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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Georg Lleinow und die Grenzboten

eine glückliche Zukunft vorzubereiten. Er erwarb zu diesem Zweck die Grenz¬
boten und machte sich frisch ans Werk.




Die Pflichten, die ihm die Leitung dieser alten und angesehenen Zeit¬
schrift auferlegte, waren ihm klar. Er machte sich mit ihrer Tradition vertraut
und nahm sie in sein Programm auf. Er selbst bezeichnete es als einen
"Versuch, einem gebildeten, selbständig denkenden Leserkreis die politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Zustände und Kämpfe in unserm großen Vater¬
lande und seine Beziehungen zur Außenwelt zu zeigen. Den Rahmen für die
Arbeiten bilden", so fuhr er fort, "unsere weitgehenden Ansprüche an Freiheit
der Persönlichkeit, an Herrschaft des deutschen Gedankens und an Einheit und
Macht des deutschen Reiches. Alle Arbeiten, Bestrebungen und Tendenzen, die
solchen Idealen dienen, werden liebevoll unterstützt werden; wo aber unsere
Ansprüche in Widerstreit geraten mit Parteiforderungen oder bureaukrattscher
Engherzigkeit, wo wir Regierung, Parteien, Wirtschaftsverbände schädlich wirken
fehen, werden unsere Spiegelbilder solches klar zum Ausdruck bringen." (Grenz¬
boten 1913 IV Ur. 41) National im besten Sinne des Wortes sollten die
Grenzboten sein und über den Parteien stehen, um wahrhaft kultursördernd
wirken zu können. Nicht lediglich Beteiligung am politischen Tagewerk und
seinen Kämpfen, sondern tiefschürfende Ergründung der sozialen Erscheinungen
tollte das Mittel sein, um den Zweck, die gesunde Entwicklung aller wertvollen
Volkskräfte, zu erreichen. So erwuchs dem Herausgeber die Aufgabe, sich in
den Mittelpunkt der Zeitschrift zu stellen, durch gewissenhafte Aufzeichnung des
Geschehens, sowie seiner historischen Bedingungen eine Grundlage zu schaffen
für eine sachliche Kritik, und für den Ausbau des so gezimmerten Gerüstes
einen Kreis von Männern zu gewinnen, die gesonnen waren, gleich ihm und
mit ihm vereint die Ergebnisse ihrer Spezialforschungen Me nur auf den,
Gebiete der Politik und Wirtschaft, sondern auf allen wichtigen Gebieten des
sozialen Lebens, des Rechtes, der Verwaltung und der Kirche, der Schule und
Erziehung, der Literatur und Kunst den gebildeten Kreisen zur Kenntnis
zu bringen, um sie um bestimmte Ideen und Ideale zu sammeln und zu
praktischem Tun im Sinne des als wünschenswert und notwendig Erkannten
anzuregen. Die Briefe, die Cleinow an seine Mitarbeiter richtete, waren ost
geistvolle kleine Abhandlungen, denen ein längeres Leben an der frischen Luft
der Öffentlichkeit zu wünschen gewesen wäre. Wer in den Grenzboten aus der
Vorkriegszeit blättert, wird erkennen, wie sehr die politische Wochenschau, der
"Reichsspiegel" und sonstige Beiträge Cleinows den Kristallisationspunkt sämt¬
licher Veröffentlichungen der Zeitschrift darstellten, und wie gut durch das von
Cleinow befolgte System der organischen Arbeitsgemeinschaft erreicht wurde,
daß strenge Wissenschaftlichkeit und publizistische Wirksamkeit sich die Hände
reichten. Gewiß, er hat nicht alles erreicht, was er erstrebte, -- der Krieg
hat eine ungemein fruchtbare Arbeit in der Ausgestaltung der Grenzboten


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Georg Lleinow und die Grenzboten

eine glückliche Zukunft vorzubereiten. Er erwarb zu diesem Zweck die Grenz¬
boten und machte sich frisch ans Werk.




