Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
lveltspicgol

sich auch grade die außenpolitisch out orientierten rechtsstehenden Kreise nicht
verschließen konnten, die an sich für Clemeneeau. den "Vater des Sieges", waren,
und in Deschanel einen Kandidaten Briands erblickten, gegen den unmer noch
als Mangel- und lückenhaft empfundenen Friedensvertrag und die politischen
Mißerfolge gegen England in Orientfragen. Und grade, hier zeigt sich, daß man
sich außenpolitisch in Frankreich nicht von Begeisterungsphrasen den Blick ver¬
wirren läßt. Mochte die Pflicht der Dankbarkeit und das Prestige für Clemeneeau
sprechen: die Art, wie er in den letzten Wochen Schritt um Schritt vor Lloyd
George zurückgewichen war, schließlich auch die voreingenommene, politisch unvor¬
sichtige Art, mit der er noch gelegentlich der Jnterpellation Caesius gegen die
russische Sowjetregierung aufgetreten war, erschien zumal im Vergleich zu der
außenpolitisch sehr klaren Art DeschanelS. dem man seine Prophezeiung des
Zerfalls von Österreich-Ungarn hoch anrechnet, als für die Interessen des Landes
bedrohlich. Der Mißeifolg Clemencecms ist trotz allem keine Parteunciche. Mit
Ausnahme der geeinigten Sozialisten, die partcitakiisch gegen ihn waren, ist keine
Partei geschlossen gegen ihn aufgetreten, die Meiuungsverjchiebeiiheiten innerhalb
der einzelnen Gruppen waren so groß (bezeichnend ist nicht das Ergebnis der
endgültigen, sondern der Vorabstimmnng, die nur ein Mehr von zwanzig Stimmen
für Deschanel ergab), baß sogar die Mitarbeiter ein und derselben Zeitung, ver
..^.Llion 5ran?aise". entgegengesetzt urteilten, -- nein: der Durchfall drückt die Zweifel
der französischen Parlamentarier an der Person Clemencecms aus und es ist
überaus charakteristisch, daß eine Pariser Zeitung darauf hiniveisen könn e.
Deschanel habe Millerand mit der Bildung des Kabinetts betraut, obM)si dieser
für Clemeneeau gestimmt hatte, Clemeneeau wäre einer so ruhigen Sachlichst
nicht fähig gewesen. . ^ ,^

Was nun die Wahl Deschcmels betrifft, so haben wir Deutschen von iym
nicht viel Gutes zu erwarten. Daß er energisch für restlose Erfüllung des
Friedensvettrciges, für Aufrcchtcrhnlttmg der Sicherung Frankreichs eintritt, ist
honte jenseits des Rheins selbstverständlich. Bedenklicher ist der Hinweis ver
"Liberte", daß sogar ein Feind von ihm gesagt habe, man müsse in ihm den
geschworenen Feind der deutschen Einheit erblicken. Damit würde also die bis¬
herige französische Rheinpolitik, aber auch, wozu die vielem Kvmmissionsobliegcn-
heiten reichliche Gelegenheit bieten würden, die Politik der Ermuiignng parti-
lularistischer Strömungen, eventuell einer Vereinigung Bayerns und Österreichs
fortgesetzt werden, denn Deschanel ist österreichfrcundlich gesinnt, und es ist sehr
leicht möglich, daß zwischen der sehr angespannten Aufmerksamkeit, die man den
Aktionen Heines widmet, den englischen Intrigen zur Begünstigung und Rehabili¬
tierung der Habsburger, auf die wahrscheinlich die SirMS-EMlMungen zurück¬
zuführen sind, dem Bestehen auf der Auslieferung des Prinzen Rupprecht und
der tatsächlichen Notwendigkeit, Osterreich zu helfen und es lebensfähig zu er¬
halten, verborgene Zusammenhänge bestehen. Und von der Deschanel mit Recht
nachgerühmten Verbindlichkeit der Form haben wir nichts, er ist außcnpolikisch
alles andere als eine unfähige Kompromißnatur, im Gegenteil, klar, gesehnt,
ruhig und in seinem Handeln durch keinerlei parteipolitische Gruppeniocherei ge¬
bunden oder gehemmt.' ,

,"Das Kabinett Millerand ist vorläufig als ein Ubergangskabimtt aufzufassen.
