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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

ganz anderes, nämlich das Sinken der Hochbildung: Bei der ungeheuren
Wichtigkeit der Frage sollte man sie zuerst in einer Reihe von Versuchs-
schulen klären.

Es hat fast den Anschein, als sollte nach dem Prinzip, das den "Entwurf
eines Gesetzes betreffend die Grundschulen" regelt, auch weiter verfahren werden.
Das bringt die unendliche Gefahr, daß von jetzt ab nicht mehr die Leistungen
des Durchschnitts, sondern die der Schüler, die nicht recht vorwärts kommen, zu"
gründe gelegt würden. Alles in allem hat das Grundschulgesetz diese Tendenz.
Sie ist außerordentlich gefährlich. Gerade die Freunde der Einheitsschule haben
früher stets hervorgehoben, sie wünschten eine "schwere" Schule Nur dann kann
si .
Prof. Dr. Paul Hildebrandt e den Segen bringen, den wir von ihr erwarten.




Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]
Der Treueid der Beamte".

In der
letzten Zeit sind bei den meisten Behörden
die Beamten auf die Reichsverfassung ver¬
eiset worden. Die Geschichte dieser Eides¬
leistung ist für unsere Zustände bezeichnend.
Auf Grund des Artikel 17ö der Reichsver¬
fassung hatte der Reichspräsident verordnet,
daß die Beamten den Eid mit den Worten
zu leisten haben: "Ich schwöre Treue der
Reichsverfassung," Mau beachte den Wort¬
laut. Es soll nicht etwa nur die Beobach¬
tung der Reichsverfassung oder Gehorsam
gegen diese versprochen werden, sondern aus¬
drücklich und mit einem klaren und nicht
deutelbaren Wort "Treue". Selbstverständ¬
lich ist dieser feierliche Ausdruck nicht zu¬
fällig gewählt worden, sondern in einer
ganz bestimmten Absicht. Der Eid, den der
Preußische Beamte dem Könige von Preußen
zu leisten hatte, lautete: "Ich . . . schwöre
zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden,
daß seiner Königlichen Majestät von Preußen,
meinem Allergnädigsten Herrn, ich untertänig,
treu und gehorsam sein und alle mir ver¬
möge meines Amtes obliegenden Pflichten
nach meinem besten Wissen und Gewissen
genau erfüllen, auch die Verfassung gewissen¬
haft beobachten will, so wahr mir Gott helfe."
In diesem Eid ward also Treue dem Könige
und gewissenhafte Beobachtung der Verfassung
versprochen und die alte königliche Regierung
hat diesen Eid stets so ausgelegt, daß sich
der Beamte über die bloße Beobachtung der
.Verfassung und der Gesetze hinaus zu einer
besonderen persönlichen Treue gegenüber
dem Landesherrn verpflichtete, auf Grund
deren es für ihn namentlich unzulässig sei,

[Spaltenumbruch]

sich an umstürzlerischen und ähnlichen Be¬
strebungen zu beteiligen. Die Demokratie
und die Sozialdemokratie aber haben diese
Auffassung vor der Revolution stets bekämpft
und haben den Standpunkt vertreten, der
Beamte sei in der Ausübung der Politischen
Rechte ebenso frei wie jeder andere Bürger.
Nun ist die Monarchie verschwunden und die
Sozialdemokratie nebst ihrem Anhang regiert,
aber die Formel, mit der der Beamte "Treue"
verspricht, verschwindet nicht nur nicht, sondern
die Treue erscheint jetzt sogar als einziger
Inhalt des EidesII Gegen diese Eidesformel
regte sich in der Beamtenschaft Widerspruch,
weil zahlreiche Beamte die Abgabe eines
solchen Versprechens nicht mit ihrem Ge¬
wissen vereinbaren konnten und es nach ihrer.
Vergangenheit und den Überlieferungen, in
denen sie erzogen worden waren, nicht ohne
weiteres fertig bringen konnten, einen auf
die Verfassung geleisteten Eid nach berühmten
Mustern als "Zwirnsfaden" abzutun. Und
was geschah nun? Die Reichsregierung
"erläuterte" die Eidesformel dahin, daß die.
Beamten damit nichts anderes versprachen,
als im Dienste die Verfassung anzuwenden
und daß ihre staatsbürgerlichen Rechte,
namentlich Artikel 180 der Reichsverfassung,
nach welchem ihnen die Freiheit ihrer poli¬
tischen Gesinnung gewährleistet Wird, durch
diesen Eid nicht berührt würden. Diese
Auslegung ist den Beamten von den Vor¬
ständen ihrer Behörden vor der Eidesleistung
ausdrücklich mitgeteilt worden und erst nach
dieser Auslegung und auf Grund dieser
Auslegung haben die Beamten den Eid
geleistet. Nun ist das, was sich hier Scham-

[Ende Spaltensatz]
Drinnen und draußen

ganz anderes, nämlich das Sinken der Hochbildung: Bei der ungeheuren
Wichtigkeit der Frage sollte man sie zuerst in einer Reihe von Versuchs-
schulen klären.

