Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Weltspiegel jede Anspielung auf Unstimmigkeiten zwischen den Verbündeten Mächten, jede Inzwischen ist natürlich auch der Sammethandschuh an der Arbeit. Die Weltspiegel jede Anspielung auf Unstimmigkeiten zwischen den Verbündeten Mächten, jede Inzwischen ist natürlich auch der Sammethandschuh an der Arbeit. Die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336979"/> <fw type="header" place="top"> Weltspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_431" prev="#ID_430"> jede Anspielung auf Unstimmigkeiten zwischen den Verbündeten Mächten, jede<lb/> Veröffentlichung, die versucht, an eine Einmischung der Alliierten in die innere<lb/> Politik der rheinischen Länder glauben zu machen. Privatpersonen ist es verboten,<lb/> politische Zeitungen des unbesetzten Deutschlands direkt zu beziehen. Ein Exemplar<lb/> aller Bücher, Broschüren usw., welche durch die Buchhändler verkauft werden,<lb/> muß zunächst vorgelegt werden. Einen ähnlichen Geist atmen auch die Bestimmungen<lb/> über die Versammlungen, wenn sie auch dadurch eine mildere Fassung bekommen,<lb/> daß in ihnen nur das wenige aufgezählt wird, was erlaubt und nicht das viele,<lb/> was verboten ist. Verboten ist neuerdings jede Kundgebung, jeder<lb/> offizielle Empfang, jede Bahnhvfsdekoration zum Empfang der<lb/> heimkehrenden deutschen Kriegsgefangenen. Von den empörenden<lb/> Bestimmungen über die Ehrenbezeugungen der Zivilpersonen gegenüber den<lb/> Offizieren der alliierten Armeen, die bei jeder Gelegenheit und an jedem Orte<lb/> erwiesen werden müssen, hat bereits die Tagespresse Kenntnis genommen. Man<lb/> macht sich jedoch im unbesetzten Deutschland kaum eine Vorstellung davon, was<lb/> diese Vorschrift für das Empfinden der Rheinländer bedeutet. Gewiß hat, wie llber-<lb/> gewisfenhaften gegenüber zugegeben sei, auch für vereinzelte Orte Frankreichs eine<lb/> derartige Verfügung während der deutschen Besetzung bestanden, doch dürfte es auch<lb/> für die Fanatiker internationaler Gerechtigkeit immerhin einen kleinen Unterschied<lb/> ausmachen, ob eine derartige Verfügung mitten im Kriege oder im Frieden<lb/> getroffen wird. Natürlich bleibt es nicht bei derartigen politischen und Polizei¬<lb/> maßnahmen, auch wirtschaftspolitisch sind genau dieselben Tendenzen zu bemerken.<lb/> Nach dem „Exporteur francais" ist für die Rheinlands eine französische Handels¬<lb/> kammer mit dem Sitz in Paris und dem Sekretariat in Mainz vorgesehen, die<lb/> mit den französischen Ministerien und den rheinischen Behörden unmittelbar<lb/> verkehr?» soll. Die Abschlüsse linksrheinischer Fabriken mit rechtsrheinischen<lb/> werden so erschwert, daß sie kaum erfüllt werden können. Die Entente will nichts<lb/> weniger erreichen, als eine Orientierung und Umstellung des ganzen rheinischen<lb/> Wirtschaftslebens nach Westen und es ist in diesem Zusammenhang nur allzu<lb/> bedeutsam, daß der Oberkommissar der französischen Republik für die Rhein¬<lb/> provinzen, der zugleich den Vorsitz in der interalliierten Nheinkommission führt,<lb/> seine Instruktionen direkt von dem französischen Minister des Auswärtigen erhält<lb/> und mit diesem in direktem Schriftwechsel steht. „Außer der Ausschaltung des<lb/> Reichskommissars in Koblenz", hat Maurice Barres im Oktober in der französischen<lb/> Kammer erklärt, „verlangen wir, daß alle Maßregeln getroffen werden, um die<lb/> Rheinlande noch enger an Frankreich zu binden (associer) durch den Handel,<lb/> durch Verkehrswege, durch Tarifordnungen, durch die Programme für öffentliche<lb/> Arbeiten, hauptsächlich durch die Mosel- und Saartanalisierung, durch Bankinstitute<lb/> und Ungleichung der sozialen und Arbeitergesetzgebung. Für all diese Dinge<lb/> könnten in kürzester Frist gemischte Ausschüsse aus Rheinländern und Franzosen<lb/> gebildet werden: Wir hoffen, daß diese Auffassung des Friedens bei den Rhein-<lb/> deutschen und selbst in ganz Deutschland aus beiden Seiten die wünschenswerte<lb/> Entspannung herbeiführen wird." Dabei muß man immer berücksichtigen, daß<lb/> diese sanfteren Töne erst gespielt wurden, nachdem das Dorten-Unternehmen (das<lb/> auch jetzt noch immer nicht unterschätzt werden sollte) nicht die erwartete Begeisterung<lb/> ausgelöst hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_432" next="#ID_433"> Inzwischen ist natürlich auch der Sammethandschuh an der Arbeit. Die<lb/> in Mainz erscheinende gut ausgemachte illustrierte Zeitung „I^e Mur illustre",<lb/> sowie die Tageszeitung „I^e l^Ilm krariLMs", die Errichtung eines französischen<lb/> Gymnasiums in Mainz braucht man dabei weniger tragisch zu nehmen. Inter¬<lb/> essanter ist schon, daß man mit allerlei Mittelchen die Propaganda für deutsche<lb/> Greuel und deutsche Schuld am Kriege unterstützt, — das Buch ^'aecuss zum<lb/> Beispiel findet eifrige Verbreitung —, und daß allerlei Aufklärungsschriften über<lb/> Frankreich und französische Politik — genannt sei nur eine geschichtliche Broschüre<lb/> über Saarbrückens Vergangenheit, die angeblich von einem Prof. Dr. Wiese<lb/> verfaßt, aber in Paris gedruckt ist, — verbreitet werden. Wer einen Paß haben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0134]
