Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Ans den Deutschen Volksräten [Beginn Spaltensatz] Warschau entsenden werden, dafür wirken, Zum Liquidieren gehört Geld, viel Geld. Nehmen wir ein Praktisches Beispiel: Ein Nun zum Schluß die Erwiderung auf verkauft, wird man nicht allzu viel dagegen Ans den Deutschen Volksräten [Beginn Spaltensatz] Warschau entsenden werden, dafür wirken, Zum Liquidieren gehört Geld, viel Geld. Nehmen wir ein Praktisches Beispiel: Ein Nun zum Schluß die Erwiderung auf verkauft, wird man nicht allzu viel dagegen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336812"/> <fw type="header" place="top"> Ans den Deutschen Volksräten</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2656" prev="#ID_2655"> Warschau entsenden werden, dafür wirken,<lb/> daß dieses Gesetz in dem von uns gewünschten<lb/> Sinn ausfällt.</p> <p xml:id="ID_2657"> Zum Liquidieren gehört Geld, viel Geld.<lb/> Das junge Polnische Staatswesen bedarf<lb/> aber zu seinem Ausbau so gewaltiger<lb/> Summen, daß es nicht ein erhebliches<lb/> Kapital in ein Unternehmen stecken darf,<lb/> das ihm finanziell abträglich ist. Ein solches<lb/> im höchsten Maß unlukratives Geschäft wäre<lb/> es aber, wenn Hunderte von arbeitsamen<lb/> Deutschen ausgekauft würden, und wenn<lb/> sich der Polnische Staat dadurch um Millionen<lb/> Werdenden Privatkapitals brächte, das hier<lb/> für ihn arbeitet und Steuern einbringt.<lb/> Und darin allein würde sich nicht einmal<lb/> das Ruinöse des Geschäftes erschöpfen.</p> <p xml:id="ID_2658"> Nehmen wir ein Praktisches Beispiel: Ein<lb/> Ansiedler hat seine Stelle vor zehn Jahren<lb/> für 50000 M. erworben. In den Jahren<lb/> seiner Besitzzeit, die ja für die Landwirtschaft<lb/> besonders günstig waren, hat sich der Wert<lb/> der Wirtschaft verdoppelt, bei gleichzeitiger<lb/> Erhöhung seiner Steuerkraft. Nun soll ein<lb/> Pole unter Vermittlung de» Staates die<lb/> Wirtschaft übernehmen. Über das volle<lb/> Kapital, das zum Erwerb erforderlich ist,<lb/> wird der Ersteher nur in den seltensten<lb/> Fällen verfügen. Der Staat muß ihm also<lb/> Kredit geben, und die Steuerleistung dessen,<lb/> der die Wirtschaft für 100000 Mark erwirbt,<lb/> muß natürlich viel geringer sein, als die<lb/> Steuerkraft des aufgekauften Vorbesitzers,<lb/> der seinerzeit für 6000uMark gekauft hatte.<lb/> Der Säckelmeister im Polnischen Regierungs¬<lb/> kollegium wird es sich also zweimal und<lb/> dreimal überlegen, ehe er seine Zustimmung<lb/> zu einer Finanzoperation gibt, ^die viele<lb/> Millionen aus den ihm zur Verfügung<lb/> stehenden Geldern festlegt, und bei der die<lb/> steuerlichen Einnahmen unweigerlich ge¬<lb/> schmälert werden.</p> <p xml:id="ID_2659" next="#ID_2660"> Nun zum Schluß die Erwiderung auf<lb/> ein letztes „wenn", das wir aus dem Leser¬<lb/> kreise zu hören glauben: „Wenn ich nur im<lb/> Liquidationsverfahren, falls es dennoch<lb/> kommen sollte, die 100 000 Mark bekäme,<lb/> die meine Wirtschaft jetzt wert ist." Viel,<lb/> viel sicherer wird er sie bekommen, als bei<lb/> vorzeitigen freihändigen VerkaufI Wenn<lb/> jetzt ein Ansiedler seine Stelle freihändig</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2660" prev="#ID_2659" next="#ID_2661"> verkauft, wird man nicht allzu viel dagegen<lb/> erinnern dürfen, daß die Anfledlungs-<lb/> behörde kraft des ihr zustehenden Rechtes<lb/> der Verkaufsgenehmigung den Verkäufern<lb/> Bedingungen auferlegt, die sich letzten Endes<lb/> als eine drückende Veräußerungsabgabe dar¬<lb/> stellen. Ganz anders im Liquidationsver¬<lb/> sahren, das den Ansiedler gegen seinen<lb/> Willen zur Aufgabe des Besitztums veranlaßt.