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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Jährliche Ausgaben vom Reich, Einzelstciaten
oder Gemeinden von 1914......4,8 Milliarden,
Ebenso nach Erzbergers Voranschlag für 192024
41Tatsächlich voraussichtlich
Zunahme der jetzt aus etwa 259 Milliarden
angewachsenen Reichsschuld monatlich im
Kriege ............2
41/2Jetzt

Die Folge ist der bekannte Valutastand, die baldige Unmöglichkeit, im
Auslande weiter zu kaufen, als durch Verschleuderung aller unserer Realwerte,
die wir mit Geld nicht mehr bezahle" können, der Ausverkauf und die völlige
Verarmung Deutschlands, eine Preissteigerung ohne Ende,

Die Preissteigerung ohne Ende ist aber letzten Endes eines der Anzeichen
des Bolschewismus. Denn Arbeiter und Produzenten, die nicht von den Roh¬
stoffen des Auslandes abhängig sind, können zwar auch ihrerseits immer höhere
Löhne und Preise verlangen und so zu scheinbarem Reichtum gelangen. Alle
übrigen aber nicht. Schon der deutsche Uhrmacher wird ärmer mit jeder Uhr,
die er verkauft, denn er kann in der Schweiz keine neuen Uhren mehr kaufen, weil
er sie nicht bezahlen kann. Ebenso ist jede Fabrik zum Stillstand gezwungen, die
Rohstoffe aus dem Allslande braucht. Vor allem ist das große Heer der Staats¬
gläubiger, Staatsangestellten und besonders der Pensionäre, Kriegsinvaliden und
-Hinterbliebenen erbarmungslos dem Untergänge geweiht, so sehr sich auch Herr
Erzberger bemüht, durch höhere Gehälter (aber nicht Pellsionen), für die der
Staat keine Deckung hat, die Beamten der Revolutionsregierung zu verpflichten.

Aber damit schafft die Regierung noch kein Brot, keine Stiefel und Kleider,
nild es kommt über kurz oder lang, wahrscheinlich aber sehr bald die Zeit, da
die Leute sich das, was ihnen fehlt, bei den Reichen oder Verkäufern und Produ¬
zenten holen. Denn sie brauchen es, Geld haben sie nicht, dafür aber eine durch
die Revolution in weitesten Kreisen völlig zurückgegangene Moral, die Skrupel
in der Not uicht mehr kennt.

Auf diese Weise sinken immer weitere Kreise des Mittelstandes nicht nur
in das Proletariat, sondern in das Schiebertum und Verbrechertum, dein die
Staatsgewalt jetzt nicht mehr zu steuern vermag. Je bessere Löhne
die Arbeiter erhalten, je welliger die Gebildeten sich leisten können, ihre
Löhne die Arbeiter erhalten, je weniger die Gebildeten sich leisten können, ihre
Söhne studieren zu lassen, je geringeren Wert für das äußere Fortkommen
Bildung und Examina haben, je größeren Vorteil aber die Schieberbcgabung
einbringt, um so mehr wird das Proletariat zu Ehren kommen, der Mittelstand
Hungers sterben oder aus Opportunismus in den Dienst des Proletariats treten,
und um so üblere Elemente werden sich in die Klasse der oberen, der besitzenden
Zehntausend hineinschieben. Bei diesen Aussichten ist die Haltung der Reichs¬
wehr von entscheidender Bedeutung. Das weiß die Regierung. Deshalb sucht
sie sie durch unerhörte Löhne und Gehälter bei niedrigen Pensionen an sich M
fesseln und an der Futterkrippe der Revolutionsregierung festzuhalten.") Aber



") Vgl. die kürzlich Manne gegebenen Vesoldungspläne.
Jährliche Ausgaben vom Reich, Einzelstciaten
oder Gemeinden von 1914......4,8 Milliarden,
Ebenso nach Erzbergers Voranschlag für 192024
41Tatsächlich voraussichtlich
Zunahme der jetzt aus etwa 259 Milliarden
angewachsenen Reichsschuld monatlich im
Kriege ............2
41/2Jetzt

Die Folge ist der bekannte Valutastand, die baldige Unmöglichkeit, im
Auslande weiter zu kaufen, als durch Verschleuderung aller unserer Realwerte,
die wir mit Geld nicht mehr bezahle« können, der Ausverkauf und die völlige
Verarmung Deutschlands, eine Preissteigerung ohne Ende,

Die Preissteigerung ohne Ende ist aber letzten Endes eines der Anzeichen
des Bolschewismus. Denn Arbeiter und Produzenten, die nicht von den Roh¬
stoffen des Auslandes abhängig sind, können zwar auch ihrerseits immer höhere
Löhne und Preise verlangen und so zu scheinbarem Reichtum gelangen. Alle
übrigen aber nicht. Schon der deutsche Uhrmacher wird ärmer mit jeder Uhr,
die er verkauft, denn er kann in der Schweiz keine neuen Uhren mehr kaufen, weil
er sie nicht bezahlen kann. Ebenso ist jede Fabrik zum Stillstand gezwungen, die
Rohstoffe aus dem Allslande braucht. Vor allem ist das große Heer der Staats¬
gläubiger, Staatsangestellten und besonders der Pensionäre, Kriegsinvaliden und
-Hinterbliebenen erbarmungslos dem Untergänge geweiht, so sehr sich auch Herr
Erzberger bemüht, durch höhere Gehälter (aber nicht Pellsionen), für die der
Staat keine Deckung hat, die Beamten der Revolutionsregierung zu verpflichten.