Es hat fast den Anschein, als sollte nach dem Prinzip, das den „Entwurf
eines Gesetzes betreffend die Grundschulen" regelt, auch weiter verfahren werden.
Das bringt die unendliche Gefahr, daß von jetzt ab nicht mehr die Leistungen
des Durchschnitts, sondern die der Schüler, die nicht recht vorwärts kommen, zu»
gründe gelegt würden. Alles in allem hat das Grundschulgesetz diese Tendenz.
Sie ist außerordentlich gefährlich. Gerade die Freunde der Einheitsschule haben
früher stets hervorgehoben, sie wünschten eine „schwere" Schule Nur dann kann
si .
Prof. Dr. Paul Hildebrandt e den Segen bringen, den wir von ihr erwarten.




Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]
Der Treueid der Beamte».

In der
letzten Zeit sind bei den meisten Behörden
die Beamten auf die Reichsverfassung ver¬
eiset worden. Die Geschichte dieser Eides¬
leistung ist für unsere Zustände bezeichnend.
Auf Grund des Artikel 17ö der Reichsver¬
fassung hatte der Reichspräsident verordnet,
daß die Beamten den Eid mit den Worten
zu leisten haben: „Ich schwöre Treue der
Reichsverfassung," Mau beachte den Wort¬
laut. Es soll nicht etwa nur die Beobach¬
tung der Reichsverfassung oder Gehorsam
gegen diese versprochen werden, sondern aus¬
drücklich und mit einem klaren und nicht
deutelbaren Wort „Treue". Selbstverständ¬
lich ist dieser feierliche Ausdruck nicht zu¬
fällig gewählt worden, sondern in einer
ganz bestimmten Absicht. Der Eid, den der
Preußische Beamte dem Könige von Preußen
zu leisten hatte, lautete: „Ich . . . schwöre
zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden,
daß seiner Königlichen Majestät von Preußen,
meinem Allergnädigsten Herrn, ich untertänig,
treu und gehorsam sein und alle mir ver¬
möge meines Amtes obliegenden Pflichten
nach meinem besten Wissen und Gewissen
genau erfüllen, auch die Verfassung gewissen¬
haft beobachten will, so wahr mir Gott helfe."
In diesem Eid ward also Treue dem Könige
und gewissenhafte Beobachtung der Verfassung
versprochen und die alte königliche Regierung
hat diesen Eid stets so ausgelegt, daß sich
der Beamte über die bloße Beobachtung der
.Verfassung und der Gesetze hinaus zu einer
besonderen persönlichen Treue gegenüber
dem Landesherrn verpflichtete, auf Grund
deren es für ihn namentlich unzulässig sei,

[Spaltenumbruch]

sich an umstürzlerischen und ähnlichen Be¬
strebungen zu beteiligen. Die Demokratie
und die Sozialdemokratie aber haben diese
Auffassung vor der Revolution stets bekämpft
und haben den Standpunkt vertreten, der
Beamte sei in der Ausübung der Politischen
Rechte ebenso frei wie jeder andere Bürger.
Nun ist die Monarchie verschwunden und die
Sozialdemokratie nebst ihrem Anhang regiert,
aber die Formel, mit der der Beamte „Treue"
verspricht, verschwindet nicht nur nicht, sondern
die Treue erscheint jetzt sogar als einziger
Inhalt des EidesII Gegen diese Eidesformel
regte sich in der Beamtenschaft Widerspruch,
weil zahlreiche Beamte die Abgabe eines
solchen Versprechens nicht mit ihrem Ge¬
wissen vereinbaren konnten und es nach ihrer.
Vergangenheit und den Überlieferungen, in
denen sie erzogen worden waren, nicht ohne
weiteres fertig bringen konnten, einen auf
die Verfassung geleisteten Eid nach berühmten
Mustern als „Zwirnsfaden" abzutun. Und
was geschah nun? Die Reichsregierung
„erläuterte" die Eidesformel dahin, daß die.
Beamten damit nichts anderes versprachen,
als im Dienste die Verfassung anzuwenden
und daß ihre staatsbürgerlichen Rechte,
namentlich Artikel 180 der Reichsverfassung,
nach welchem ihnen die Freiheit ihrer poli¬
tischen Gesinnung gewährleistet Wird, durch
diesen Eid nicht berührt würden. Diese
Auslegung ist den Beamten von den Vor¬
ständen ihrer Behörden vor der Eidesleistung
ausdrücklich mitgeteilt worden und erst nach
dieser Auslegung und auf Grund dieser
Auslegung haben die Beamten den Eid
geleistet. Nun ist das, was sich hier Scham-