<lb/> Da kann von irgendwelchen Abzügen und<lb/> betastenden Auflagen keine Rode sein. Da<lb/> ist er nicht schutzlos dem Dekret der Ansied-<lb/> lungsbehörde preisgegeben, da hat er ein<lb/> Rechtsmittel gegen jede Beeinflussung des<lb/> Preises durch die Liquidationsbehörden. Er<lb/> darf insbesondere geltend machen, daß die<lb/> Verkaufsbedingungen oder die von der Pol¬<lb/> nischen Regierung außerhalb ihrer allgemeinen<lb/> Gesetzgebung ergriffenen Maßnahmen den<lb/> Preis unbillig beeinflußt haben I Zuständig<lb/> für diese Klagen ist ein gemischtes Schieds¬<lb/> gericht, das binnen drei Monaten nach In¬<lb/> krafttreten des Friedensvertrages gebildet<lb/> werden muß. ES besteht aus je einem<lb/> von der Polnischen und der deutschon<lb/> Regierung ernannten Mitglied und einem<lb/> Vorsitzenden, über den sich Polen und Deutsch¬<lb/> land zu verständigen haben. Wenn das<lb/> Schiedsgericht die Unbilligkeit der Preis¬<lb/> beeinflussung annimmt, wird dem Liquidierten<lb/> eine angemessene Entschädigung zugesprochen,<lb/> die die polnische Regierung zu zahlen hat.<lb/> Darüber hinaus gibt der Artikel 30S den<lb/> Liqudierten einen weiteren internationalen<lb/> Rechtsanspruch. Das gemischte Schieds¬<lb/> gericht ist nur zuständig wegen unbilliger<lb/> Beeinflussung des Kaufpreises. Alle anderen<lb/> Rechtsfragen, die sich während des Liquda-<lb/> tionsverfahrens ergeben, gehören zunächst vor<lb/> die ordentlichen Gerichte. Wenn nun ein Ge¬<lb/> richt ein solches Urteil fällt, das mit den Vor¬<lb/> schriften des Friedensvertrages nicht im Ein¬<lb/> klang steht, so hat die geschädigte Partei das<lb/> Recht, !gegen diese Entscheidung vor dem<lb/> gemischten Schiedsgericht Wiedergutmachung<lb/> zu verlangen. Dieser internationale Rechts¬<lb/> schutz umfaßt alle Rechtsfragen, die sich im<lb/> Laufe des Liquidationsprozesses ergeben,<lb/> also insbesondere ^auch die Fragen, welche<lb/> Personen der Liquidation unterliegen, dem¬<lb/> nach vor allem die grundlegende Frage über</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0522]
Ans den Deutschen Volksräten
Warschau entsenden werden, dafür wirken,
daß dieses Gesetz in dem von uns gewünschten
Sinn ausfällt.
Zum Liquidieren gehört Geld, viel Geld.
Das junge Polnische Staatswesen bedarf
aber zu seinem Ausbau so gewaltiger
Summen, daß es nicht ein erhebliches
Kapital in ein Unternehmen stecken darf,
das ihm finanziell abträglich ist. Ein solches
im höchsten Maß unlukratives Geschäft wäre
es aber, wenn Hunderte von arbeitsamen
Deutschen ausgekauft würden, und wenn
sich der Polnische Staat dadurch um Millionen
Werdenden Privatkapitals brächte, das hier
für ihn arbeitet und Steuern einbringt.
Und darin allein würde sich nicht einmal
das Ruinöse des Geschäftes erschöpfen.
