Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
ZVeltspiegel

überrascht und bedrückt durch die mächtig anschwellende Kraft seiner sozialistischen
Bewegung, verwirrt durch die Parteikämpfe im Parlament und in Panik über
die entdeckten Bolschewisten-Komplotte, mit denen es in Wirklichkeit nicht ganz so
schlimm sein wird, wie die amerikanische Presse dergleichen darzustellen liebt, nicht
aufwenden will, vielleicht im Augenblick nicht einmal kann. Schon seit dem
Sommer 1918 schweben Verhandlungen zwischen ihm und Japan über Sibirien
und das im Januar 1919 gefallene Wort Nehidas: Osisibirien bedeutet für Japan
dasselbe wie Mexiko für die Vereinigten Staaten, erhellte blitzartig das ganze
Problem. Amerika opfert jetzt eine unhaltbare Position, um andere sichern zu
können. Das Mittel, die nach allen Seiten zugleich drängende japanische
Expansion an der kalifornischen und mexikanischen Küste zu schwächen, ist, ihr
eine bestimmte Richtung nach Westen zu geben. Wir stehen vor einer Aufteilung
der Interessensphären. Die Besitzergreifung Ostsibiriens ist eine gewaltige Auf¬
gabe, die die Japaner ein halbes Jahrhundert beschäftigen kann. Denn leicht
wird es Japan nicht haben. Möglich, daß eine kräftige Kolonisierung den, wie
mannigfache Unruhen und zunehmende Demokratisierung beweisen, im Inneren
allmählich unerträglich werdenden Druck erleichtert und der durch ungeheure
Kriegsgewinne entstandenen Übersättigung neue Betätigungsmöglichkeitm außerhalb
des übervölkerten Landes schafft, aber leicht wird ihnen die Aufgabe nicht werden.
Schon heute haben sie überall gegen die Konkurrenz des billigeren chinesischen
Arbeiters zu kämpfen, noch haben sie die erste Stufe ihrer Weltmachtstellung,
Korea, nicht gesichert, wo es trotz gewährter Autonomie dauernd zu Unruhen
kommt, und endlich ist es nicht wahrscheinlich, daß ein neues und wieder gefestigtes
Rußland ihnen die Beute kampflos überläßt, deren Sicherung, je weiter sie von
der Basis abliegt, je schwieriger wird. Allerdings haben sie bereits vorgesorgt
und sich einen Bundesgenossen gesichert: China. Denn es kann kaum verkannt
werden, daß zwischen der vielleicht nur scheinbar milderen Sprache Japans gegen
China in der Shantung-Angelegenheit, dem im August von der russischen Sowjet¬
regierung an das chinesische Volk erlassenen Manifest mit der ruhmrediger Mit¬
teilung, daß das russische Heer den Vormarsch nach Osten aufgenommen habe, um
den arbeitenden Klassen Chinas Hilfe zu bringen, und der -- laut "Times" von
China erzwungenen -- Petition der Mongolei an China zur Aushebung des 1912
zwischen China, Rußland und der Mongolei geschlossenen Kiächta-Vertrages, einer
Petition, in der die Mongolei, bedroht durch bolschewistische Banden, auf ihre
Unabhängigkeit verzichtet und unter die Herrschaft Chinas zurückzukehren wünscht,
ein innerer Zusammenhang besteht. Japan wünscht maßgebenden Einfluß in
China, mindestens in Nordchina, wird jedoch jede Bewegung unterstützen, die den
Auseinanderfall des Landes hindert. Darum wird ihm die kraftvolle Unternehmung
des Generals Hsu Shu Cheng zur Sicherung des Nordwestens, die bereits Ende
Juni begann, hinderte willkommen sein. Zunächst sind seine Absichten natürlich
"rein defensiv", aber die planmäßige Besetzung aller wichtigen strategischen Punkte
in Ostsibirien, die überaus rege Gründung von Schiffahrtsgesellschaften, Handels-
niederlassungen und Banken reden deutlich genug. Japan ist im Begriff, nicht
nur die ihm von vornherein die Vorhand zuwendenden Vorteile seiner örtlichen
Lage als nächster Nachbar voll auszunutzen, sondern auch die Ergebnisse einer
klug und geduldig zuwartenden Politik einzuheimsen.