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[0318] Drinnen und draußen ganz anderes, nämlich das Sinken der Hochbildung: Bei der ungeheuren Wichtigkeit der Frage sollte man sie zuerst in einer Reihe von Versuchs- schulen klären. Es hat fast den Anschein, als sollte nach dem Prinzip, das den „Entwurf eines Gesetzes betreffend die Grundschulen" regelt, auch weiter verfahren werden. Das bringt die unendliche Gefahr, daß von jetzt ab nicht mehr die Leistungen des Durchschnitts, sondern die der Schüler, die nicht recht vorwärts kommen, zu» gründe gelegt würden. Alles in allem hat das Grundschulgesetz diese Tendenz. Sie ist außerordentlich gefährlich. Gerade die Freunde der Einheitsschule haben früher stets hervorgehoben, sie wünschten eine „schwere" Schule Nur dann kann si . Prof. Dr. Paul Hildebrandt e den Segen bringen, den wir von ihr erwarten. Drinnen und draußen Der Treueid der Beamte». In der letzten Zeit sind bei den meisten Behörden die Beamten auf die Reichsverfassung ver¬ eiset worden. Die Geschichte dieser Eides¬ leistung ist für unsere Zustände bezeichnend. Auf Grund des Artikel 17ö der Reichsver¬ fassung hatte der Reichspräsident verordnet, daß die Beamten den Eid mit den Worten zu leisten haben: „Ich schwöre Treue der Reichsverfassung," Mau beachte den Wort¬ laut. Es soll nicht etwa nur die Beobach¬ tung der Reichsverfassung oder Gehorsam gegen diese versprochen werden, sondern aus¬ drücklich und mit einem klaren und nicht deutelbaren Wort „Treue". Selbstverständ¬ lich ist dieser feierliche Ausdruck nicht zu¬ fällig gewählt worden, sondern in einer ganz bestimmten Absicht. Der Eid, den der Preußische Beamte dem Könige von Preußen zu leisten hatte, lautete: „Ich . . . schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß seiner Königlichen Majestät von Preußen, meinem Allergnädigsten Herrn, ich untertänig, treu und gehorsam sein und alle mir ver¬ möge meines Amtes obliegenden Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewissen genau erfüllen, auch die Verfassung gewissen¬ haft beobachten will, so wahr mir Gott helfe." In diesem Eid ward also Treue dem Könige und gewissenhafte Beobachtung der Verfassung versprochen und die alte königliche Regierung hat diesen Eid stets so ausgelegt, daß sich der Beamte über die bloße Beobachtung der .Verfassung und der Gesetze hinaus zu einer besonderen persönlichen Treue gegenüber dem Landesherrn verpflichtete, auf Grund deren es für ihn namentlich unzulässig sei, sich an umstürzlerischen und ähnlichen Be¬ strebungen zu beteiligen. Die Demokratie und die Sozialdemokratie aber haben diese Auffassung vor der Revolution stets bekämpft und haben den Standpunkt vertreten, der Beamte sei in der Ausübung der Politischen Rechte ebenso frei wie jeder andere Bürger. Nun ist die Monarchie verschwunden und die Sozialdemokratie nebst ihrem Anhang regiert, aber die Formel, mit der der Beamte „Treue" verspricht, verschwindet nicht nur nicht, sondern die Treue erscheint jetzt sogar als einziger Inhalt des EidesII Gegen diese Eidesformel regte sich in der Beamtenschaft Widerspruch, weil zahlreiche Beamte die Abgabe eines solchen Versprechens nicht mit ihrem Ge¬ wissen vereinbaren konnten und es nach ihrer. Vergangenheit und den Überlieferungen, in denen sie erzogen worden waren, nicht ohne weiteres fertig bringen konnten, einen auf die Verfassung geleisteten Eid nach berühmten Mustern als „Zwirnsfaden" abzutun. Und was geschah nun? Die Reichsregierung „erläuterte" die Eidesformel dahin, daß die. Beamten damit nichts anderes versprachen, als im Dienste die Verfassung anzuwenden und daß ihre staatsbürgerlichen Rechte, namentlich Artikel 180 der Reichsverfassung, nach welchem ihnen die Freiheit ihrer poli¬ tischen Gesinnung gewährleistet Wird, durch diesen Eid nicht berührt würden. Diese Auslegung ist den Beamten von den Vor¬ ständen ihrer Behörden vor der Eidesleistung ausdrücklich mitgeteilt worden und erst nach dieser Auslegung und auf Grund dieser Auslegung haben die Beamten den Eid geleistet. Nun ist das, was sich hier Scham-

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/318>, abgerufen am 22.12.2024.