Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Die Auslandspropaganda Englands In der skandinavischen Presse kehrt seit Monaten das Thema der Gründung Die englische Propaganda betritt seit Kriegsende neue Wege und macht sich England betreibt also jetzt Kulturpropaganda in größerem Stil. Das fällt Die Literatur wird jetzt Englands Steckenpferd. Englische Zeitungen wenden Die Auslandspropaganda Englands In der skandinavischen Presse kehrt seit Monaten das Thema der Gründung Die englische Propaganda betritt seit Kriegsende neue Wege und macht sich England betreibt also jetzt Kulturpropaganda in größerem Stil. Das fällt Die Literatur wird jetzt Englands Steckenpferd. Englische Zeitungen wenden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336968"/> <fw type="header" place="top"> Die Auslandspropaganda Englands</fw><lb/> <p xml:id="ID_391"> In der skandinavischen Presse kehrt seit Monaten das Thema der Gründung<lb/> eines „Norwegenhauses" in London wieder. Mit der ganzen Breitspurigkeit, mit<lb/> der alle Welt bestimmte Dinge erfährt, die England bekannt gemacht haben will,<lb/> folgen sich die Berichte über den Gründungsplan, über die finanzielle Sicher¬<lb/> stellung des Unternehmens, über die Stifter und Protektoren und über die<lb/> Ehrenmitglieder, diezchie neue Vereinigung ernennen wird. Eine der ersten Be¬<lb/> dingungen, um wirksame Propaganda zu machen, ist, daß derjenige, von dem<lb/> man etwas wünscht, in dem gewünschten sein eigenes Interesse findet: also die<lb/> Herstellung einer Interessengemeinschaft. Aus den gemeinsamen Handelsinteressen<lb/> mit Norwegen schlägt England Propagandakapital. Das „Norwegenhaus" in<lb/> London soll der Verbreitung der Kenntnis Norwegens als internationalen Handels-<lb/> fnktvrs in England dienen und norwegische Schiffahrts- und Reedereikreise mit<lb/> England in engere Beziehungen bringen. Auch die Gründung eines „Schweden¬<lb/> hauses" in London zu gleichen Zwecken wird seit kurzem in der schwedischen und<lb/> englischen Presse erwogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_392"> Die englische Propaganda betritt seit Kriegsende neue Wege und macht sich<lb/> auf allen Gebieten selbständig, nachdem sie durch Jahre hindurch ein Glied in<lb/> der Kette der Weltwerbearbeit der Entente gewesen ist. Sie besinnt sich heute<lb/> darauf, daß sie ja eine lange Zeit gewissermaßen den Bundesgenossen ganze Ge¬<lb/> biete vollständig eingeräumt hatte, aus deren Ausnutzung diese weit über die<lb/> Kriegszeit hinaus unermeßlichen Vorteil durch kulturelles Ansehen in der Welt<lb/> ziehen können. In jedem Bündnis ist eine gewisse Einschränkung und Anpassung<lb/> unumgänglich., England hatte an seinen Kriegsgenossen Frankreich das gesamte<lb/> Gebiet der sogenannten Kulturpropaganda abgetreten. Jetzt aber will England<lb/> den Kreis seiner Weltwerbearbeit wieder allein umschließen und leitet eine Kultur-<lb/> Propaganda im bewährten Stile Frankreichs ein. Es gilt jetzt, dem Ausland die<lb/> Redensart auszutreiben, daß England ein Land mit nur wenig Kunst ist. Darum<lb/> wird durch Holland eine Thccitertruppe, die „Rosa Lund Company os London",<lb/> auf Gastspielreise geschickt, um, wie die „Times" schreiben, die kulturellen Be¬<lb/> ziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden zu erweitern.<lb/> Man spielt im Haag, in Amsterdam und in Rotterdam Pineros Mit-Channel<lb/> und Candida von Shaw. Und der Engländer besinnt sich auf die guten Bücher<lb/> seiner Zeit und seiner Vergangenheit. Er bereitet im Ausland eine Buchpropa¬<lb/> ganda vor, die sich an die geistigen Kreise wendet. „Dagens Nyheter" brachten<lb/> im Dezember einen Artikel über die Bemühungen, englische Literatur nach<lb/> Schweden zu bringen, und über das wachsende Interesse Schwedens für englische<lb/> Bücher.</p><lb/> <p xml:id="ID_393"> England betreibt also jetzt Kulturpropaganda in größerem Stil. Das fällt<lb/> um so mehr auf. als England bisher gerade in seiner Kultur eine Überheblichkeit<lb/> und Selbstschätzung zur Schau trug, die jedes Werben um Verständnis verbot.<lb/> Was England früher für das Ausland bestimmte, war Massenware, war Blend¬<lb/> werk für die Dummen, mit einer Art von Verachtung und Arroganz verschüttet.</p><lb/> <p xml:id="ID_394" next="#ID_395"> Die Literatur wird jetzt Englands Steckenpferd. Englische Zeitungen wenden<lb/> ihre Aufmerksamkeit der Anwesenheit des dänischen Dichters Johan Bojer in<lb/> London zu, und es wird dafür gesorgt, daß wiederum die dänische Presse von<lb/> den Ehrungen Bojers in England Notiz nimmt, zugleich mit der Mitteilung,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
