Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frag" sie nach ihrer Annahme nur für eine Übergangszeit als Lehrmeister gebrauchen Die Lehrerschaft war nur nach der negativen Seite aufgeklärt, und die Der Regierung mußte das polnische Schulgesetz, das bereits im Mai dieses Nach der Abtretung des Gebietes war die allgemeine Losung: "Abhauen In dieser allgemeinen Verwirrung fanden die Lehrer positive Aufklärung So gelang es, manchen Lehrer anderen Sinnes zu machen. Ein besonderes Durch diese Verbände ist der Lehrerschaft erst wieder ein fester Halt gegeben Der Anfang zu dieser aufbauenden Arbeit ist bereits gemacht. Auf Veranlassung der "Vereinigung des deutschen Volkstums in Polen" Materialien zur ostdeutschen Frag« sie nach ihrer Annahme nur für eine Übergangszeit als Lehrmeister gebrauchen Die Lehrerschaft war nur nach der negativen Seite aufgeklärt, und die Der Regierung mußte das polnische Schulgesetz, das bereits im Mai dieses Nach der Abtretung des Gebietes war die allgemeine Losung: »Abhauen In dieser allgemeinen Verwirrung fanden die Lehrer positive Aufklärung So gelang es, manchen Lehrer anderen Sinnes zu machen. Ein besonderes Durch diese Verbände ist der Lehrerschaft erst wieder ein fester Halt gegeben Der Anfang zu dieser aufbauenden Arbeit ist bereits gemacht. Auf Veranlassung der „Vereinigung des deutschen Volkstums in Polen" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336776"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frag«</fw><lb/> <p xml:id="ID_2355" prev="#ID_2354"> sie nach ihrer Annahme nur für eine Übergangszeit als Lehrmeister gebrauchen<lb/> wollte. Eine entsprechende Rückversicherung durch den preußischen Staat wurde<lb/> ihnen nur in unzureichenden Matze gewährt. Die oberen Beamten wurden<lb/> Hals über Kopf versetzt oder bekamen ihre Versetzungsurkundsn. So auch die<lb/> Schulaufsichtsbeamten. Wie in den anderen Beamtengruppen, so wirkte das<lb/> schlechte Beispiel auch in der Lehrerschaft verheerend. Als der letzte Fragebogen<lb/> des Ministers den Satz aufwies: „ich bleibe unter keinen Umständen" und jeder<lb/> Lehrer sich ohne weiteres auf diesen Standpunkt stellen konnte, da war es menschlich<lb/> begreiflich, daß die meisten diesen Strohhalm ergriffen, um sich etwas Beruhigung<lb/> zu verschaffen. Von der weiteren Verwendung im polnischen Dienste, sowie der<lb/> beruflichen und wirtschaftlichen Stellung dort, hatten die meisten ganz unklare<lb/> Vorstellungen. Sie glaubten zudem, den preußischen Staatsdienst ein für allemal<lb/> aufzugeben, wenn sie sich jetzt nicht für ihn entschieden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2356"> Die Lehrerschaft war nur nach der negativen Seite aufgeklärt, und die<lb/> Regierung hat alles versäumt, ihr rechtzeitig eine Vorstellung von der Möglichkeit<lb/> weiterer Verwendung an deutschen Schulen auch im polnischen Staate zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2357"> Der Regierung mußte das polnische Schulgesetz, das bereits im Mai dieses<lb/> Jahres gesetzliche Kraft für Kongreßpolen erhalten hatte, bekannt sein. In diesem<lb/> Gesetz sind den Deutschen in Kongreßpol«n bereits eigene Schulen mit deutscher<lb/> Unterrichtssprache fest verbürgt. Der MinderheitKschutzvertrag ist auch seit geraumer<lb/> Zeit veröffentlicht. Die Schulverwaltungsorgane haben nichts getan, um mit<lb/> Hilfe dieser Urkunden die Lehrerschaft darüber aufzuklären, daß deutsche Schulen<lb/> weiter bestehen werden und daß für sie deutsche Lehrkräfte benötigt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2358"> Nach der Abtretung des Gebietes war die allgemeine Losung: »Abhauen<lb/> und räumen, was später kommt, ist uns völlig einerlei." So dachten auch