Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Zum Betriebsrütegcsctz Auf wirtschaftlichem Gebiet hat der Betriebsrat die Betriebsleitung mit Rat Der Betriebsrat hat ein Recht darauf, Aufschluß über alle die Arbeit¬ Diese Strafvorschriften heben sich auf dem Papier ganz schön ab. Praktisch Zum Betriebsrütegcsctz Auf wirtschaftlichem Gebiet hat der Betriebsrat die Betriebsleitung mit Rat Der Betriebsrat hat ein Recht darauf, Aufschluß über alle die Arbeit¬ Diese Strafvorschriften heben sich auf dem Papier ganz schön ab. Praktisch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336356"/> <fw type="header" place="top"> Zum Betriebsrütegcsctz</fw><lb/> <p xml:id="ID_210"> Auf wirtschaftlichem Gebiet hat der Betriebsrat die Betriebsleitung mit Rat<lb/> zu unterstützen, um so mit ihr für einen möglichst hohen Stand, der Produktion<lb/> und für möglichst große Wirtschaftlichkeit der Betriebsleitung zu sorgen. Ju die<lb/> Aufsichtsrate derjenigen Unternehmungen, für welche ein Aufsichtsrat besteht,<lb/> entsendet der Betriebsrat ein bis zwei seiner Mitglieder nach besonderem noch zu<lb/> erlassenden Gesetz. Betrachten wir diese Forderung, so ergibt sich eine völlige<lb/> Verkennung der reinen Wirklichkeit, Denkt man z. B. an einen Streik. Der<lb/> Aufsichtsrat tritt zusammen, um über die Forderungen der Arbeitnehmer zu<lb/> beraten. Die Arbeiter beteiligen sich an dieser Beratung als Aufsichtsralsmitglieder<lb/> und gehören womöglich selbst der Streikleitung an. Ist das nicht ein großer<lb/> Unsinn? Mit Recht betonte Karl Friedrich von Siemers, dasz das Unternehmen<lb/> unfehlbar einem schlimmen Schicksal entgegengehe, wenn in den Aufsichtsrat Leute<lb/> hineinkommen, die nur kurze Zeit dem Betriebe angehören; die Diskretion wird<lb/> völlig schwinden. Denkt man weiter, z. B. an eine Gesellschaft, die von zwei<lb/> Parteien gegründet und deren Stimmenverhältnis nach einem bestimmten Modus<lb/> geregelt ist; kommen hier zwei Betriebsräte hinzu, so wird das ganze Gebäude<lb/> über den Haufen geworfen. Man muß ferner die Anfechtungen in Betracht ziehen,<lb/> denen die Vetriebsratsmitglieder im Aufsichtsrat ausgesetzt sein werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_211"> Der Betriebsrat hat ein Recht darauf, Aufschluß über alle die Arbeit¬<lb/> nehmerschaft berührenden Betriebsvorgänge, soweit dadurch keine Betriebs- oder<lb/> Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden, zu verlangen. Insbesondere kann er die<lb/> Vorlage von Lohnbüchern und Informationen über die Leistungen des Betriebes<lb/> und den zu erwartenden Arbeitsbedarf fordern. Unter Lohnbücher im Sinne des<lb/> Gesetzes sind auch die Gehaltslisten zu verstehen. Die Folge wird sein, daß der<lb/> Untergebene über die Bezüge seiner Vorgesetzten genau im Bilde ist, was nur<lb/> Neid, Mißgunst, Erbitterung und neue Forderungen zeitigen wird. Von beson¬<lb/> derer Wichtigkeit ist die Bestimmung, daß in Unternehmungen, die Handelsbücher<lb/> zu führen haben und mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigen, der Betriebsrat<lb/> vom 1. Januar 1920 ,ab jährlich die Vorlage einer Bilanz und einer Gewinn-<lb/> und Vcrlustrechnung verlangen kann. Diese Bestimmung wird ruinös gerade für<lb/> kleinere Finnen wirken. Denn solange die Menschen keine Engel sind, solange<lb/> müssen wir auch mit bestechlichen Elementen rechnen. Ohne Zweifel werden sich<lb/> die Fälle der Indiskretion, der fahrlässigen Preisgabe von Einzelheiten der<lb/> Eutlohnungs- und Betriebsleistungsverhältnisse und der Bilanz häufen. Nebenbei<lb/> erwähnt, kommt nicht die Bilanz der Aktiengesellschaften in Betracht, die diese zu<lb/> veröffentlichen gesetzlich verpflichtet sind, sondern die Bilanzen der Einzelfinnen.