Außenpolitisch ist Millerand wahrscheinlich mir ein Platzhalter Poincarvs. der
neuerdings wieder mehr hervortritt und auf den mau große Hoffnungen setzt.
Mit der Zusammensetzung des Kabinetts: 5 republikanischen Sozialisten, " Links¬
republikanern, 2 Radikalen, 4 Nadikalsozialisten, 1 demokratische Linke, 1 demo-
kratische Entente, sind die Rechtsparteien unzufrieden, namentlich die Besetzungdes Ministeriums des Innern durch Steeg, der bereits dem Ministerium Painlevö
angehörte, hat Widerspruch erregt, wahrscheinlich wirb er unter der Minister¬
präsidentschaft Poinearös durch Millerand ersetzt werden. Die weitgehende Heran-
slehung von Nichtparlamentariern und Fackleuten: des Finanzministers Marsal,,
Administrators der Bank "orion ?arisienne", des Ackerbauministers Henri Ricard,


lveltspicgol

sich auch grade die außenpolitisch out orientierten rechtsstehenden Kreise nicht
verschließen konnten, die an sich für Clemeneeau. den „Vater des Sieges", waren,
und in Deschanel einen Kandidaten Briands erblickten, gegen den unmer noch
als Mangel- und lückenhaft empfundenen Friedensvertrag und die politischen
Mißerfolge gegen England in Orientfragen. Und grade, hier zeigt sich, daß man
sich außenpolitisch in Frankreich nicht von Begeisterungsphrasen den Blick ver¬
wirren läßt. Mochte die Pflicht der Dankbarkeit und das Prestige für Clemeneeau
sprechen: die Art, wie er in den letzten Wochen Schritt um Schritt vor Lloyd
George zurückgewichen war, schließlich auch die voreingenommene, politisch unvor¬
sichtige Art, mit der er noch gelegentlich der Jnterpellation Caesius gegen die
russische Sowjetregierung aufgetreten war, erschien zumal im Vergleich zu der
außenpolitisch sehr klaren Art DeschanelS. dem man seine Prophezeiung des
Zerfalls von Österreich-Ungarn hoch anrechnet, als für die Interessen des Landes
bedrohlich. Der Mißeifolg Clemencecms ist trotz allem keine Parteunciche. Mit
Ausnahme der geeinigten Sozialisten, die partcitakiisch gegen ihn waren, ist keine
Partei geschlossen gegen ihn aufgetreten, die Meiuungsverjchiebeiiheiten innerhalb
der einzelnen Gruppen waren so groß (bezeichnend ist nicht das Ergebnis der
endgültigen, sondern der Vorabstimmnng, die nur ein Mehr von zwanzig Stimmen
für Deschanel ergab), baß sogar die Mitarbeiter ein und derselben Zeitung, ver
..^.Llion 5ran?aise". entgegengesetzt urteilten, — nein: der Durchfall drückt die Zweifel
der französischen Parlamentarier an der Person Clemencecms aus und es ist
überaus charakteristisch, daß eine Pariser Zeitung darauf hiniveisen könn e.
Deschanel habe Millerand mit der Bildung des Kabinetts betraut, obM)si dieser
für Clemeneeau gestimmt hatte, Clemeneeau wäre einer so ruhigen Sachlichst
nicht fähig gewesen. . ^ ,^

Was nun die Wahl Deschcmels betrifft, so haben wir Deutschen von iym
nicht viel Gutes zu erwarten. Daß er energisch für restlose Erfüllung des
Friedensvettrciges, für Aufrcchtcrhnlttmg der Sicherung Frankreichs eintritt, ist
honte jenseits des Rheins selbstverständlich. Bedenklicher ist der Hinweis ver
„Liberte", daß sogar ein Feind von ihm gesagt habe, man müsse in ihm den
geschworenen Feind der deutschen Einheit erblicken. Damit würde also die bis¬
herige französische Rheinpolitik, aber auch, wozu die vielem Kvmmissionsobliegcn-
heiten reichliche Gelegenheit bieten würden, die Politik der Ermuiignng parti-
lularistischer Strömungen, eventuell einer Vereinigung Bayerns und Österreichs
fortgesetzt werden, denn Deschanel ist österreichfrcundlich gesinnt, und es ist sehr
leicht möglich, daß zwischen der sehr angespannten Aufmerksamkeit, die man den
Aktionen Heines widmet, den englischen Intrigen zur Begünstigung und Rehabili¬
tierung der Habsburger, auf die wahrscheinlich die SirMS-EMlMungen zurück¬
zuführen sind, dem Bestehen auf der Auslieferung des Prinzen Rupprecht und
der tatsächlichen Notwendigkeit, Osterreich zu helfen und es lebensfähig zu er¬
halten, verborgene Zusammenhänge bestehen. Und von der Deschanel mit Recht
nachgerühmten Verbindlichkeit der Form haben wir nichts, er ist außcnpolikisch
alles andere als eine unfähige Kompromißnatur, im Gegenteil, klar, gesehnt,
ruhig und in seinem Handeln durch keinerlei parteipolitische Gruppeniocherei ge¬
bunden oder gehemmt.' ,

,„Das Kabinett Millerand ist vorläufig als ein Ubergangskabimtt aufzufassen.
