und Italien von Dalino Larnevali ( le Mittelmeerinteressen Italiens sind eng verbunden mit dem zu¬ Die türkische Frage und Italien Nichten. Kapitalistische und sozialistische Entartung arbeiten sich hier wahrhaft Unter welchen Masken der wahnwitzige Gedanke einer proletarischen Klassen¬ Die türkische Frage und Italien von Dalino Larnevali ( le Mittelmeerinteressen Italiens sind eng verbunden mit dem zu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0364" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337209"/> <fw type="header" place="top"> Die türkische Frage und Italien</fw><lb/> <p xml:id="ID_2453" prev="#ID_2452"> Nichten. Kapitalistische und sozialistische Entartung arbeiten sich hier wahrhaft<lb/> nihilistisch in die Hände. Positiver Aufbau ist auf dem so verseuchten Boden<lb/> unmöglich, eine Entbindung der bodenständigen nationalen Kräfte des deutschen<lb/> wie des russischen Volkes wird dadurch hoffnungslos untergraben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2454"> Unter welchen Masken der wahnwitzige Gedanke einer proletarischen Klassen¬<lb/> diktatur es -versuchen wird, sich in der fortschreitenden Versumpfung, der wir<lb/> entgegengehen, die deutsche Wirklichkeit zu erobern, das läßt sich heute schwer<lb/> übersehen. Die taktisch günstige Lage des Generalstreiks hat die Gewerkschaften<lb/> zu dem Versuch ermutigt, unmittelbaren Einfluß auf die Regierungsbildung zu<lb/> nehmen. Die organisatorische Rückständigkeit der oberen Stände gibt den prole¬<lb/> tarischen Berufskörperschaften einen unleugbaren Vorsprung. Nicht etwa der<lb/> klassenkämpferischs Zusammenschluß des gesamten Bürgertums in „Bürgerräten"<lb/> oder tgi., wohl aber die bestandhafte Durchgliederung auch der nichtproletarischen<lb/> Berufsgruppen und vor allem die Durchdringung der starren Schichtung nach<lb/> dem Grundsatz der Arbeitsgemeinschaft zeigt den Weg an, auf dem sich das<lb/> Bürgertum auf die nahe oder ferne Stunde rüsten muß, wo die Ersetzung oder<lb/> doch die Ergänzung des parlamentarischen durch ein korporatives System zur<lb/> unabweisbaren Notwendigkeit werden wird. An dieser Aufgabe können und<lb/> müssen alle diejenigen Kräfte mitarbeiten, die nicht mit der gesunden<lb/> Mitwirkung, wohl aber mit der verwucherten Allmacht der Parteien<lb/> aufräumen wollen. Die Klassendiktatur des Jndustrieproletariats der<lb/> Großstädte wäre ein wahnwitziger Versuch, der schon am natürlichen Widerstande<lb/> des Landes scheitern müßte, selbst wenn das Bürgertum dem Terror erliegen<lb/> und die Kraft zum einmütiger Widerstand nicht aufbringen sollte. Ueber den<lb/> Zeitpunkt der Gefahr kann man streiten, die Gefahr als solche ist kaum zu unter¬<lb/> schätzen. Weder von rechts noch von links, sondern nur von rechts und links ist<lb/> sie zu überwinden. Nicht die Klasse, nicht die Partei, nicht der einzelne Stand:<lb/> das Volk als unzerstörbare Leibeiuheit hat Heu e oder morgen zu entscheiden, ob<lb/> es gesunden und fortbestehen oder ob es in Blut und Schrecken untergehen will.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die türkische Frage und Italien<lb/><note type="byline"> von Dalino Larnevali (</note> </head><lb/> <p xml:id="ID_2455" next="#ID_2456"> le Mittelmeerinteressen Italiens sind eng verbunden mit dem zu¬<lb/> künftigen Geschick der Türkei, und deshalb werden für uns die Ent¬<lb/> scheidungen über dasselbe von größter Bedeutung sein, weil von<lb/> ihnen der Fortschritt beziehungsweise Rückschritt des wirtschaftlichen<lb/> Einflusses und der wirtschaftlichen Aktivität Italiens in der Levante<lb/> abhängen wird. Es ist daher nicht möglich, gleichgültig zu bleiben gegenüber<lb/> den einander entgegengesetzten Thesen, die inbezug auf Erhaltung oder Zerstörung<lb/> des türkischen Staates aufgestellt worden sind; denn es gibt keine Mittelmeer¬<lb/> macht, die in höherem Maße als Italien das Bedürfnis eines dauerhaften Friedens¬<lb/> zustandes im Orient empfindet. Aber um die Ursachen neuer, gefährlicherer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0364]
Die türkische Frage und Italien
Nichten. Kapitalistische und sozialistische Entartung arbeiten sich hier wahrhaft
nihilistisch in die Hände. Positiver Aufbau ist auf dem so verseuchten Boden
unmöglich, eine Entbindung der bodenständigen nationalen Kräfte des deutschen
wie des russischen Volkes wird dadurch hoffnungslos untergraben.