<lb/> offenen Handelsgesellschaften. Auf der einen Seite hütet der Unternehmer auf das<lb/> Sorgsamste die wichtigsten Geschäftsgeheimnisse vor der Konkurrenz, auf der<lb/> andern Seite wird die Axt des Konkurrenten zur Zertrümmerung seines Kredits<lb/> angelegt. Zwar ist die Geheimhaltung der dem Betriebsrat mitgeteilten<lb/> Geschäslsgeheimnisse durch Strafvorschriften gesichert. In iz 61 des Entwurfs<lb/> heißt es: „Mitglieder des Betriebsrates, 'Ergänzungsmitglieder, Vertrauens¬<lb/> personen und Betriebsobleute, , die unbefugt Betriebs- oder Geschäfts¬<lb/> geheimnisse offenbaren, die ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden<lb/> und als solche bezeichnet worden sind, werden mit Geldstrafe bis zu 1600 Mark<lb/> oder mit Haft bestraft. Begehen sie die strafbare Handlung, um den Unternehmer<lb/> zu schädigen oder um sich oder anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen,<lb/> so werden sie mit Gefängnis bestraft. Neben der Gefängnisstrafe kann auf Ver¬<lb/> lust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Geldstrafe bis zu 3000 Mark erkannt<lb/> werden. Auch kann auf die Einziehung der durch die strafbare Handlung er¬<lb/> langten Vorteile erkannt werden. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der die<lb/> ihm unbefugt offenbarten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse für sich oder einen<lb/> andern verwertet oder an andere mitteilt."</p><lb/> <p xml:id="ID_212" next="#ID_213"> Diese Strafvorschriften heben sich auf dem Papier ganz schön ab. Praktisch<lb/> gedacht liegen aber die Dinge so. Durch Verrat von 'Geschäftsgeheimnissen ist<lb/> der Kredit des Unternehmers, der mit einem schlechten Geschäftsjahr abgeschlossen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
Zum Betriebsrütegcsctz
Auf wirtschaftlichem Gebiet hat der Betriebsrat die Betriebsleitung mit Rat
zu unterstützen, um so mit ihr für einen möglichst hohen Stand, der Produktion
und für möglichst große Wirtschaftlichkeit der Betriebsleitung zu sorgen. Ju die
Aufsichtsrate derjenigen Unternehmungen, für welche ein Aufsichtsrat besteht,
entsendet der Betriebsrat ein bis zwei seiner Mitglieder nach besonderem noch zu
erlassenden Gesetz. Betrachten wir diese Forderung, so ergibt sich eine völlige
Verkennung der reinen Wirklichkeit, Denkt man z. B. an einen Streik. Der
Aufsichtsrat tritt zusammen, um über die Forderungen der Arbeitnehmer zu
beraten. Die Arbeiter beteiligen sich an dieser Beratung als Aufsichtsralsmitglieder
und gehören womöglich selbst der Streikleitung an. Ist das nicht ein großer
Unsinn? Mit Recht betonte Karl Friedrich von Siemers, dasz das Unternehmen
unfehlbar einem schlimmen Schicksal entgegengehe, wenn in den Aufsichtsrat Leute
hineinkommen, die nur kurze Zeit dem Betriebe angehören; die Diskretion wird
völlig schwinden. Denkt man weiter, z. B. an eine Gesellschaft, die von zwei
Parteien gegründet und deren Stimmenverhältnis nach einem bestimmten Modus
geregelt ist; kommen hier zwei Betriebsräte hinzu, so wird das ganze Gebäude
über den Haufen geworfen. Man muß ferner die Anfechtungen in Betracht ziehen,
denen die Vetriebsratsmitglieder im Aufsichtsrat ausgesetzt sein werden.