Außenpolitisch ist Millerand wahrscheinlich mir ein Platzhalter Poincarvs. der
neuerdings wieder mehr hervortritt und auf den mau große Hoffnungen setzt.
Mit der Zusammensetzung des Kabinetts: 5 republikanischen Sozialisten, » Links¬
republikanern, 2 Radikalen, 4 Nadikalsozialisten, 1 demokratische Linke, 1 demo-
kratische Entente, sind die Rechtsparteien unzufrieden, namentlich die Besetzungdes Ministeriums des Innern durch Steeg, der bereits dem Ministerium Painlevö
angehörte, hat Widerspruch erregt, wahrscheinlich wirb er unter der Minister¬
präsidentschaft Poinearös durch Millerand ersetzt werden. Die weitgehende Heran-
slehung von Nichtparlamentariern und Fackleuten: des Finanzministers Marsal,,
Administrators der Bank „orion ?arisienne«, des Ackerbauministers Henri Ricard,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337032"/>
          <fw type="header" place="top"> lveltspicgol</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1728" prev="#ID_1727"> sich auch grade die außenpolitisch out orientierten rechtsstehenden Kreise nicht<lb/>
verschließen konnten, die an sich für Clemeneeau. den &#x201E;Vater des Sieges", waren,<lb/>
und in Deschanel einen Kandidaten Briands erblickten, gegen den unmer noch<lb/>
als Mangel- und lückenhaft empfundenen Friedensvertrag und die politischen<lb/>
Mißerfolge gegen England in Orientfragen. Und grade, hier zeigt sich, daß man<lb/>
sich außenpolitisch in Frankreich nicht von Begeisterungsphrasen den Blick ver¬<lb/>
wirren läßt. Mochte die Pflicht der Dankbarkeit und das Prestige für Clemeneeau<lb/>
sprechen: die Art, wie er in den letzten Wochen Schritt um Schritt vor Lloyd<lb/>
George zurückgewichen war, schließlich auch die voreingenommene, politisch unvor¬<lb/>
sichtige Art, mit der er noch gelegentlich der Jnterpellation Caesius gegen die<lb/>
russische Sowjetregierung aufgetreten war, erschien zumal im Vergleich zu der<lb/>
außenpolitisch sehr klaren Art DeschanelS. dem man seine Prophezeiung des<lb/>
Zerfalls von Österreich-Ungarn hoch anrechnet, als für die Interessen des Landes<lb/>
bedrohlich. Der Mißeifolg Clemencecms ist trotz allem keine Parteunciche. Mit<lb/>
Ausnahme der geeinigten Sozialisten, die partcitakiisch gegen ihn waren, ist keine<lb/>
Partei geschlossen gegen ihn aufgetreten, die Meiuungsverjchiebeiiheiten innerhalb<lb/>
der einzelnen Gruppen waren so groß (bezeichnend ist nicht das Ergebnis der<lb/>
endgültigen, sondern der Vorabstimmnng, die nur ein Mehr von zwanzig Stimmen<lb/>
für Deschanel ergab), baß sogar die Mitarbeiter ein und derselben Zeitung, ver<lb/>
..^.Llion 5ran?aise". entgegengesetzt urteilten, &#x2014; nein: der Durchfall drückt die Zweifel<lb/>
der französischen Parlamentarier an der Person Clemencecms aus und es ist<lb/>
überaus charakteristisch, daß eine Pariser Zeitung darauf hiniveisen könn e.<lb/>
Deschanel habe Millerand mit der Bildung des Kabinetts betraut, obM)si dieser<lb/>
für Clemeneeau gestimmt hatte, Clemeneeau wäre einer so ruhigen Sachlichst<lb/>
nicht fähig gewesen. . ^ ,^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1729"> Was nun die Wahl Deschcmels betrifft, so haben wir Deutschen von iym<lb/>
nicht viel Gutes zu erwarten. Daß er energisch für restlose Erfüllung des<lb/>
Friedensvettrciges, für Aufrcchtcrhnlttmg der Sicherung Frankreichs eintritt, ist<lb/>
honte jenseits des Rheins selbstverständlich. Bedenklicher ist der Hinweis ver<lb/>