Nehmen wir ein Praktisches Beispiel: Ein
Ansiedler hat seine Stelle vor zehn Jahren
für 50000 M. erworben. In den Jahren
seiner Besitzzeit, die ja für die Landwirtschaft
besonders günstig waren, hat sich der Wert
der Wirtschaft verdoppelt, bei gleichzeitiger
Erhöhung seiner Steuerkraft. Nun soll ein
Pole unter Vermittlung de» Staates die
Wirtschaft übernehmen. Über das volle
Kapital, das zum Erwerb erforderlich ist,
wird der Ersteher nur in den seltensten
Fällen verfügen. Der Staat muß ihm also
Kredit geben, und die Steuerleistung dessen,
der die Wirtschaft für 100000 Mark erwirbt,
muß natürlich viel geringer sein, als die
Steuerkraft des aufgekauften Vorbesitzers,
der seinerzeit für 6000uMark gekauft hatte.
Der Säckelmeister im Polnischen Regierungs¬
kollegium wird es sich also zweimal und
dreimal überlegen, ehe er seine Zustimmung
zu einer Finanzoperation gibt, ^die viele
Millionen aus den ihm zur Verfügung
stehenden Geldern festlegt, und bei der die
steuerlichen Einnahmen unweigerlich ge¬
schmälert werden.
Nun zum Schluß die Erwiderung auf
ein letztes „wenn", das wir aus dem Leser¬
kreise zu hören glauben: „Wenn ich nur im
Liquidationsverfahren, falls es dennoch
kommen sollte, die 100 000 Mark bekäme,
die meine Wirtschaft jetzt wert ist." Viel,
viel sicherer wird er sie bekommen, als bei
vorzeitigen freihändigen VerkaufI Wenn
jetzt ein Ansiedler seine Stelle freihändig
verkauft, wird man nicht allzu viel dagegen
erinnern dürfen, daß die Anfledlungs-
behörde kraft des ihr zustehenden Rechtes
der Verkaufsgenehmigung den Verkäufern
Bedingungen auferlegt, die sich letzten Endes
als eine drückende Veräußerungsabgabe dar¬
stellen. Ganz anders im Liquidationsver¬
sahren, das den Ansiedler gegen seinen
Willen zur Aufgabe des Besitztums veranlaßt.
Da kann von irgendwelchen Abzügen und
betastenden Auflagen keine Rode sein. Da
ist er nicht schutzlos dem Dekret der Ansied-
lungsbehörde preisgegeben, da hat er ein
Rechtsmittel gegen jede Beeinflussung des
Preises durch die Liquidationsbehörden. Er
darf insbesondere geltend machen, daß die
Verkaufsbedingungen oder die von der Pol¬
nischen Regierung außerhalb ihrer allgemeinen
Gesetzgebung ergriffenen Maßnahmen den
Preis unbillig beeinflußt haben I Zuständig
für diese Klagen ist ein gemischtes Schieds¬
gericht, das binnen drei Monaten nach In¬
krafttreten des Friedensvertrages gebildet
werden muß. ES besteht aus je einem
von der Polnischen und der deutschon
Regierung ernannten Mitglied und einem
Vorsitzenden, über den sich Polen und Deutsch¬
land zu verständigen haben. Wenn das
Schiedsgericht die Unbilligkeit der Preis¬
beeinflussung annimmt, wird dem Liquidierten
eine angemessene Entschädigung zugesprochen,
die die polnische Regierung zu zahlen hat.
Darüber hinaus gibt der Artikel 30S den
Liqudierten einen weiteren internationalen
Rechtsanspruch. Das gemischte Schieds¬
gericht ist nur zuständig wegen unbilliger
Beeinflussung des Kaufpreises. Alle anderen
Rechtsfragen, die sich während des Liquda-
tionsverfahrens ergeben, gehören zunächst vor
die ordentlichen Gerichte. Wenn nun ein Ge¬
richt ein solches Urteil fällt, das mit den Vor¬
schriften des Friedensvertrages nicht im Ein¬
klang steht, so hat die geschädigte Partei das
Recht, !gegen diese Entscheidung vor dem
gemischten Schiedsgericht Wiedergutmachung
zu verlangen. Dieser internationale Rechts¬
schutz umfaßt alle Rechtsfragen, die sich im
Laufe des Liquidationsprozesses ergeben,
also insbesondere ^auch die Fragen, welche
Personen der Liquidation unterliegen, dem¬
nach vor allem die grundlegende Frage über
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