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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Internationale oder interalliierte Wissenschaft?

Zu dem unentbehrlichen Handwerkszeug der wissenschaftlichen Forschung
gehören auch die periodisch erscheinenden Berichte über die Fortschritte der ein-
zelnen Wissenschaften. Schon seit einem Jahrhundert sind diese Hilfsmittel
(Jahresberichte, Zentralblälter) bei uns zu einer Vollkommenheit entwickelt, daß
ihnen im Auslande nichts an die Seite gestellt werden konnte. Nur die Ent¬
sagung geschulter junger Mitarbeiter ermöglichte ihre Herstellung. Auch die will
man beseitigen. Durch eine schnelle Berichterstattung (Austausch von Druckboo.er,
Auszüge der Verfasser) hofft man einen genügenden Anreiz für die Beschaffung
der Berichte zu erwecken. Aber noch ist man sich in den einander nahestehenden
Fachkreisen (so z. B. auf dem Gebiete der Chemie in England und Amerika)
nicht einig, wie man die Berichte abfassen soll, um den Hauptzweck zu erreichen,
daß sie dem Leser die Durchsicht der Originaluntersuchung ersparen soll.

In Deutschland ist man aber erst recht in der Lage, diese wissenschaftlichen
Hilfsmittel aufrecht zu erhalten. Mit großer Entschlossenheit hat man die nöti¬
gen Schritte getan, um die wissenschaftliche Berichterstattung trotz der gewaltigen
Kosten, die die Beschaffung der Zeitschriften und die Drucklegung erfordert, lücken¬
los fortzuführen und weiter auszubilden, -- nicht als Propagandamittel für
deutsche Arbeit und Wesen, sondern als bescheidenes Mittel, um Wissenschaft und
der eng mit ihr verbundenen Technik die Übersicht über wissenschaftlichen und
wirtschaftlichen Fortschritt zu sichern. Wenn auch künftig die Mehrzahl der Ar¬
beiten deutsch sein sollte, so wird das nicht daran liegen, daß die deutsche Arbeit
sich in den Vordergrund drängt.

Und weiter werden diese Arbeiten mit deutschen Apparaten, JnftrumeiUen
und technischen Hilfsmitteln erzielt werden. Sie vor allem möchte die inter¬
nationale Organisation beseitigen. Aber auch hier fehlt die Voraussetzung, im
Auslande das Rüstzeug der Wissenschaft in einem solchen Umfange zu schaffen,
um auch nur die durch den Weltkrieg entstandenen Lücken auszufüllen. Wo kann
man so viele gute und billige, nach heutigem Maßstabe allzubillige, für den Arzt
unentbehrliche Mikroskope und Glasgeräte, für den Seefahrer, Kolonialbeamtcn
und Bergingenieur erforderliche Fernrohre, Theodolite, Lotungs- und andere
Meßapparate bekommen? Deutschlands Erzeugnisse sind maßgebend gewesen
und werden es fein, fo lange gering bezahlte wissenschaftliche und besser bezahlte
technische Kräfte in gemeinsamer Tätigkeit verständnisvoll zusammenwirken.

Durch diese Umstände ist Deutschland in die Lage gesetzt, noch lange seine
wissenschaftliche Tätigkeit aufrecht zu erhalten, ohne der Hilfsmittel des Aus¬
landes zu bedürfen. Auf manchen Gebieten, so auf dem des Maß- und Ge¬
wichtswesens ist es bestrebt, sich ganz unabhängig zu machen. Z. B. wird sich
mit Hilfe neuer Apparate, die die Länge eines Meters in Wellenlängen zu
messen gestatten, eine Vergleichung des deutschen Urmaßes rin dem Pariser inier-
nationalen Urmaß erübrigen.

Auch auf literarischem Gebiete werden wir voraussichtlich wieder bald selbst-
ständig sein, wenn die Bestrebungen von Erfolg sein werden, die deutschen
Akademien mit den wissenschaftlichen und technischen Vereinen zu einer großen
Arbeitsgemeinschaft zusammenzuschließen-, zunächst zu dem Zwecke, die Veröffent¬
lichungen des Auslandes leicht zugänglich zu machen. Aber diese Gemeinschaft
kann auch leicht einen großen Einfluß nach der Richtung hin gewinnen, daß den


Internationale oder interalliierte Wissenschaft?