die<lb/> Schulaufsichtsbehörden, es hieß eben: „Rette sich, wer kann!" Einer machte den<lb/> andern verrückt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2359"> In dieser allgemeinen Verwirrung fanden die Lehrer positive Aufklärung<lb/> und Ermunterung nur von feiten der Deutschen Volksräte. In wohl über<lb/> 49 Versammlungen hat der Verfasser dieser Zeilen selbst den Lehrern immer und<lb/> immer wieder zugerufen: „Bleibt im Lande!" Eine Erdrosselung des deutschen<lb/> Schulwesens ist von den polnischen Behörden nicht geplant. Die deutschen Schul¬<lb/> gemeinden haben die Lehrer dringend nötig und werden in Zukunft ihnen einen<lb/> festen Halt bieten. Überdies gibt es preußische Ministerialerlasse, die die Wieder-<lb/> in°Dienststellung der deutschen Lehrer regeln, die aus dem Auslande in die Heimat<lb/> zurückkehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2360"> So gelang es, manchen Lehrer anderen Sinnes zu machen. Ein besonderes<lb/> Verdienst, für die Bodenständigkeit der deutschen Lehrerschaft gewirkt zu haben,<lb/> gebührt dem neuen Deutschen Lehrerverbande in Westpreutzen, dem in jüngster<lb/> Zeit ein gleicher Verband für Posen bzw. der Netzsdistrikt zur Seite getreten ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2361"> Durch diese Verbände ist der Lehrerschaft erst wieder ein fester Halt gegeben<lb/> worden. In ihren Richtlinien stellen sie sich eine Fülle von Aufgaben gerade<lb/> für den bevorstehenden Neuaufbau des deutschen Schulwesens. Der deutsche<lb/> Schulselbstverwllltungskörper, den die Lehrerverbände als Bürgschaft für die<lb/> Selbständigkeit des deutschen Schulwesens fordern, ohne dadurch ihren Charakter<lb/> als Staatsbeamte aufzugeben, bedingt die Mitarbeit der Lehrerschaft. Hier hat<lb/> sie Gelegenheit, an dem Schicksal der deutschen Schulen und damit an ihrem<lb/> eigenen aufbauend untätig zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_2362"> Der Anfang zu dieser aufbauenden Arbeit ist bereits gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2363" next="#ID_2364"> Auf Veranlassung der „Vereinigung des deutschen Volkstums in Polen"<lb/> waren am Sonnabend, den Is. September, in Bromberg Vertreter der Lehrer¬<lb/> verbände, der Philologenvereiue, der einzelnen Schulgattungen, der Geistlichkeit<lb/> und der deutschen Bevölkerung aus Posen und Westpreußen zusammengekommen<lb/> und haben nach einem Vortrage, in dem Verfasser die Notwendigkeit der sofortigen<lb/> Aufnahme der Arbeit an dem Neuaufbau des deutschen Schulwesens ausführlich<lb/> begründete, die Bildung eines Landesschulausschusses beschlossen. Dieser Schul-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0486]
Materialien zur ostdeutschen Frag«
sie nach ihrer Annahme nur für eine Übergangszeit als Lehrmeister gebrauchen
wollte. Eine entsprechende Rückversicherung durch den preußischen Staat wurde
ihnen nur in unzureichenden Matze gewährt. Die oberen Beamten wurden
Hals über Kopf versetzt oder bekamen ihre Versetzungsurkundsn. So auch die
Schulaufsichtsbeamten. Wie in den anderen Beamtengruppen, so wirkte das
schlechte Beispiel auch in der Lehrerschaft verheerend. Als der letzte Fragebogen
des Ministers den Satz aufwies: „ich bleibe unter keinen Umständen" und jeder
Lehrer sich ohne weiteres auf diesen Standpunkt stellen konnte, da war es menschlich
begreiflich, daß die meisten diesen Strohhalm ergriffen, um sich etwas Beruhigung
zu verschaffen. Von der weiteren Verwendung im polnischen Dienste, sowie der
beruflichen und wirtschaftlichen Stellung dort, hatten die meisten ganz unklare
Vorstellungen. Sie glaubten zudem, den preußischen Staatsdienst ein für allemal
aufzugeben, wenn sie sich jetzt nicht für ihn entschieden.