&#x201E;Liberte", daß sogar ein Feind von ihm gesagt habe, man müsse in ihm den<lb/>
geschworenen Feind der deutschen Einheit erblicken. Damit würde also die bis¬<lb/>
herige französische Rheinpolitik, aber auch, wozu die vielem Kvmmissionsobliegcn-<lb/>
heiten reichliche Gelegenheit bieten würden, die Politik der Ermuiignng parti-<lb/>
lularistischer Strömungen, eventuell einer Vereinigung Bayerns und Österreichs<lb/>
fortgesetzt werden, denn Deschanel ist österreichfrcundlich gesinnt, und es ist sehr<lb/>
leicht möglich, daß zwischen der sehr angespannten Aufmerksamkeit, die man den<lb/>
Aktionen Heines widmet, den englischen Intrigen zur Begünstigung und Rehabili¬<lb/>
tierung der Habsburger, auf die wahrscheinlich die SirMS-EMlMungen zurück¬<lb/>
zuführen sind, dem Bestehen auf der Auslieferung des Prinzen Rupprecht und<lb/>
der tatsächlichen Notwendigkeit, Osterreich zu helfen und es lebensfähig zu er¬<lb/>
halten, verborgene Zusammenhänge bestehen. Und von der Deschanel mit Recht<lb/>
nachgerühmten Verbindlichkeit der Form haben wir nichts, er ist außcnpolikisch<lb/>
alles andere als eine unfähige Kompromißnatur, im Gegenteil, klar, gesehnt,<lb/>
ruhig und in seinem Handeln durch keinerlei parteipolitische Gruppeniocherei ge¬<lb/>
bunden oder gehemmt.' , </p><lb/>
          <p xml:id="ID_1730" next="#ID_1731"> ,&#x201E;Das Kabinett Millerand ist vorläufig als ein Ubergangskabimtt aufzufassen.<lb/>
Außenpolitisch ist Millerand wahrscheinlich mir ein Platzhalter Poincarvs. der<lb/>
neuerdings wieder mehr hervortritt und auf den mau große Hoffnungen setzt.<lb/>
Mit der Zusammensetzung des Kabinetts: 5 republikanischen Sozialisten, » Links¬<lb/>
republikanern, 2 Radikalen, 4 Nadikalsozialisten, 1 demokratische Linke, 1 demo-<lb/>
kratische Entente, sind die Rechtsparteien unzufrieden, namentlich die Besetzungdes Ministeriums des Innern durch Steeg, der bereits dem Ministerium Painlevö<lb/>
angehörte, hat Widerspruch erregt, wahrscheinlich wirb er unter der Minister¬<lb/>
präsidentschaft Poinearös durch Millerand ersetzt werden. Die weitgehende Heran-<lb/>
slehung von Nichtparlamentariern und Fackleuten: des Finanzministers Marsal,,<lb/>
Administrators der Bank &#x201E;orion ?arisienne«, des Ackerbauministers Henri Ricard,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0187] lveltspicgol sich auch grade die außenpolitisch out orientierten rechtsstehenden Kreise nicht verschließen konnten, die an sich für Clemeneeau. den „Vater des Sieges", waren, und in Deschanel einen Kandidaten Briands erblickten, gegen den unmer noch als Mangel- und lückenhaft empfundenen Friedensvertrag und die politischen Mißerfolge gegen England in Orientfragen. Und grade, hier zeigt sich, daß man sich außenpolitisch in Frankreich nicht von Begeisterungsphrasen den Blick ver¬ wirren läßt. Mochte die Pflicht der Dankbarkeit und das Prestige für Clemeneeau sprechen: die Art, wie er in den letzten Wochen Schritt um Schritt vor Lloyd George zurückgewichen war, schließlich auch die voreingenommene, politisch unvor¬ sichtige Art, mit der er noch gelegentlich der Jnterpellation Caesius gegen die russische Sowjetregierung aufgetreten war, erschien zumal im Vergleich zu der außenpolitisch sehr klaren Art DeschanelS. dem man seine Prophezeiung des Zerfalls von Österreich-Ungarn hoch anrechnet, als für die Interessen des Landes bedrohlich. Der Mißeifolg Clemencecms ist trotz allem keine Parteunciche. Mit Ausnahme der geeinigten Sozialisten, die partcitakiisch gegen ihn waren, ist keine Partei geschlossen gegen ihn aufgetreten, die Meiuungsverjchiebeiiheiten innerhalb der einzelnen Gruppen waren so groß (bezeichnend ist nicht das Ergebnis der endgültigen, sondern der Vorabstimmnng, die nur ein Mehr von zwanzig Stimmen für Deschanel ergab), baß sogar die Mitarbeiter ein und derselben Zeitung, ver ..