Die Pflichten, die ihm die Leitung dieser alten und angesehenen Zeit¬
schrift auferlegte, waren ihm klar. Er machte sich mit ihrer Tradition vertraut
und nahm sie in sein Programm auf. Er selbst bezeichnete es als einen
„Versuch, einem gebildeten, selbständig denkenden Leserkreis die politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Zustände und Kämpfe in unserm großen Vater¬
lande und seine Beziehungen zur Außenwelt zu zeigen. Den Rahmen für die
Arbeiten bilden", so fuhr er fort, „unsere weitgehenden Ansprüche an Freiheit
der Persönlichkeit, an Herrschaft des deutschen Gedankens und an Einheit und
Macht des deutschen Reiches. Alle Arbeiten, Bestrebungen und Tendenzen, die
solchen Idealen dienen, werden liebevoll unterstützt werden; wo aber unsere
Ansprüche in Widerstreit geraten mit Parteiforderungen oder bureaukrattscher
Engherzigkeit, wo wir Regierung, Parteien, Wirtschaftsverbände schädlich wirken
fehen, werden unsere Spiegelbilder solches klar zum Ausdruck bringen." (Grenz¬
boten 1913 IV Ur. 41) National im besten Sinne des Wortes sollten die
Grenzboten sein und über den Parteien stehen, um wahrhaft kultursördernd
wirken zu können. Nicht lediglich Beteiligung am politischen Tagewerk und
seinen Kämpfen, sondern tiefschürfende Ergründung der sozialen Erscheinungen
tollte das Mittel sein, um den Zweck, die gesunde Entwicklung aller wertvollen
Volkskräfte, zu erreichen. So erwuchs dem Herausgeber die Aufgabe, sich in
den Mittelpunkt der Zeitschrift zu stellen, durch gewissenhafte Aufzeichnung des
Geschehens, sowie seiner historischen Bedingungen eine Grundlage zu schaffen
für eine sachliche Kritik, und für den Ausbau des so gezimmerten Gerüstes
einen Kreis von Männern zu gewinnen, die gesonnen waren, gleich ihm und
mit ihm vereint die Ergebnisse ihrer Spezialforschungen Me nur auf den,
Gebiete der Politik und Wirtschaft, sondern auf allen wichtigen Gebieten des
sozialen Lebens, des Rechtes, der Verwaltung und der Kirche, der Schule und
Erziehung, der Literatur und Kunst den gebildeten Kreisen zur Kenntnis
zu bringen, um sie um bestimmte Ideen und Ideale zu sammeln und zu
praktischem Tun im Sinne des als wünschenswert und notwendig Erkannten
anzuregen. Die Briefe, die Cleinow an seine Mitarbeiter richtete, waren ost
geistvolle kleine Abhandlungen, denen ein längeres Leben an der frischen Luft
der Öffentlichkeit zu wünschen gewesen wäre. Wer in den Grenzboten aus der
Vorkriegszeit blättert, wird erkennen, wie sehr die politische Wochenschau, der
„Reichsspiegel" und sonstige Beiträge Cleinows den Kristallisationspunkt sämt¬
licher Veröffentlichungen der Zeitschrift darstellten, und wie gut durch das von
Cleinow befolgte System der organischen Arbeitsgemeinschaft erreicht wurde,
daß strenge Wissenschaftlichkeit und publizistische Wirksamkeit sich die Hände
reichten. Gewiß, er hat nicht alles erreicht, was er erstrebte, — der Krieg
hat eine ungemein fruchtbare Arbeit in der Ausgestaltung der Grenzboten


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[0017] Georg Lleinow und die Grenzboten eine glückliche Zukunft vorzubereiten. Er erwarb zu diesem Zweck die Grenz¬ boten und machte sich frisch ans Werk. Die Pflichten, die ihm die Leitung dieser alten und angesehenen Zeit¬ schrift auferlegte, waren ihm klar. Er machte sich mit ihrer Tradition vertraut und nahm sie in sein Programm auf. Er selbst bezeichnete es als einen „Versuch, einem gebildeten, selbständig denkenden Leserkreis die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zustände und Kämpfe in unserm großen Vater¬ lande und seine Beziehungen zur Außenwelt zu zeigen. Den Rahmen für die Arbeiten bilden", so fuhr er fort, „unsere weitgehenden Ansprüche an Freiheit der Persönlichkeit, an Herrschaft des deutschen Gedankens und an Einheit und Macht des deutschen Reiches. Alle Arbeiten, Bestrebungen und Tendenzen, die solchen Idealen dienen, werden liebevoll unterstützt werden; wo aber unsere Ansprüche in Widerstreit geraten mit Parteiforderungen oder bureaukrattscher Engherzigkeit, wo wir Regierung, Parteien, Wirtschaftsverbände schädlich wirken fehen, werden unsere Spiegelbilder solches klar zum Ausdruck bringen." (Grenz¬ boten 1913 IV Ur. 41) National im besten Sinne des Wortes sollten die Grenzboten sein und über den Parteien stehen, um wahrhaft kultursördernd wirken zu können. Nicht lediglich Beteiligung am politischen Tagewerk und seinen Kämpfen, sondern tiefschürfende Ergründung der sozialen Erscheinungen tollte das Mittel sein, um den Zweck, die gesunde Entwicklung aller wertvollen Volkskräfte, zu erreichen. So erwuchs dem Herausgeber die Aufgabe, sich in den Mittelpunkt der Zeitschrift zu stellen, durch gewissenhafte Aufzeichnung des Geschehens, sowie seiner historischen Bedingungen eine Grundlage zu schaffen für eine sachliche Kritik, und für den Ausbau des so gezimmerten Gerüstes einen Kreis von Männern zu gewinnen, die gesonnen waren, gleich ihm und mit ihm vereint die Ergebnisse ihrer Spezialforschungen Me nur auf den, Gebiete der Politik und Wirtschaft, sondern auf allen wichtigen Gebieten des sozialen Lebens, des Rechtes, der Verwaltung und der Kirche, der Schule und Erziehung, der Literatur und Kunst den gebildeten Kreisen zur Kenntnis zu bringen, um sie um bestimmte Ideen und Ideale zu sammeln und zu praktischem Tun im Sinne des als wünschenswert und notwendig Erkannten anzuregen. Die Briefe, die Cleinow an seine Mitarbeiter richtete, waren ost geistvolle kleine Abhandlungen, denen ein längeres Leben an der frischen Luft der Öffentlichkeit zu wünschen gewesen wäre. Wer in den Grenzboten aus der Vorkriegszeit blättert, wird erkennen, wie sehr die politische Wochenschau, der „Reichsspiegel" und sonstige Beiträge Cleinows den Kristallisationspunkt sämt¬ licher Veröffentlichungen der Zeitschrift darstellten, und wie gut durch das von Cleinow befolgte System der organischen Arbeitsgemeinschaft erreicht wurde, daß strenge Wissenschaftlichkeit und publizistische Wirksamkeit sich die Hände reichten. Gewiß, er hat nicht alles erreicht, was er erstrebte, — der Krieg hat eine ungemein fruchtbare Arbeit in der Ausgestaltung der Grenzboten i*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/17>, abgerufen am 27.07.2024.