Die Lehrerschaft war nur nach der negativen Seite aufgeklärt, und die
Regierung hat alles versäumt, ihr rechtzeitig eine Vorstellung von der Möglichkeit
weiterer Verwendung an deutschen Schulen auch im polnischen Staate zu machen.
Der Regierung mußte das polnische Schulgesetz, das bereits im Mai dieses
Jahres gesetzliche Kraft für Kongreßpolen erhalten hatte, bekannt sein. In diesem
Gesetz sind den Deutschen in Kongreßpol«n bereits eigene Schulen mit deutscher
Unterrichtssprache fest verbürgt. Der MinderheitKschutzvertrag ist auch seit geraumer
Zeit veröffentlicht. Die Schulverwaltungsorgane haben nichts getan, um mit
Hilfe dieser Urkunden die Lehrerschaft darüber aufzuklären, daß deutsche Schulen
weiter bestehen werden und daß für sie deutsche Lehrkräfte benötigt werden.
Nach der Abtretung des Gebietes war die allgemeine Losung: »Abhauen
und räumen, was später kommt, ist uns völlig einerlei." So dachten auch die
Schulaufsichtsbehörden, es hieß eben: „Rette sich, wer kann!" Einer machte den
andern verrückt.
In dieser allgemeinen Verwirrung fanden die Lehrer positive Aufklärung
und Ermunterung nur von feiten der Deutschen Volksräte. In wohl über
49 Versammlungen hat der Verfasser dieser Zeilen selbst den Lehrern immer und
immer wieder zugerufen: „Bleibt im Lande!" Eine Erdrosselung des deutschen
Schulwesens ist von den polnischen Behörden nicht geplant. Die deutschen Schul¬
gemeinden haben die Lehrer dringend nötig und werden in Zukunft ihnen einen
festen Halt bieten. Überdies gibt es preußische Ministerialerlasse, die die Wieder-
in°Dienststellung der deutschen Lehrer regeln, die aus dem Auslande in die Heimat
zurückkehren.
So gelang es, manchen Lehrer anderen Sinnes zu machen. Ein besonderes
Verdienst, für die Bodenständigkeit der deutschen Lehrerschaft gewirkt zu haben,
gebührt dem neuen Deutschen Lehrerverbande in Westpreutzen, dem in jüngster
Zeit ein gleicher Verband für Posen bzw. der Netzsdistrikt zur Seite getreten ist.
Durch diese Verbände ist der Lehrerschaft erst wieder ein fester Halt gegeben
worden. In ihren Richtlinien stellen sie sich eine Fülle von Aufgaben gerade
für den bevorstehenden Neuaufbau des deutschen Schulwesens. Der deutsche
Schulselbstverwllltungskörper, den die Lehrerverbände als Bürgschaft für die
Selbständigkeit des deutschen Schulwesens fordern, ohne dadurch ihren Charakter
als Staatsbeamte aufzugeben, bedingt die Mitarbeit der Lehrerschaft. Hier hat
sie Gelegenheit, an dem Schicksal der deutschen Schulen und damit an ihrem
eigenen aufbauend untätig zu sein.
Der Anfang zu dieser aufbauenden Arbeit ist bereits gemacht.
Auf Veranlassung der „Vereinigung des deutschen Volkstums in Polen"
waren am Sonnabend, den Is. September, in Bromberg Vertreter der Lehrer¬
verbände, der Philologenvereiue, der einzelnen Schulgattungen, der Geistlichkeit
und der deutschen Bevölkerung aus Posen und Westpreußen zusammengekommen
und haben nach einem Vortrage, in dem Verfasser die Notwendigkeit der sofortigen
Aufnahme der Arbeit an dem Neuaufbau des deutschen Schulwesens ausführlich
begründete, die Bildung eines Landesschulausschusses beschlossen. Dieser Schul-
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