Gerade eine solche nicht eingeschlagen zu haben, ist der einzige, allerdings aus¬
schlaggebende Vorwurf, den man dem Admiral Koltschak machen muß. dessen
militärischer Zusammenbruch die ganze Entwicklung jäh ins Abrollen gebracht hat.
Der einfache Verstand dieses fähigen und energischen Soldaten hat den ganzen
Kampf gegen die Bolschewisten geführt, als gälte es ein ausschließlich militärisches
Unternehmen. Immer hat er lediglich die militärische Stärke der Bolschewisten
">6 A"^, gefaßt, sie rein militärisch zu bekämpfen gesucht und verkannt, daß der
Bolschewismus eine politische Macht ist. die man allein durch Postenketten nicht
einschließen kann. Er hat außenpolitisch einen klaren und scharfen Blick bewiesen,
den Buel einer eifersüchtigen Vaterlandsliebe, wie er dem soldatischen Führer


ZVeltspiegel

überrascht und bedrückt durch die mächtig anschwellende Kraft seiner sozialistischen
Bewegung, verwirrt durch die Parteikämpfe im Parlament und in Panik über
die entdeckten Bolschewisten-Komplotte, mit denen es in Wirklichkeit nicht ganz so
schlimm sein wird, wie die amerikanische Presse dergleichen darzustellen liebt, nicht
aufwenden will, vielleicht im Augenblick nicht einmal kann. Schon seit dem
Sommer 1918 schweben Verhandlungen zwischen ihm und Japan über Sibirien
und das im Januar 1919 gefallene Wort Nehidas: Osisibirien bedeutet für Japan
dasselbe wie Mexiko für die Vereinigten Staaten, erhellte blitzartig das ganze
Problem. Amerika opfert jetzt eine unhaltbare Position, um andere sichern zu
können. Das Mittel, die nach allen Seiten zugleich drängende japanische
Expansion an der kalifornischen und mexikanischen Küste zu schwächen, ist, ihr
eine bestimmte Richtung nach Westen zu geben. Wir stehen vor einer Aufteilung
der Interessensphären. Die Besitzergreifung Ostsibiriens ist eine gewaltige Auf¬
gabe, die die Japaner ein halbes Jahrhundert beschäftigen kann. Denn leicht
wird es Japan nicht haben. Möglich, daß eine kräftige Kolonisierung den, wie
mannigfache Unruhen und zunehmende Demokratisierung beweisen, im Inneren
allmählich unerträglich werdenden Druck erleichtert und der durch ungeheure
Kriegsgewinne entstandenen Übersättigung neue Betätigungsmöglichkeitm außerhalb
des übervölkerten Landes schafft, aber leicht wird ihnen die Aufgabe nicht werden.
Schon heute haben sie überall gegen die Konkurrenz des billigeren chinesischen
Arbeiters zu kämpfen, noch haben sie die erste Stufe ihrer Weltmachtstellung,
Korea, nicht gesichert, wo es trotz gewährter Autonomie dauernd zu Unruhen
kommt, und endlich ist es nicht wahrscheinlich, daß ein neues und wieder gefestigtes
Rußland ihnen die Beute kampflos überläßt, deren Sicherung, je weiter sie von
der Basis abliegt, je schwieriger wird. Allerdings haben sie bereits vorgesorgt
und sich einen Bundesgenossen gesichert: China. Denn es kann kaum verkannt
werden, daß zwischen der vielleicht nur scheinbar milderen Sprache Japans gegen
China in der Shantung-Angelegenheit, dem im August von der russischen Sowjet¬
regierung an das chinesische Volk erlassenen Manifest mit der ruhmrediger Mit¬
teilung, daß das russische Heer den Vormarsch nach Osten aufgenommen habe, um
den arbeitenden Klassen Chinas Hilfe zu bringen, und der — laut „Times" von
China erzwungenen — Petition der Mongolei an China zur Aushebung des 1912
zwischen China, Rußland und der Mongolei geschlossenen Kiächta-Vertrages, einer
Petition, in der die Mongolei, bedroht durch bolschewistische Banden, auf ihre
Unabhängigkeit verzichtet und unter die Herrschaft Chinas zurückzukehren wünscht,
ein innerer Zusammenhang besteht. Japan wünscht maßgebenden Einfluß in
China, mindestens in Nordchina, wird jedoch jede Bewegung unterstützen, die den
Auseinanderfall des Landes hindert. Darum wird ihm die kraftvolle Unternehmung
des Generals Hsu Shu Cheng zur Sicherung des Nordwestens, die bereits Ende
Juni begann, hinderte willkommen sein. Zunächst sind seine Absichten natürlich
„rein defensiv", aber die planmäßige Besetzung aller wichtigen strategischen Punkte
in Ostsibirien, die überaus rege Gründung von Schiffahrtsgesellschaften, Handels-
niederlassungen und Banken reden deutlich genug. Japan ist im Begriff, nicht
nur die ihm von vornherein die Vorhand zuwendenden Vorteile seiner örtlichen
Lage als nächster Nachbar voll auszunutzen, sondern auch die Ergebnisse einer
klug und geduldig zuwartenden Politik einzuheimsen.

