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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Die Lehre von Leipzig
Dr. Max von Szczepanski von

in 18. Oktober 1813 wurde bei Leipzig die Völkerschlacht geschlagen.
Das war der Anfang vom Ende der Bedrückung des europäischen
Festlandes durch einen Mann und durch eine Nation. Russen
und Schweden. Österreicher und Preußen hatten den blutigen
Ring gezogen, aus dem zu entkommen dem mächtigen Kaiser
^ freilich noch einmal glückte. Aber er war doch diesmal so
entscheidend getroffen, daß seines und seiner Mannen Bleiben auf deutschem
Boden nicht mehr sein konnte. Bis an. den Rhein und über den Rhein hinweg
Ehrten die verbündeten Kriegsleiter ihre Heere, den Verteidigungskrieg, den sie
bis dahin durchgefochten, in einen vernichtenden Rachefeldzug wandelnd.

Welche Motive nun hatten die verschiedenen Nationen auf dem Schlacht¬
feld von Leipzig vereinigt? Die russische Kriegführung des Jahres 1813 war
der Nachstoß aus glücklich gelungener nachhaltiger strategischer Verteidigung,
politisch gerechtfertigt durch das Bestreben, die eigenen Grenzen zu größerer
Sicherung gegen künftige Einfülle durch Einbeziehung weiterer polnischer Landes-
teile in das große russische Reich nach Westen zu erweitern; aber auch der.
politische Ehrgeiz, als Befreier und Retter der bedrängten Nachbarn die
bisherige Herrschaft der großen westlichen Macht durch eigenen Einfluß in
Europa zu ersetzen, trieb den Kaiser Alexander zu immer neuem, weit über den
Lahmen russischer Landesverteidigung hinausgehenden kriegerischen Handeln.
Die Staatskunst Schwedens suchte durch ihren bewaffneten Anschluß an die
8Mu Frankreich kriegführenden Mächte territoriale Erwerbungen auf skandi¬
navischen Boden, den Besitz Norwegens, sich zu sichern; durch dieses Wollen
^ar sie den Kriegswillen des großen russischen Nachbarn gefesselt. Die
Donaumonarchie folgte, indem sie sich nach dem Frühjahrsfeldzug von 1813
den übrigen Verbündeten zugesellte, ihrem politischen System in Deutschland,
das eine Erstarkung Preußens ebenso wie ein russisches Protektorat zu verhindern
Nrebte: erst Napoleons Maßlosigkeit gegenüber Metternichs Vermittlungsversuchen
Mlle diesem Staatsmanne den Weg gezeigt, auf dem er das politische Interesse
och österreichischen Kaiserstaates zu verfolgen hatte. Durchaus reale Tendenzen
"tho waren es, von denen diese drei Mächte im Befreiungskriege getrieben
wurden.


Grenzboten IV 1919 6


Die Lehre von Leipzig
Dr. Max von Szczepanski von

in 18. Oktober 1813 wurde bei Leipzig die Völkerschlacht geschlagen.
Das war der Anfang vom Ende der Bedrückung des europäischen
Festlandes durch einen Mann und durch eine Nation. Russen
und Schweden. Österreicher und Preußen hatten den blutigen
Ring gezogen, aus dem zu entkommen dem mächtigen Kaiser
^ freilich noch einmal glückte. Aber er war doch diesmal so
entscheidend getroffen, daß seines und seiner Mannen Bleiben auf deutschem
Boden nicht mehr sein konnte. Bis an. den Rhein und über den Rhein hinweg
Ehrten die verbündeten Kriegsleiter ihre Heere, den Verteidigungskrieg, den sie
bis dahin durchgefochten, in einen vernichtenden Rachefeldzug wandelnd.