Die Auslandspropaganda Englands
In der skandinavischen Presse kehrt seit Monaten das Thema der Gründung
eines „Norwegenhauses" in London wieder. Mit der ganzen Breitspurigkeit, mit
der alle Welt bestimmte Dinge erfährt, die England bekannt gemacht haben will,
folgen sich die Berichte über den Gründungsplan, über die finanzielle Sicher¬
stellung des Unternehmens, über die Stifter und Protektoren und über die
Ehrenmitglieder, diezchie neue Vereinigung ernennen wird. Eine der ersten Be¬
dingungen, um wirksame Propaganda zu machen, ist, daß derjenige, von dem
man etwas wünscht, in dem gewünschten sein eigenes Interesse findet: also die
Herstellung einer Interessengemeinschaft. Aus den gemeinsamen Handelsinteressen
mit Norwegen schlägt England Propagandakapital. Das „Norwegenhaus" in
London soll der Verbreitung der Kenntnis Norwegens als internationalen Handels-
fnktvrs in England dienen und norwegische Schiffahrts- und Reedereikreise mit
England in engere Beziehungen bringen. Auch die Gründung eines „Schweden¬
hauses" in London zu gleichen Zwecken wird seit kurzem in der schwedischen und
englischen Presse erwogen.
Die englische Propaganda betritt seit Kriegsende neue Wege und macht sich
auf allen Gebieten selbständig, nachdem sie durch Jahre hindurch ein Glied in
der Kette der Weltwerbearbeit der Entente gewesen ist. Sie besinnt sich heute
darauf, daß sie ja eine lange Zeit gewissermaßen den Bundesgenossen ganze Ge¬
biete vollständig eingeräumt hatte, aus deren Ausnutzung diese weit über die
Kriegszeit hinaus unermeßlichen Vorteil durch kulturelles Ansehen in der Welt
ziehen können. In jedem Bündnis ist eine gewisse Einschränkung und Anpassung
unumgänglich., England hatte an seinen Kriegsgenossen Frankreich das gesamte
Gebiet der sogenannten Kulturpropaganda abgetreten. Jetzt aber will England
den Kreis seiner Weltwerbearbeit wieder allein umschließen und leitet eine Kultur-
Propaganda im bewährten Stile Frankreichs ein. Es gilt jetzt, dem Ausland die
Redensart auszutreiben, daß England ein Land mit nur wenig Kunst ist. Darum
wird durch Holland eine Thccitertruppe, die „Rosa Lund Company os London",
auf Gastspielreise geschickt, um, wie die „Times" schreiben, die kulturellen Be¬
ziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden zu erweitern.
Man spielt im Haag, in Amsterdam und in Rotterdam Pineros Mit-Channel
und Candida von Shaw. Und der Engländer besinnt sich auf die guten Bücher
seiner Zeit und seiner Vergangenheit. Er bereitet im Ausland eine Buchpropa¬
ganda vor, die sich an die geistigen Kreise wendet. „Dagens Nyheter" brachten
im Dezember einen Artikel über die Bemühungen, englische Literatur nach
Schweden zu bringen, und über das wachsende Interesse Schwedens für englische
Bücher.
England betreibt also jetzt Kulturpropaganda in größerem Stil. Das fällt
um so mehr auf. als England bisher gerade in seiner Kultur eine Überheblichkeit
und Selbstschätzung zur Schau trug, die jedes Werben um Verständnis verbot.
Was England früher für das Ausland bestimmte, war Massenware, war Blend¬
werk für die Dummen, mit einer Art von Verachtung und Arroganz verschüttet.
Die Literatur wird jetzt Englands Steckenpferd. Englische Zeitungen wenden
ihre Aufmerksamkeit der Anwesenheit des dänischen Dichters Johan Bojer in
London zu, und es wird dafür gesorgt, daß wiederum die dänische Presse von
den Ehrungen Bojers in England Notiz nimmt, zugleich mit der Mitteilung,
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