Gerade eine solche nicht eingeschlagen zu haben, ist der einzige, allerdings aus¬
schlaggebende Vorwurf, den man dem Admiral Koltschak machen muß. dessen
militärischer Zusammenbruch die ganze Entwicklung jäh ins Abrollen gebracht hat.
Der einfache Verstand dieses fähigen und energischen Soldaten hat den ganzen
Kampf gegen die Bolschewisten geführt, als gälte es ein ausschließlich militärisches
Unternehmen. Immer hat er lediglich die militärische Stärke der Bolschewisten
»>6 A"^, gefaßt, sie rein militärisch zu bekämpfen gesucht und verkannt, daß der
Bolschewismus eine politische Macht ist. die man allein durch Postenketten nicht
einschließen kann. Er hat außenpolitisch einen klaren und scharfen Blick bewiesen,
den Buel einer eifersüchtigen Vaterlandsliebe, wie er dem soldatischen Führer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336947"/>
          <fw type="header" place="top"> ZVeltspiegel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_300" prev="#ID_299"> überrascht und bedrückt durch die mächtig anschwellende Kraft seiner sozialistischen<lb/>
Bewegung, verwirrt durch die Parteikämpfe im Parlament und in Panik über<lb/>
die entdeckten Bolschewisten-Komplotte, mit denen es in Wirklichkeit nicht ganz so<lb/>
schlimm sein wird, wie die amerikanische Presse dergleichen darzustellen liebt, nicht<lb/>
aufwenden will, vielleicht im Augenblick nicht einmal kann. Schon seit dem<lb/>
Sommer 1918 schweben Verhandlungen zwischen ihm und Japan über Sibirien<lb/>
und das im Januar 1919 gefallene Wort Nehidas: Osisibirien bedeutet für Japan<lb/>
dasselbe wie Mexiko für die Vereinigten Staaten, erhellte blitzartig das ganze<lb/>
Problem. Amerika opfert jetzt eine unhaltbare Position, um andere sichern zu<lb/>
können. Das Mittel, die nach allen Seiten zugleich drängende japanische<lb/>
Expansion an der kalifornischen und mexikanischen Küste zu schwächen, ist, ihr<lb/>
eine bestimmte Richtung nach Westen zu geben. Wir stehen vor einer Aufteilung<lb/>
der Interessensphären. Die Besitzergreifung Ostsibiriens ist eine gewaltige Auf¬<lb/>
gabe, die die Japaner ein halbes Jahrhundert beschäftigen kann. Denn leicht<lb/>
wird es Japan nicht haben. Möglich, daß eine kräftige Kolonisierung den, wie<lb/>
mannigfache Unruhen und zunehmende Demokratisierung beweisen, im Inneren<lb/>
allmählich unerträglich werdenden Druck erleichtert und der durch ungeheure<lb/>
Kriegsgewinne entstandenen Übersättigung neue Betätigungsmöglichkeitm außerhalb<lb/>
des übervölkerten Landes schafft, aber leicht wird ihnen die Aufgabe nicht werden.<lb/>
Schon heute haben sie überall gegen die Konkurrenz des billigeren chinesischen<lb/>
Arbeiters zu kämpfen, noch haben sie die erste Stufe ihrer Weltmachtstellung,<lb/>
Korea, nicht gesichert, wo es trotz gewährter Autonomie dauernd zu Unruhen<lb/>
kommt, und endlich ist es nicht wahrscheinlich, daß ein neues und wieder gefestigtes<lb/>
Rußland ihnen die Beute kampflos überläßt, deren Sicherung, je weiter sie von<lb/>
der Basis abliegt, je schwieriger wird. Allerdings haben sie bereits vorgesorgt<lb/>
und sich einen Bundesgenossen gesichert: China. Denn es kann kaum verkannt<lb/>
werden, daß zwischen der vielleicht nur scheinbar milderen Sprache Japans gegen<lb/>
China in der Shantung-Angelegenheit, dem im August von der russischen Sowjet¬<lb/>
regierung an das chinesische Volk erlassenen Manifest mit der ruhmrediger Mit¬<lb/>