Aber damit schafft die Regierung noch kein Brot, keine Stiefel und Kleider,
nild es kommt über kurz oder lang, wahrscheinlich aber sehr bald die Zeit, da
die Leute sich das, was ihnen fehlt, bei den Reichen oder Verkäufern und Produ¬
zenten holen. Denn sie brauchen es, Geld haben sie nicht, dafür aber eine durch
die Revolution in weitesten Kreisen völlig zurückgegangene Moral, die Skrupel
in der Not uicht mehr kennt.

Auf diese Weise sinken immer weitere Kreise des Mittelstandes nicht nur
in das Proletariat, sondern in das Schiebertum und Verbrechertum, dein die
Staatsgewalt jetzt nicht mehr zu steuern vermag. Je bessere Löhne
die Arbeiter erhalten, je welliger die Gebildeten sich leisten können, ihre
Löhne die Arbeiter erhalten, je weniger die Gebildeten sich leisten können, ihre
Söhne studieren zu lassen, je geringeren Wert für das äußere Fortkommen
Bildung und Examina haben, je größeren Vorteil aber die Schieberbcgabung
einbringt, um so mehr wird das Proletariat zu Ehren kommen, der Mittelstand
Hungers sterben oder aus Opportunismus in den Dienst des Proletariats treten,
und um so üblere Elemente werden sich in die Klasse der oberen, der besitzenden
Zehntausend hineinschieben. Bei diesen Aussichten ist die Haltung der Reichs¬
wehr von entscheidender Bedeutung. Das weiß die Regierung. Deshalb sucht
sie sie durch unerhörte Löhne und Gehälter bei niedrigen Pensionen an sich M
fesseln und an der Futterkrippe der Revolutionsregierung festzuhalten.") Aber



") Vgl. die kürzlich Manne gegebenen Vesoldungspläne.
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[0264] Jährliche Ausgaben vom Reich, Einzelstciaten oder Gemeinden von 1914......4,8 Milliarden, Ebenso nach Erzbergers Voranschlag für 192024 41Tatsächlich voraussichtlich Zunahme der jetzt aus etwa 259 Milliarden angewachsenen Reichsschuld monatlich im Kriege ............2 41/2Jetzt Die Folge ist der bekannte Valutastand, die baldige Unmöglichkeit, im Auslande weiter zu kaufen, als durch Verschleuderung aller unserer Realwerte, die wir mit Geld nicht mehr bezahle« können, der Ausverkauf und die völlige Verarmung Deutschlands, eine Preissteigerung ohne Ende, Die Preissteigerung ohne Ende ist aber letzten Endes eines der Anzeichen des Bolschewismus. Denn Arbeiter und Produzenten, die nicht von den Roh¬ stoffen des Auslandes abhängig sind, können zwar auch ihrerseits immer höhere Löhne und Preise verlangen und so zu scheinbarem Reichtum gelangen. Alle übrigen aber nicht. Schon der deutsche Uhrmacher wird ärmer mit jeder Uhr, die er verkauft, denn er kann in der Schweiz keine neuen Uhren mehr kaufen, weil er sie nicht bezahlen kann. Ebenso ist jede Fabrik zum Stillstand gezwungen, die Rohstoffe aus dem Allslande braucht. Vor allem ist das große Heer der Staats¬ gläubiger, Staatsangestellten und besonders der Pensionäre, Kriegsinvaliden und -Hinterbliebenen erbarmungslos dem Untergänge geweiht, so sehr sich auch Herr Erzberger bemüht, durch höhere Gehälter (aber nicht Pellsionen), für die der Staat keine Deckung hat, die Beamten der Revolutionsregierung zu verpflichten. Aber damit schafft die Regierung noch kein Brot, keine Stiefel und Kleider, nild es kommt über kurz oder lang, wahrscheinlich aber sehr bald die Zeit, da die Leute sich das, was ihnen fehlt, bei den Reichen oder Verkäufern und Produ¬ zenten holen. Denn sie brauchen es, Geld haben sie nicht, dafür aber eine durch die Revolution in weitesten Kreisen völlig zurückgegangene Moral, die Skrupel in der Not uicht mehr kennt. Auf diese Weise sinken immer weitere Kreise des Mittelstandes nicht nur in das Proletariat, sondern in das Schiebertum und Verbrechertum, dein die Staatsgewalt jetzt nicht mehr zu steuern vermag. Je bessere Löhne die Arbeiter erhalten, je welliger die Gebildeten sich leisten können, ihre Löhne die Arbeiter erhalten, je weniger die Gebildeten sich leisten können, ihre Söhne studieren zu lassen, je geringeren Wert für das äußere Fortkommen Bildung und Examina haben, je größeren Vorteil aber die Schieberbcgabung einbringt, um so mehr wird das Proletariat zu Ehren kommen, der Mittelstand Hungers sterben oder aus Opportunismus in den Dienst des Proletariats treten, und um so üblere Elemente werden sich in die Klasse der oberen, der besitzenden Zehntausend hineinschieben. Bei diesen Aussichten ist die Haltung der Reichs¬ wehr von entscheidender Bedeutung. Das weiß die Regierung. Deshalb sucht sie sie durch unerhörte Löhne und Gehälter bei niedrigen Pensionen an sich M fesseln und an der Futterkrippe der Revolutionsregierung festzuhalten.") Aber ") Vgl. die kürzlich Manne gegebenen Vesoldungspläne.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/264>, abgerufen am 27.07.2024.