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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Das Rappsche Abenteuer

Wie am Tage vorher den Hauptmann Karmann dringend fernzuhalten suchte
mit der Bemerkung, der "Reichskanzler" wäre so abgenutzt und müde usf. Nun war
in die GipLwand, mit welcher die Verschwörer Kapp umgeben hatten, Bresche
gchosM. Am Montag vormittag ließ Kapp durch General Märcker. der sich als
Vermittler betätigte, sieben Bedingungen für seinen Rücktritt an die nach Stuttgart
geflüchtete Negierung übermitteln. Der Generalstreik, welchen die Verschwörer am
eigenen Leibe zu spüren begannen, und dem sie ratlos gegenüberstanden, schuf
i" ihnen die seelischen Vorbedingungen zur nüchternen Aufnahme der aus dem
Reich einlaufenden Hiobsposten. Das schlechte Gewissen, der Katzenjammer
kroch überall heran.

Nur die eigentlichen Desperados sahen sich noch nach allerlei phantastischen
Möglichkeiten der Rettung um. für den Fall, daß die Stuttgarter Negierung
eine Verhandlung ablehnte. Noch am Dienstag nachmittag erklärte Hauptmann
Pabst. falls die Stuttgarter Regierung die Kapp'schen Bedingungen nicht restlos
annähme, auf eine Diktatur Däumig-Ludendorff zuzustreben. Däumig. der
Führer der unabhängigen Sozialisten in Berlin, wurde auf vier Uhr zur Be¬
sprechung in die Reichskanzlei gebeten. Er kam selbstverständlich nicht, aber
^ bezeichnet die Urteilsfähigkeit der unverantwortlichen Putschisten, daß sie
von einer Vereinigung der Militärdiktatur und der Generalstreikpartei träumten,
dazu noch in einem Augenblick, da die Wut der Arbeitermassen siedend auskochte.

Aber nicht nur auf Däumig wurde vergeblich gewartet. Auch uach
Stuttgart spähten die angstvollen Blicke Stunde um Stunde umsonst. Es
"^r seit Dienstag früh eine Drahtverbindnng von der Reichskanzlei nach
Stuttgart hergestellt worden. Nun hingen die Verschwörer buchstäblich an
diesem Draht. Er entschied über ihr Sein oder Nichtsein. Jedesmal, wenn
in den langen Stunden etwas in dem Apparat zu regen schien.
Witterten Bauer und Pabst zitternd vor Aufregung durch die Säle in den
Telephonraum heran. Und jedesmal kehrten sie enttäuscht wieder um. Herr
v- Berger. den sie als Vermittler in Stuttgart wußten, meldete sich nicht.
Warum war nur die Verbindung so schlecht?---In Wirklichkeit hatte
sich die Stuttaarter Regierung kategorisch geweigert, mit Herrn von Berger
überhaupt zu"verhandeln. Sie hat einzig General Märcker als Vermittler
""erkannt, und sein Geschäft erwies sich als undankbar.

Einmal glaubte Oberst Bauer doch im Apparat die Stimme Bergers
M vernehmen. Pochende Frage: "Wie steht es mit unsern sieben Bedingungen^Autwort: "Sie werden nicht angenommen werden." Frage: "Was dann?
Antwort: "Bedingungslose Unterwerfung gefordert." Bauer: "Dann fällt
die Verantwortung für das Blutvergießen auf die Stuttgarter." Oberst Bauer
wird erst beim Lesen dieser Zeilen erfahren, daß er dies Gespräch nicht und
B-rger, sondern mit dem Chef des Noskestabes geführt hat. mit dem er durch
ein Versehen verbunden worden war.

Die Kappleute bildeten sich, ich weiß nicht auf Grund welcher Meldung
ein. daß Ebert und Roste in der Furcht, zwischen rechts und links zerneven


Das Rappsche Abenteuer

Wie am Tage vorher den Hauptmann Karmann dringend fernzuhalten suchte
mit der Bemerkung, der „Reichskanzler" wäre so abgenutzt und müde usf. Nun war
in die GipLwand, mit welcher die Verschwörer Kapp umgeben hatten, Bresche
gchosM. Am Montag vormittag ließ Kapp durch General Märcker. der sich als
Vermittler betätigte, sieben Bedingungen für seinen Rücktritt an die nach Stuttgart
geflüchtete Negierung übermitteln. Der Generalstreik, welchen die Verschwörer am
eigenen Leibe zu spüren begannen, und dem sie ratlos gegenüberstanden, schuf
i" ihnen die seelischen Vorbedingungen zur nüchternen Aufnahme der aus dem
Reich einlaufenden Hiobsposten. Das schlechte Gewissen, der Katzenjammer
kroch überall heran.

Nur die eigentlichen Desperados sahen sich noch nach allerlei phantastischen
Möglichkeiten der Rettung um. für den Fall, daß die Stuttgarter Negierung
eine Verhandlung ablehnte. Noch am Dienstag nachmittag erklärte Hauptmann
Pabst. falls die Stuttgarter Regierung die Kapp'schen Bedingungen nicht restlos
annähme, auf eine Diktatur Däumig-Ludendorff zuzustreben. Däumig. der
Führer der unabhängigen Sozialisten in Berlin, wurde auf vier Uhr zur Be¬
sprechung in die Reichskanzlei gebeten. Er kam selbstverständlich nicht, aber
^ bezeichnet die Urteilsfähigkeit der unverantwortlichen Putschisten, daß sie
von einer Vereinigung der Militärdiktatur und der Generalstreikpartei träumten,
dazu noch in einem Augenblick, da die Wut der Arbeitermassen siedend auskochte.