Unter welchen Masken der wahnwitzige Gedanke einer proletarischen Klassen¬
diktatur es -versuchen wird, sich in der fortschreitenden Versumpfung, der wir
entgegengehen, die deutsche Wirklichkeit zu erobern, das läßt sich heute schwer
übersehen. Die taktisch günstige Lage des Generalstreiks hat die Gewerkschaften
zu dem Versuch ermutigt, unmittelbaren Einfluß auf die Regierungsbildung zu
nehmen. Die organisatorische Rückständigkeit der oberen Stände gibt den prole¬
tarischen Berufskörperschaften einen unleugbaren Vorsprung. Nicht etwa der
klassenkämpferischs Zusammenschluß des gesamten Bürgertums in „Bürgerräten"
oder tgi., wohl aber die bestandhafte Durchgliederung auch der nichtproletarischen
Berufsgruppen und vor allem die Durchdringung der starren Schichtung nach
dem Grundsatz der Arbeitsgemeinschaft zeigt den Weg an, auf dem sich das
Bürgertum auf die nahe oder ferne Stunde rüsten muß, wo die Ersetzung oder
doch die Ergänzung des parlamentarischen durch ein korporatives System zur
unabweisbaren Notwendigkeit werden wird. An dieser Aufgabe können und
müssen alle diejenigen Kräfte mitarbeiten, die nicht mit der gesunden
Mitwirkung, wohl aber mit der verwucherten Allmacht der Parteien
aufräumen wollen. Die Klassendiktatur des Jndustrieproletariats der
Großstädte wäre ein wahnwitziger Versuch, der schon am natürlichen Widerstande
des Landes scheitern müßte, selbst wenn das Bürgertum dem Terror erliegen
und die Kraft zum einmütiger Widerstand nicht aufbringen sollte. Ueber den
Zeitpunkt der Gefahr kann man streiten, die Gefahr als solche ist kaum zu unter¬
schätzen. Weder von rechts noch von links, sondern nur von rechts und links ist
sie zu überwinden. Nicht die Klasse, nicht die Partei, nicht der einzelne Stand:
das Volk als unzerstörbare Leibeiuheit hat Heu e oder morgen zu entscheiden, ob
es gesunden und fortbestehen oder ob es in Blut und Schrecken untergehen will.
Die türkische Frage und Italien
von Dalino Larnevali (
le Mittelmeerinteressen Italiens sind eng verbunden mit dem zu¬
künftigen Geschick der Türkei, und deshalb werden für uns die Ent¬
scheidungen über dasselbe von größter Bedeutung sein, weil von
ihnen der Fortschritt beziehungsweise Rückschritt des wirtschaftlichen
Einflusses und der wirtschaftlichen Aktivität Italiens in der Levante
abhängen wird. Es ist daher nicht möglich, gleichgültig zu bleiben gegenüber
den einander entgegengesetzten Thesen, die inbezug auf Erhaltung oder Zerstörung
des türkischen Staates aufgestellt worden sind; denn es gibt keine Mittelmeer¬
macht, die in höherem Maße als Italien das Bedürfnis eines dauerhaften Friedens¬
zustandes im Orient empfindet. Aber um die Ursachen neuer, gefährlicherer
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |