Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Der amerikanische völkerbnndsgedcmke diejenigen Staaten Europas, die an das atlantische Meer grenzten und die Wie kam es jedoch, daß bei dieser Besiedlung die angelsächsische Rasse England hatte durch seine insulare Lage den großen Vorteil, daß es Dieses britische "europäische Gleichgewicht hatte seinen Schwerpunkt in Für den britischen Gleichgewichtsgedanken genügte jedoch nicht nur die Es ist unberechtigt, in bezug auf die Durchführung dieses englischen Zieles England genoß den Vorteil dieses europäischen Gleichgewichts im Anfang Der amerikanische völkerbnndsgedcmke diejenigen Staaten Europas, die an das atlantische Meer grenzten und die Wie kam es jedoch, daß bei dieser Besiedlung die angelsächsische Rasse England hatte durch seine insulare Lage den großen Vorteil, daß es Dieses britische „europäische Gleichgewicht hatte seinen Schwerpunkt in Für den britischen Gleichgewichtsgedanken genügte jedoch nicht nur die Es ist unberechtigt, in bezug auf die Durchführung dieses englischen Zieles England genoß den Vorteil dieses europäischen Gleichgewichts im Anfang <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0091" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336381"/> <fw type="header" place="top"> Der amerikanische völkerbnndsgedcmke</fw><lb/> <p xml:id="ID_293" prev="#ID_292"> diejenigen Staaten Europas, die an das atlantische Meer grenzten und die<lb/> ihrer ganzen geschichtlichen Entwicklung nach als „ältere" Staatengebilde betrachtet<lb/> werden müssen, dem deutschen Reiche vorangingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_294"> Wie kam es jedoch, daß bei dieser Besiedlung die angelsächsische Rasse<lb/> einen so gewaltigen Vorsprung vor dem französischen Volke erkämpfte? Der<lb/> Grund liegt uicht nur einfach in der Tatsache der größeren Ausdehnungskraft<lb/> der angelsächsischen Rasse. Gerade diese Ausdehnungskraft hat ihre besondere<lb/> Ursache. Und diese Ursache liegt vorzüglich auf geographischem und politischem<lb/> Gebiet.</p><lb/> <p xml:id="ID_295"> England hatte durch seine insulare Lage den großen Vorteil, daß es<lb/> nicht taktisch an die Länder des Kontinents grenzte. Es bedürfte keiner<lb/> schützenden Heereskräfte und konnte daher feine Volkskraft ausschließlich dem<lb/> Reichtumswillen widmen. Frankreich verbrauchte dagegen seine Volkskraft<lb/> einmal in den nötigen Kämpfen gegen die Vormachtstellung des spanischen<lb/> Imperiums und weiter während der kontinentalen Überlastungspolitik Ludwigs<lb/> des Vierzehnten in übertriebenen Raub- und Angriffskriegen gegen die deutschen<lb/> Stämme. So entstand — fast unbeachtet von dem kontinentalen Europa und<lb/> wie ein Geschenk des Himmels an England — der Gedanke des britischen<lb/> „europäischen Gleichgewichts"."</p><lb/> <p xml:id="ID_296"> Dieses britische „europäische Gleichgewicht hatte seinen Schwerpunkt in<lb/> der Straße Dover—Calais als der nächsten widerstandsschwächsten Verbindung<lb/> zum Kontinent. England bedürfte der unumschränkten Herrschaft in dieser<lb/> Straße, damit es seine — nur wenig Volkskraft verbrauchenden — Kriegs¬<lb/> flotten heute westlich und morgen östlich derselben einsetzen und somit sowohl<lb/> Überseebestrebungen als auch Angriffsabsichten der Europavölker verhindern<lb/> konnte. Es lag ihm aus diesem Grunde auch besonders daran, daß es keine<lb/> kontinentale Macht gab, die zugleich westlich und östlich der Straße Landbesitz<lb/> oder Handelsbeziehungen ihr eigen nennen konnte. Die mannigfachen früheren<lb/> Staatenformen des heutigen Belgiens reden hierin eine beredte Sprache.</p><lb/> <p xml:id="ID_297"> Für den britischen Gleichgewichtsgedanken genügte jedoch nicht nur die<lb/> lokale Frage der Straße Dover—Calais. Wenn England seine Seemachtstellung<lb/> wahren und seinen Nassenangehörigen sowohl die unumschränkte Ausnutzung<lb/> der Kolonialländer als auch die reiche Front des fernen Ostens sichern wollte,<lb/> bedürfte es nicht nur einer gegenseitigen Jnschachhaltung der kontinentalen Völker<lb/> vor dem „lokalen" Brennpunkt Calais, sondern es brauchte eine solche gegen¬<lb/> seitige Fesselung aller militärischen und wirtschaftlichen Kräfte aller Europa¬<lb/> völker, daß letztere zur Ausrüstung von Kriegs- und Handelsflotten und zum<lb/> Anknüpfen lebensfähiger Überseebeziehungen nicht imstande waren. Es bedürfte<lb/> einer englischen „Freiheit" in allen Meeresengen und damit einer englischen<lb/> „Freiheit" aller Meere und Ströme. ' <</p><lb/> <p xml:id="ID_298"> Es ist unberechtigt, in bezug auf die Durchführung dieses englischen Zieles<lb/> übertrieben von dem Geschick des englischen Staatsmannes zu sprechen. Vor<lb/> allem war es die europäische Völkerkonstellation, die diesen Gleichgewichts¬<lb/> gedanken ermöglichte, in ähnlicher Form, wie früher zur Zeit des spanischen<lb/> Imperiums und der Alleinherrschaft der Päpste und wie wahrscheinlich in der<lb/> Zukunft für die Zeiten des amerikanischen Weltimperiums. Das britische Reich<lb/> ist daher auch nicht eine Schöpfung der britischen Kriegsflotten oder des britischen<lb/> Kaufmannes allein, fondern es ist vor allem auch eine Schöpfung der europäischen<lb/> sich gegenseitig befehdenden Volks- und Heereskräfte, kurz der europäischen Not.</p><lb/> <p xml:id="ID_299" next="#ID_300"> England genoß den Vorteil dieses europäischen Gleichgewichts im Anfang<lb/> des achtzehnten Jahrhunderts, als durch die überlastende Politik Ludwigs des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
Der amerikanische völkerbnndsgedcmke
diejenigen Staaten Europas, die an das atlantische Meer grenzten und die
ihrer ganzen geschichtlichen Entwicklung nach als „ältere" Staatengebilde betrachtet
werden müssen, dem deutschen Reiche vorangingen.