Aber nicht nur auf Däumig wurde vergeblich gewartet. Auch uach
Stuttgart spähten die angstvollen Blicke Stunde um Stunde umsonst. Es
"^r seit Dienstag früh eine Drahtverbindnng von der Reichskanzlei nach
Stuttgart hergestellt worden. Nun hingen die Verschwörer buchstäblich an
diesem Draht. Er entschied über ihr Sein oder Nichtsein. Jedesmal, wenn
in den langen Stunden etwas in dem Apparat zu regen schien.
Witterten Bauer und Pabst zitternd vor Aufregung durch die Säle in den
Telephonraum heran. Und jedesmal kehrten sie enttäuscht wieder um. Herr
v- Berger. den sie als Vermittler in Stuttgart wußten, meldete sich nicht.
Warum war nur die Verbindung so schlecht?---In Wirklichkeit hatte
sich die Stuttaarter Regierung kategorisch geweigert, mit Herrn von Berger
überhaupt zu"verhandeln. Sie hat einzig General Märcker als Vermittler
«»erkannt, und sein Geschäft erwies sich als undankbar.

Einmal glaubte Oberst Bauer doch im Apparat die Stimme Bergers
M vernehmen. Pochende Frage: „Wie steht es mit unsern sieben Bedingungen^Autwort: „Sie werden nicht angenommen werden." Frage: „Was dann?
Antwort: „Bedingungslose Unterwerfung gefordert." Bauer: „Dann fällt
die Verantwortung für das Blutvergießen auf die Stuttgarter." Oberst Bauer
wird erst beim Lesen dieser Zeilen erfahren, daß er dies Gespräch nicht und
B-rger, sondern mit dem Chef des Noskestabes geführt hat. mit dem er durch
ein Versehen verbunden worden war.

Die Kappleute bildeten sich, ich weiß nicht auf Grund welcher Meldung
ein. daß Ebert und Roste in der Furcht, zwischen rechts und links zerneven


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[0353] Das Rappsche Abenteuer Wie am Tage vorher den Hauptmann Karmann dringend fernzuhalten suchte mit der Bemerkung, der „Reichskanzler" wäre so abgenutzt und müde usf. Nun war in die GipLwand, mit welcher die Verschwörer Kapp umgeben hatten, Bresche gchosM. Am Montag vormittag ließ Kapp durch General Märcker. der sich als Vermittler betätigte, sieben Bedingungen für seinen Rücktritt an die nach Stuttgart geflüchtete Negierung übermitteln. Der Generalstreik, welchen die Verschwörer am eigenen Leibe zu spüren begannen, und dem sie ratlos gegenüberstanden, schuf i" ihnen die seelischen Vorbedingungen zur nüchternen Aufnahme der aus dem Reich einlaufenden Hiobsposten. Das schlechte Gewissen, der Katzenjammer kroch überall heran. Nur die eigentlichen Desperados sahen sich noch nach allerlei phantastischen Möglichkeiten der Rettung um. für den Fall, daß die Stuttgarter Negierung eine Verhandlung ablehnte. Noch am Dienstag nachmittag erklärte Hauptmann Pabst. falls die Stuttgarter Regierung die Kapp'schen Bedingungen nicht restlos annähme, auf eine Diktatur Däumig-Ludendorff zuzustreben. Däumig. der Führer der unabhängigen Sozialisten in Berlin, wurde auf vier Uhr zur Be¬ sprechung in die Reichskanzlei gebeten. Er kam selbstverständlich nicht, aber ^ bezeichnet die Urteilsfähigkeit der unverantwortlichen Putschisten, daß sie von einer Vereinigung der Militärdiktatur und der Generalstreikpartei träumten, dazu noch in einem Augenblick, da die Wut der Arbeitermassen siedend auskochte. Aber nicht nur auf Däumig wurde vergeblich gewartet. Auch uach Stuttgart spähten die angstvollen Blicke Stunde um Stunde umsonst. Es "^r seit Dienstag früh eine Drahtverbindnng von der Reichskanzlei nach Stuttgart hergestellt worden. Nun hingen die Verschwörer buchstäblich an diesem Draht. Er entschied über ihr Sein oder Nichtsein. Jedesmal, wenn in den langen Stunden etwas in dem Apparat zu regen schien. Witterten Bauer und Pabst zitternd vor Aufregung durch die Säle in den Telephonraum heran. Und jedesmal kehrten sie enttäuscht wieder um. Herr v- Berger. den sie als Vermittler in Stuttgart wußten, meldete sich nicht. Warum war nur die Verbindung so schlecht?---In Wirklichkeit hatte sich die Stuttaarter Regierung kategorisch geweigert, mit Herrn von Berger überhaupt zu"verhandeln. Sie hat einzig General Märcker als Vermittler «»erkannt, und sein Geschäft erwies sich als undankbar. Einmal glaubte Oberst Bauer doch im Apparat die Stimme Bergers M vernehmen. Pochende Frage: „Wie steht es mit unsern sieben Bedingungen^Autwort: „Sie werden nicht angenommen werden." Frage: „Was dann? Antwort: „Bedingungslose Unterwerfung gefordert." Bauer: „Dann fällt die Verantwortung für das Blutvergießen auf die Stuttgarter." Oberst Bauer wird erst beim Lesen dieser Zeilen erfahren, daß er dies Gespräch nicht und B-rger, sondern mit dem Chef des Noskestabes geführt hat. mit dem er durch ein Versehen verbunden worden war. Die Kappleute bildeten sich, ich weiß nicht auf Grund welcher Meldung ein. daß Ebert und Roste in der Furcht, zwischen rechts und links zerneven

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/353>, abgerufen am 22.12.2024.