Weltspiegel
jede Anspielung auf Unstimmigkeiten zwischen den Verbündeten Mächten, jede
Veröffentlichung, die versucht, an eine Einmischung der Alliierten in die innere
Politik der rheinischen Länder glauben zu machen. Privatpersonen ist es verboten,
politische Zeitungen des unbesetzten Deutschlands direkt zu beziehen. Ein Exemplar
aller Bücher, Broschüren usw., welche durch die Buchhändler verkauft werden,
muß zunächst vorgelegt werden. Einen ähnlichen Geist atmen auch die Bestimmungen
über die Versammlungen, wenn sie auch dadurch eine mildere Fassung bekommen,
daß in ihnen nur das wenige aufgezählt wird, was erlaubt und nicht das viele,
was verboten ist. Verboten ist neuerdings jede Kundgebung, jeder
offizielle Empfang, jede Bahnhvfsdekoration zum Empfang der
heimkehrenden deutschen Kriegsgefangenen. Von den empörenden
Bestimmungen über die Ehrenbezeugungen der Zivilpersonen gegenüber den
Offizieren der alliierten Armeen, die bei jeder Gelegenheit und an jedem Orte
erwiesen werden müssen, hat bereits die Tagespresse Kenntnis genommen. Man
macht sich jedoch im unbesetzten Deutschland kaum eine Vorstellung davon, was
diese Vorschrift für das Empfinden der Rheinländer bedeutet. Gewiß hat, wie llber-
gewisfenhaften gegenüber zugegeben sei, auch für vereinzelte Orte Frankreichs eine
derartige Verfügung während der deutschen Besetzung bestanden, doch dürfte es auch
für die Fanatiker internationaler Gerechtigkeit immerhin einen kleinen Unterschied
ausmachen, ob eine derartige Verfügung mitten im Kriege oder im Frieden
getroffen wird. Natürlich bleibt es nicht bei derartigen politischen und Polizei¬
maßnahmen, auch wirtschaftspolitisch sind genau dieselben Tendenzen zu bemerken.
Nach dem „Exporteur francais" ist für die Rheinlands eine französische Handels¬
kammer mit dem Sitz in Paris und dem Sekretariat in Mainz vorgesehen, die
mit den französischen Ministerien und den rheinischen Behörden unmittelbar
verkehr?» soll. Die Abschlüsse linksrheinischer Fabriken mit rechtsrheinischen
werden so erschwert, daß sie kaum erfüllt werden können. Die Entente will nichts
weniger erreichen, als eine Orientierung und Umstellung des ganzen rheinischen
Wirtschaftslebens nach Westen und es ist in diesem Zusammenhang nur allzu
bedeutsam, daß der Oberkommissar der französischen Republik für die Rhein¬
provinzen, der zugleich den Vorsitz in der interalliierten Nheinkommission führt,
seine Instruktionen direkt von dem französischen Minister des Auswärtigen erhält
und mit diesem in direktem Schriftwechsel steht. „Außer der Ausschaltung des
Reichskommissars in Koblenz", hat Maurice Barres im Oktober in der französischen
Kammer erklärt, „verlangen wir, daß alle Maßregeln getroffen werden, um die
Rheinlande noch enger an Frankreich zu binden (associer) durch den Handel,
durch Verkehrswege, durch Tarifordnungen, durch die Programme für öffentliche
Arbeiten, hauptsächlich durch die Mosel- und Saartanalisierung, durch Bankinstitute
und Ungleichung der sozialen und Arbeitergesetzgebung. Für all diese Dinge
könnten in kürzester Frist gemischte Ausschüsse aus Rheinländern und Franzosen
gebildet werden: Wir hoffen, daß diese Auffassung des Friedens bei den Rhein-
deutschen und selbst in ganz Deutschland aus beiden Seiten die wünschenswerte
Entspannung herbeiführen wird." Dabei muß man immer berücksichtigen, daß
diese sanfteren Töne erst gespielt wurden, nachdem das Dorten-Unternehmen (das
auch jetzt noch immer nicht unterschätzt werden sollte) nicht die erwartete Begeisterung
ausgelöst hatte.
Inzwischen ist natürlich auch der Sammethandschuh an der Arbeit. Die
in Mainz erscheinende gut ausgemachte illustrierte Zeitung „I^e Mur illustre",
sowie die Tageszeitung „I^e l^Ilm krariLMs", die Errichtung eines französischen
Gymnasiums in Mainz braucht man dabei weniger tragisch zu nehmen. Inter¬
essanter ist schon, daß man mit allerlei Mittelchen die Propaganda für deutsche
Greuel und deutsche Schuld am Kriege unterstützt, — das Buch ^'aecuss zum
Beispiel findet eifrige Verbreitung —, und daß allerlei Aufklärungsschriften über
Frankreich und französische Politik — genannt sei nur eine geschichtliche Broschüre
über Saarbrückens Vergangenheit, die angeblich von einem Prof. Dr. Wiese
verfaßt, aber in Paris gedruckt ist, — verbreitet werden. Wer einen Paß haben
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