Wie kam es jedoch, daß bei dieser Besiedlung die angelsächsische Rasse
einen so gewaltigen Vorsprung vor dem französischen Volke erkämpfte? Der
Grund liegt uicht nur einfach in der Tatsache der größeren Ausdehnungskraft
der angelsächsischen Rasse. Gerade diese Ausdehnungskraft hat ihre besondere
Ursache. Und diese Ursache liegt vorzüglich auf geographischem und politischem
Gebiet.
England hatte durch seine insulare Lage den großen Vorteil, daß es
nicht taktisch an die Länder des Kontinents grenzte. Es bedürfte keiner
schützenden Heereskräfte und konnte daher feine Volkskraft ausschließlich dem
Reichtumswillen widmen. Frankreich verbrauchte dagegen seine Volkskraft
einmal in den nötigen Kämpfen gegen die Vormachtstellung des spanischen
Imperiums und weiter während der kontinentalen Überlastungspolitik Ludwigs
des Vierzehnten in übertriebenen Raub- und Angriffskriegen gegen die deutschen
Stämme. So entstand — fast unbeachtet von dem kontinentalen Europa und
wie ein Geschenk des Himmels an England — der Gedanke des britischen
„europäischen Gleichgewichts"."
Dieses britische „europäische Gleichgewicht hatte seinen Schwerpunkt in
der Straße Dover—Calais als der nächsten widerstandsschwächsten Verbindung
zum Kontinent. England bedürfte der unumschränkten Herrschaft in dieser
Straße, damit es seine — nur wenig Volkskraft verbrauchenden — Kriegs¬
flotten heute westlich und morgen östlich derselben einsetzen und somit sowohl
Überseebestrebungen als auch Angriffsabsichten der Europavölker verhindern
konnte. Es lag ihm aus diesem Grunde auch besonders daran, daß es keine
kontinentale Macht gab, die zugleich westlich und östlich der Straße Landbesitz
oder Handelsbeziehungen ihr eigen nennen konnte. Die mannigfachen früheren
Staatenformen des heutigen Belgiens reden hierin eine beredte Sprache.
Für den britischen Gleichgewichtsgedanken genügte jedoch nicht nur die
lokale Frage der Straße Dover—Calais. Wenn England seine Seemachtstellung
wahren und seinen Nassenangehörigen sowohl die unumschränkte Ausnutzung
der Kolonialländer als auch die reiche Front des fernen Ostens sichern wollte,
bedürfte es nicht nur einer gegenseitigen Jnschachhaltung der kontinentalen Völker
vor dem „lokalen" Brennpunkt Calais, sondern es brauchte eine solche gegen¬
seitige Fesselung aller militärischen und wirtschaftlichen Kräfte aller Europa¬
völker, daß letztere zur Ausrüstung von Kriegs- und Handelsflotten und zum
Anknüpfen lebensfähiger Überseebeziehungen nicht imstande waren. Es bedürfte
einer englischen „Freiheit" in allen Meeresengen und damit einer englischen
„Freiheit" aller Meere und Ströme. ' <
Es ist unberechtigt, in bezug auf die Durchführung dieses englischen Zieles
übertrieben von dem Geschick des englischen Staatsmannes zu sprechen. Vor
allem war es die europäische Völkerkonstellation, die diesen Gleichgewichts¬
gedanken ermöglichte, in ähnlicher Form, wie früher zur Zeit des spanischen
Imperiums und der Alleinherrschaft der Päpste und wie wahrscheinlich in der
Zukunft für die Zeiten des amerikanischen Weltimperiums. Das britische Reich
ist daher auch nicht eine Schöpfung der britischen Kriegsflotten oder des britischen
Kaufmannes allein, fondern es ist vor allem auch eine Schöpfung der europäischen
sich gegenseitig befehdenden Volks- und Heereskräfte, kurz der europäischen Not.
England genoß den Vorteil dieses europäischen Gleichgewichts im Anfang
des achtzehnten Jahrhunderts, als durch die überlastende Politik Ludwigs des
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