Zu dem unentbehrlichen Handwerkszeug der wissenschaftlichen Forschung
gehören auch die periodisch erscheinenden Berichte über die Fortschritte der ein-
zelnen Wissenschaften. Schon seit einem Jahrhundert sind diese Hilfsmittel
(Jahresberichte, Zentralblälter) bei uns zu einer Vollkommenheit entwickelt, daß
ihnen im Auslande nichts an die Seite gestellt werden konnte. Nur die Ent¬
sagung geschulter junger Mitarbeiter ermöglichte ihre Herstellung. Auch die will
man beseitigen. Durch eine schnelle Berichterstattung (Austausch von Druckboo.er,
Auszüge der Verfasser) hofft man einen genügenden Anreiz für die Beschaffung
der Berichte zu erwecken. Aber noch ist man sich in den einander nahestehenden
Fachkreisen (so z. B. auf dem Gebiete der Chemie in England und Amerika)
nicht einig, wie man die Berichte abfassen soll, um den Hauptzweck zu erreichen,
daß sie dem Leser die Durchsicht der Originaluntersuchung ersparen soll.

In Deutschland ist man aber erst recht in der Lage, diese wissenschaftlichen
Hilfsmittel aufrecht zu erhalten. Mit großer Entschlossenheit hat man die nöti¬
gen Schritte getan, um die wissenschaftliche Berichterstattung trotz der gewaltigen
Kosten, die die Beschaffung der Zeitschriften und die Drucklegung erfordert, lücken¬
los fortzuführen und weiter auszubilden, — nicht als Propagandamittel für
deutsche Arbeit und Wesen, sondern als bescheidenes Mittel, um Wissenschaft und
der eng mit ihr verbundenen Technik die Übersicht über wissenschaftlichen und
wirtschaftlichen Fortschritt zu sichern. Wenn auch künftig die Mehrzahl der Ar¬
beiten deutsch sein sollte, so wird das nicht daran liegen, daß die deutsche Arbeit
sich in den Vordergrund drängt.

Und weiter werden diese Arbeiten mit deutschen Apparaten, JnftrumeiUen
und technischen Hilfsmitteln erzielt werden. Sie vor allem möchte die inter¬
nationale Organisation beseitigen. Aber auch hier fehlt die Voraussetzung, im
Auslande das Rüstzeug der Wissenschaft in einem solchen Umfange zu schaffen,
um auch nur die durch den Weltkrieg entstandenen Lücken auszufüllen. Wo kann
man so viele gute und billige, nach heutigem Maßstabe allzubillige, für den Arzt
unentbehrliche Mikroskope und Glasgeräte, für den Seefahrer, Kolonialbeamtcn
und Bergingenieur erforderliche Fernrohre, Theodolite, Lotungs- und andere
Meßapparate bekommen? Deutschlands Erzeugnisse sind maßgebend gewesen
und werden es fein, fo lange gering bezahlte wissenschaftliche und besser bezahlte
technische Kräfte in gemeinsamer Tätigkeit verständnisvoll zusammenwirken.

Durch diese Umstände ist Deutschland in die Lage gesetzt, noch lange seine
wissenschaftliche Tätigkeit aufrecht zu erhalten, ohne der Hilfsmittel des Aus¬
landes zu bedürfen. Auf manchen Gebieten, so auf dem des Maß- und Ge¬
wichtswesens ist es bestrebt, sich ganz unabhängig zu machen. Z. B. wird sich
mit Hilfe neuer Apparate, die die Länge eines Meters in Wellenlängen zu
messen gestatten, eine Vergleichung des deutschen Urmaßes rin dem Pariser inier-
nationalen Urmaß erübrigen.

Auch auf literarischem Gebiete werden wir voraussichtlich wieder bald selbst-
ständig sein, wenn die Bestrebungen von Erfolg sein werden, die deutschen
Akademien mit den wissenschaftlichen und technischen Vereinen zu einer großen
Arbeitsgemeinschaft zusammenzuschließen-, zunächst zu dem Zwecke, die Veröffent¬
lichungen des Auslandes leicht zugänglich zu machen. Aber diese Gemeinschaft
kann auch leicht einen großen Einfluß nach der Richtung hin gewinnen, daß den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/224>, abgerufen am 22.12.2024.