Der Betriebsrat hat ein Recht darauf, Aufschluß über alle die Arbeit¬
nehmerschaft berührenden Betriebsvorgänge, soweit dadurch keine Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden, zu verlangen. Insbesondere kann er die
Vorlage von Lohnbüchern und Informationen über die Leistungen des Betriebes
und den zu erwartenden Arbeitsbedarf fordern. Unter Lohnbücher im Sinne des
Gesetzes sind auch die Gehaltslisten zu verstehen. Die Folge wird sein, daß der
Untergebene über die Bezüge seiner Vorgesetzten genau im Bilde ist, was nur
Neid, Mißgunst, Erbitterung und neue Forderungen zeitigen wird. Von beson¬
derer Wichtigkeit ist die Bestimmung, daß in Unternehmungen, die Handelsbücher
zu führen haben und mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigen, der Betriebsrat
vom 1. Januar 1920 ,ab jährlich die Vorlage einer Bilanz und einer Gewinn-
und Vcrlustrechnung verlangen kann. Diese Bestimmung wird ruinös gerade für
kleinere Finnen wirken. Denn solange die Menschen keine Engel sind, solange
müssen wir auch mit bestechlichen Elementen rechnen. Ohne Zweifel werden sich
die Fälle der Indiskretion, der fahrlässigen Preisgabe von Einzelheiten der
Eutlohnungs- und Betriebsleistungsverhältnisse und der Bilanz häufen. Nebenbei
erwähnt, kommt nicht die Bilanz der Aktiengesellschaften in Betracht, die diese zu
veröffentlichen gesetzlich verpflichtet sind, sondern die Bilanzen der Einzelfinnen.
offenen Handelsgesellschaften. Auf der einen Seite hütet der Unternehmer auf das
Sorgsamste die wichtigsten Geschäftsgeheimnisse vor der Konkurrenz, auf der
andern Seite wird die Axt des Konkurrenten zur Zertrümmerung seines Kredits
angelegt. Zwar ist die Geheimhaltung der dem Betriebsrat mitgeteilten
Geschäslsgeheimnisse durch Strafvorschriften gesichert. In iz 61 des Entwurfs
heißt es: „Mitglieder des Betriebsrates, 'Ergänzungsmitglieder, Vertrauens¬
personen und Betriebsobleute, , die unbefugt Betriebs- oder Geschäfts¬
geheimnisse offenbaren, die ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden
und als solche bezeichnet worden sind, werden mit Geldstrafe bis zu 1600 Mark
oder mit Haft bestraft. Begehen sie die strafbare Handlung, um den Unternehmer
zu schädigen oder um sich oder anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen,
so werden sie mit Gefängnis bestraft. Neben der Gefängnisstrafe kann auf Ver¬
lust der bürgerlichen Ehrenrechte und auf Geldstrafe bis zu 3000 Mark erkannt
werden. Auch kann auf die Einziehung der durch die strafbare Handlung er¬
langten Vorteile erkannt werden. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der die
ihm unbefugt offenbarten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse für sich oder einen
andern verwertet oder an andere mitteilt."
Diese Strafvorschriften heben sich auf dem Papier ganz schön ab. Praktisch
gedacht liegen aber die Dinge so. Durch Verrat von 'Geschäftsgeheimnissen ist
der Kredit des Unternehmers, der mit einem schlechten Geschäftsjahr abgeschlossen
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