Welche Motive nun hatten die verschiedenen Nationen auf dem Schlacht¬
feld von Leipzig vereinigt? Die russische Kriegführung des Jahres 1813 war
der Nachstoß aus glücklich gelungener nachhaltiger strategischer Verteidigung,
politisch gerechtfertigt durch das Bestreben, die eigenen Grenzen zu größerer
Sicherung gegen künftige Einfülle durch Einbeziehung weiterer polnischer Landes-
teile in das große russische Reich nach Westen zu erweitern; aber auch der.
politische Ehrgeiz, als Befreier und Retter der bedrängten Nachbarn die
bisherige Herrschaft der großen westlichen Macht durch eigenen Einfluß in
Europa zu ersetzen, trieb den Kaiser Alexander zu immer neuem, weit über den
Lahmen russischer Landesverteidigung hinausgehenden kriegerischen Handeln.
Die Staatskunst Schwedens suchte durch ihren bewaffneten Anschluß an die
8Mu Frankreich kriegführenden Mächte territoriale Erwerbungen auf skandi¬
navischen Boden, den Besitz Norwegens, sich zu sichern; durch dieses Wollen
^ar sie den Kriegswillen des großen russischen Nachbarn gefesselt. Die
Donaumonarchie folgte, indem sie sich nach dem Frühjahrsfeldzug von 1813
den übrigen Verbündeten zugesellte, ihrem politischen System in Deutschland,
das eine Erstarkung Preußens ebenso wie ein russisches Protektorat zu verhindern
Nrebte: erst Napoleons Maßlosigkeit gegenüber Metternichs Vermittlungsversuchen
Mlle diesem Staatsmanne den Weg gezeigt, auf dem er das politische Interesse
och österreichischen Kaiserstaates zu verfolgen hatte. Durchaus reale Tendenzen
"tho waren es, von denen diese drei Mächte im Befreiungskriege getrieben
wurden.


Grenzboten IV 1919 6
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[0057] [Abbildung] Die Lehre von Leipzig Dr. Max von Szczepanski von in 18. Oktober 1813 wurde bei Leipzig die Völkerschlacht geschlagen. Das war der Anfang vom Ende der Bedrückung des europäischen Festlandes durch einen Mann und durch eine Nation. Russen und Schweden. Österreicher und Preußen hatten den blutigen Ring gezogen, aus dem zu entkommen dem mächtigen Kaiser ^ freilich noch einmal glückte. Aber er war doch diesmal so entscheidend getroffen, daß seines und seiner Mannen Bleiben auf deutschem Boden nicht mehr sein konnte. Bis an. den Rhein und über den Rhein hinweg Ehrten die verbündeten Kriegsleiter ihre Heere, den Verteidigungskrieg, den sie bis dahin durchgefochten, in einen vernichtenden Rachefeldzug wandelnd. Welche Motive nun hatten die verschiedenen Nationen auf dem Schlacht¬ feld von Leipzig vereinigt? Die russische Kriegführung des Jahres 1813 war der Nachstoß aus glücklich gelungener nachhaltiger strategischer Verteidigung, politisch gerechtfertigt durch das Bestreben, die eigenen Grenzen zu größerer Sicherung gegen künftige Einfülle durch Einbeziehung weiterer polnischer Landes- teile in das große russische Reich nach Westen zu erweitern; aber auch der. politische Ehrgeiz, als Befreier und Retter der bedrängten Nachbarn die bisherige Herrschaft der großen westlichen Macht durch eigenen Einfluß in Europa zu ersetzen, trieb den Kaiser Alexander zu immer neuem, weit über den Lahmen russischer Landesverteidigung hinausgehenden kriegerischen Handeln. Die Staatskunst Schwedens suchte durch ihren bewaffneten Anschluß an die 8Mu Frankreich kriegführenden Mächte territoriale Erwerbungen auf skandi¬ navischen Boden, den Besitz Norwegens, sich zu sichern; durch dieses Wollen ^ar sie den Kriegswillen des großen russischen Nachbarn gefesselt. Die Donaumonarchie folgte, indem sie sich nach dem Frühjahrsfeldzug von 1813 den übrigen Verbündeten zugesellte, ihrem politischen System in Deutschland, das eine Erstarkung Preußens ebenso wie ein russisches Protektorat zu verhindern Nrebte: erst Napoleons Maßlosigkeit gegenüber Metternichs Vermittlungsversuchen Mlle diesem Staatsmanne den Weg gezeigt, auf dem er das politische Interesse och österreichischen Kaiserstaates zu verfolgen hatte. Durchaus reale Tendenzen "tho waren es, von denen diese drei Mächte im Befreiungskriege getrieben wurden. Grenzboten IV 1919 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/57>, abgerufen am 15.01.2025.