teilung, daß das russische Heer den Vormarsch nach Osten aufgenommen habe, um<lb/>
den arbeitenden Klassen Chinas Hilfe zu bringen, und der &#x2014; laut &#x201E;Times" von<lb/>
China erzwungenen &#x2014; Petition der Mongolei an China zur Aushebung des 1912<lb/>
zwischen China, Rußland und der Mongolei geschlossenen Kiächta-Vertrages, einer<lb/>
Petition, in der die Mongolei, bedroht durch bolschewistische Banden, auf ihre<lb/>
Unabhängigkeit verzichtet und unter die Herrschaft Chinas zurückzukehren wünscht,<lb/>
ein innerer Zusammenhang besteht. Japan wünscht maßgebenden Einfluß in<lb/>
China, mindestens in Nordchina, wird jedoch jede Bewegung unterstützen, die den<lb/>
Auseinanderfall des Landes hindert. Darum wird ihm die kraftvolle Unternehmung<lb/>
des Generals Hsu Shu Cheng zur Sicherung des Nordwestens, die bereits Ende<lb/>
Juni begann, hinderte willkommen sein. Zunächst sind seine Absichten natürlich<lb/>
&#x201E;rein defensiv", aber die planmäßige Besetzung aller wichtigen strategischen Punkte<lb/>
in Ostsibirien, die überaus rege Gründung von Schiffahrtsgesellschaften, Handels-<lb/>
niederlassungen und Banken reden deutlich genug. Japan ist im Begriff, nicht<lb/>
nur die ihm von vornherein die Vorhand zuwendenden Vorteile seiner örtlichen<lb/>
Lage als nächster Nachbar voll auszunutzen, sondern auch die Ergebnisse einer<lb/>
klug und geduldig zuwartenden Politik einzuheimsen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_301" next="#ID_302"> Gerade eine solche nicht eingeschlagen zu haben, ist der einzige, allerdings aus¬<lb/>
schlaggebende Vorwurf, den man dem Admiral Koltschak machen muß. dessen<lb/>
militärischer Zusammenbruch die ganze Entwicklung jäh ins Abrollen gebracht hat.<lb/>
Der einfache Verstand dieses fähigen und energischen Soldaten hat den ganzen<lb/>
Kampf gegen die Bolschewisten geführt, als gälte es ein ausschließlich militärisches<lb/>
Unternehmen. Immer hat er lediglich die militärische Stärke der Bolschewisten<lb/>
»&gt;6 A"^, gefaßt, sie rein militärisch zu bekämpfen gesucht und verkannt, daß der<lb/>
Bolschewismus eine politische Macht ist. die man allein durch Postenketten nicht<lb/>
einschließen kann. Er hat außenpolitisch einen klaren und scharfen Blick bewiesen,<lb/>
den Buel einer eifersüchtigen Vaterlandsliebe, wie er dem soldatischen Führer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0102] ZVeltspiegel überrascht und bedrückt durch die mächtig anschwellende Kraft seiner sozialistischen Bewegung, verwirrt durch die Parteikämpfe im Parlament und in Panik über die entdeckten Bolschewisten-Komplotte, mit denen es in Wirklichkeit nicht ganz so schlimm sein wird, wie die amerikanische Presse dergleichen darzustellen liebt, nicht aufwenden will, vielleicht im Augenblick nicht einmal kann. Schon seit dem Sommer 1918 schweben Verhandlungen zwischen ihm und Japan über Sibirien und das im Januar 1919 gefallene Wort Nehidas: Osisibirien bedeutet für Japan dasselbe wie Mexiko für die Vereinigten Staaten, erhellte blitzartig das ganze Problem. Amerika opfert jetzt eine unhaltbare Position, um andere sichern zu können. Das Mittel, die nach allen Seiten zugleich drängende japanische Expansion an der kalifornischen und mexikanischen Küste zu schwächen, ist, ihr eine bestimmte Richtung nach Westen zu geben. Wir stehen vor einer Aufteilung der Interessensphären. Die Besitzergreifung Ostsibiriens ist eine gewaltige Auf¬ gabe, die die Japaner ein halbes Jahrhundert beschäftigen