^.Llion 5ran?aise". entgegengesetzt urteilten, — nein: der Durchfall drückt die Zweifel der französischen Parlamentarier an der Person Clemencecms aus und es ist überaus charakteristisch, daß eine Pariser Zeitung darauf hiniveisen könn e. Deschanel habe Millerand mit der Bildung des Kabinetts betraut, obM)si dieser für Clemeneeau gestimmt hatte, Clemeneeau wäre einer so ruhigen Sachlichst nicht fähig gewesen. . ^ ,^ Was nun die Wahl Deschcmels betrifft, so haben wir Deutschen von iym nicht viel Gutes zu erwarten. Daß er energisch für restlose Erfüllung des Friedensvettrciges, für Aufrcchtcrhnlttmg der Sicherung Frankreichs eintritt, ist honte jenseits des Rheins selbstverständlich. Bedenklicher ist der Hinweis ver „Liberte", daß sogar ein Feind von ihm gesagt habe, man müsse in ihm den geschworenen Feind der deutschen Einheit erblicken. Damit würde also die bis¬ herige französische Rheinpolitik, aber auch, wozu die vielem Kvmmissionsobliegcn- heiten reichliche Gelegenheit bieten würden, die Politik der Ermuiignng parti- lularistischer Strömungen, eventuell einer Vereinigung Bayerns und Österreichs fortgesetzt werden, denn Deschanel ist österreichfrcundlich gesinnt, und es ist sehr leicht möglich, daß zwischen der sehr angespannten Aufmerksamkeit, die man den Aktionen Heines widmet, den englischen Intrigen zur Begünstigung und Rehabili¬ tierung der Habsburger, auf die wahrscheinlich die SirMS-EMlMungen zurück¬ zuführen sind, dem Bestehen auf der Auslieferung des Prinzen Rupprecht und der tatsächlichen Notwendigkeit, Osterreich zu helfen und es lebensfähig zu er¬ halten, verborgene Zusammenhänge bestehen. Und von der Deschanel mit Recht nachgerühmten Verbindlichkeit der Form haben wir nichts, er ist außcnpolikisch alles andere als eine unfähige Kompromißnatur, im Gegenteil, klar, gesehnt, ruhig und in seinem Handeln durch keinerlei parteipolitische Gruppeniocherei ge¬ bunden oder gehemmt.' , ,„Das Kabinett Millerand ist vorläufig als ein Ubergangskabimtt aufzufassen. Außenpolitisch ist Millerand wahrscheinlich mir ein Platzhalter Poincarvs. der neuerdings wieder mehr hervortritt und auf den mau große Hoffnungen setzt. Mit der Zusammensetzung des Kabinetts: 5 republikanischen Sozialisten, » Links¬ republikanern, 2 Radikalen, 4 Nadikalsozialisten, 1 demokratische Linke, 1 demo- kratische Entente, sind die Rechtsparteien unzufrieden, namentlich die Besetzungdes Ministeriums des Innern durch Steeg, der bereits dem Ministerium Painlevö angehörte, hat Widerspruch erregt, wahrscheinlich wirb er unter der Minister¬ präsidentschaft Poinearös durch Millerand ersetzt werden. Die weitgehende Heran- slehung von Nichtparlamentariern und Fackleuten: des Finanzministers Marsal,, Administrators der Bank „orion ?arisienne«, des Ackerbauministers Henri Ricard,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/187
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/187>, abgerufen am 01.09.2024.