kann. Denn leicht wird es Japan nicht haben. Möglich, daß eine kräftige Kolonisierung den, wie mannigfache Unruhen und zunehmende Demokratisierung beweisen, im Inneren allmählich unerträglich werdenden Druck erleichtert und der durch ungeheure Kriegsgewinne entstandenen Übersättigung neue Betätigungsmöglichkeitm außerhalb des übervölkerten Landes schafft, aber leicht wird ihnen die Aufgabe nicht werden. Schon heute haben sie überall gegen die Konkurrenz des billigeren chinesischen Arbeiters zu kämpfen, noch haben sie die erste Stufe ihrer Weltmachtstellung, Korea, nicht gesichert, wo es trotz gewährter Autonomie dauernd zu Unruhen kommt, und endlich ist es nicht wahrscheinlich, daß ein neues und wieder gefestigtes Rußland ihnen die Beute kampflos überläßt, deren Sicherung, je weiter sie von der Basis abliegt, je schwieriger wird. Allerdings haben sie bereits vorgesorgt und sich einen Bundesgenossen gesichert: China. Denn es kann kaum verkannt werden, daß zwischen der vielleicht nur scheinbar milderen Sprache Japans gegen China in der Shantung-Angelegenheit, dem im August von der russischen Sowjet¬ regierung an das chinesische Volk erlassenen Manifest mit der ruhmrediger Mit¬ teilung, daß das russische Heer den Vormarsch nach Osten aufgenommen habe, um den arbeitenden Klassen Chinas Hilfe zu bringen, und der — laut „Times" von China erzwungenen — Petition der Mongolei an China zur Aushebung des 1912 zwischen China, Rußland und der Mongolei geschlossenen Kiächta-Vertrages, einer Petition, in der die Mongolei, bedroht durch bolschewistische Banden, auf ihre Unabhängigkeit verzichtet und unter die Herrschaft Chinas zurückzukehren wünscht, ein innerer Zusammenhang besteht. Japan wünscht maßgebenden Einfluß in China, mindestens in Nordchina, wird jedoch jede Bewegung unterstützen, die den Auseinanderfall des Landes hindert. Darum wird ihm die kraftvolle Unternehmung des Generals Hsu Shu Cheng zur Sicherung des Nordwestens, die bereits Ende Juni begann, hinderte willkommen sein. Zunächst sind seine Absichten natürlich „rein defensiv", aber die planmäßige Besetzung aller wichtigen strategischen Punkte in Ostsibirien, die überaus rege Gründung von Schiffahrtsgesellschaften, Handels- niederlassungen und Banken reden deutlich genug. Japan ist im Begriff, nicht nur die ihm von vornherein die Vorhand zuwendenden Vorteile seiner örtlichen Lage als nächster Nachbar voll auszunutzen, sondern auch die Ergebnisse einer klug und geduldig zuwartenden Politik einzuheimsen. Gerade eine solche nicht eingeschlagen zu haben, ist der einzige, allerdings aus¬ schlaggebende Vorwurf, den man dem Admiral Koltschak machen muß. dessen militärischer Zusammenbruch die ganze Entwicklung jäh ins Abrollen gebracht hat. Der einfache Verstand dieses fähigen und energischen Soldaten hat den ganzen Kampf gegen die Bolschewisten geführt, als gälte es ein ausschließlich militärisches Unternehmen. Immer hat er lediglich die militärische Stärke der Bolschewisten »>6 A"^, gefaßt, sie rein militärisch zu bekämpfen gesucht und verkannt, daß der Bolschewismus eine politische Macht ist. die man allein durch Postenketten nicht einschließen kann. Er hat außenpolitisch einen klaren und scharfen Blick bewiesen, den Buel einer eifersüchtigen Vaterlandsliebe, wie er dem soldatischen Führer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/102
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/102>, abgerufen am 27.07.2024.