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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Zur Lehrerfrage -- Aus den Deutschen
Volksräten -- Pressestimmen: Polnische Presse -- Kleine Mitteilungen.


Materialien zur sftdeutschen Frage


Zur Lehrerfrage
Ein Lanbesschulausschuß für das abgetretene Gebiet

Aus dem besetzten Posener Gebiet kommen bittere Klagen über die Flucht
der evangelischen Lehrer, die, ohne von den polnischen Behörden gezwungen zu
werden, ihre Stellen verlassen, um nach Deutschland zurückzugehen.
"

In Ur. 449 des "Reichsboten (Berlin) heißt es u. a. in einer Zuschrift
aus dem Osten: "Unsere Lehrer werden in Deutschland vielfach bemitleidet und
unterstützt. Dazu liegt aber kein Grund vor. Früher behauptete jeder Lehrer
hier, er sei eine Stütze des Deutschtums, jetzt verduften sie hier vielfach schneller
als die Automobile. Es trifft zu, dasz man den deutschen Lehrern zum 1. Mai
gekündigt hatte. Für die evangelischen Lehrer ist diese Kündigung zurückgenommen.
Trotzdem verschwinden die Lehrer ganz rapide. Die evangelischen Kinder müssen
in katholisch-polnische Schulen gehen. Wir spüren hier nichts vom Idealismus
des deutschen Lehrers. Er denkt nur an sich und sein Wohl. In den Herzen
derer, die zurückbleiben, herrscht eine ungeheure ^Erbitterung über diese Flucht
der Lehrer."

Die Lehrerfrage ist zum Brennpunkt der Erhaltung des deutschen Schul¬
wesens im Abtretungsgebiet überhaupt geworden.

Auch aus den noch nicht besetzten Teilen Posens und Westpreußens streben
die Lehrer danach, im preußischen Schuldienst weiter zu verbleiben und baldigst
die Versetzung zu erhalten. Es hat sich in Westpreußen vor Wochen sogar ein
Bund abwandernder Lehrer gegründet, dem sofort 700 Lehrer beigetreten sind.

Wir haben ohne Frage hier mit einer schweren Gefährdung des deutschen
Schulwesens durch die deutsche Lehrerschaft selbst zu rechnen und müssen noch in
letzter Stunde versuchen, diese Gefahr in ihren schlimmsten Auswirkungen abzu¬
wenden. Das können wir aber nicht mit Vorwürfen gegen die Lehrerschaft
erreichen, wie sie der "Reichsbote" der Öffentlichkeit übermittelt. Die innere
Schuld an dem Loslösungsbestreben der Lehrer haben in überwiegendem Maße
die preußische Unterrichtsverwaltung und deren Organe in den Abtretungs-
gebieten.

Nachdem der Friede unterzeichnet worden war, kam die allgemeine Unruhe
in die gesamte deutsche Beamtenschaft. Die ungleichmäßige und unklare Behandlung
der Fülle von Beamten fragen durch das preußische Ministerium steigerte diese
Unruhe. Die besondere Behandlung der oberen Beamtenschaft verbitterte. Die
Beamten sahen einer sehr unsicheren Zukunft in einem Fremdstaate entgegen, der


Ritteilungen 28
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Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Zur Lehrerfrage — Aus den Deutschen
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Zur Lehrerfrage
Ein Lanbesschulausschuß für das abgetretene Gebiet

Aus dem besetzten Posener Gebiet kommen bittere Klagen über die Flucht
der evangelischen Lehrer, die, ohne von den polnischen Behörden gezwungen zu
werden, ihre Stellen verlassen, um nach Deutschland zurückzugehen.
"

In Ur. 449 des „Reichsboten (Berlin) heißt es u. a. in einer Zuschrift
aus dem Osten: „Unsere Lehrer werden in Deutschland vielfach bemitleidet und
unterstützt. Dazu liegt aber kein Grund vor. Früher behauptete jeder Lehrer
hier, er sei eine Stütze des Deutschtums, jetzt verduften sie hier vielfach schneller
als die Automobile. Es trifft zu, dasz man den deutschen Lehrern zum 1. Mai
gekündigt hatte. Für die evangelischen Lehrer ist diese Kündigung zurückgenommen.
Trotzdem verschwinden die Lehrer ganz rapide. Die evangelischen Kinder müssen
in katholisch-polnische Schulen gehen. Wir spüren hier nichts vom Idealismus
des deutschen Lehrers. Er denkt nur an sich und sein Wohl. In den Herzen
derer, die zurückbleiben, herrscht eine ungeheure ^Erbitterung über diese Flucht
der Lehrer."

Die Lehrerfrage ist zum Brennpunkt der Erhaltung des deutschen Schul¬
wesens im Abtretungsgebiet überhaupt geworden.

Auch aus den noch nicht besetzten Teilen Posens und Westpreußens streben
die Lehrer danach, im preußischen Schuldienst weiter zu verbleiben und baldigst
die Versetzung zu erhalten. Es hat sich in Westpreußen vor Wochen sogar ein
Bund abwandernder Lehrer gegründet, dem sofort 700 Lehrer beigetreten sind.

Wir haben ohne Frage hier mit einer schweren Gefährdung des deutschen
Schulwesens durch die deutsche Lehrerschaft selbst zu rechnen und müssen noch in
letzter Stunde versuchen, diese Gefahr in ihren schlimmsten Auswirkungen abzu¬
wenden. Das können wir aber nicht mit Vorwürfen gegen die Lehrerschaft
erreichen, wie sie der „Reichsbote" der Öffentlichkeit übermittelt. Die innere
Schuld an dem Loslösungsbestreben der Lehrer haben in überwiegendem Maße
die preußische Unterrichtsverwaltung und deren Organe in den Abtretungs-
gebieten.

Nachdem der Friede unterzeichnet worden war, kam die allgemeine Unruhe
in die gesamte deutsche Beamtenschaft. Die ungleichmäßige und unklare Behandlung
der Fülle von Beamten fragen durch das preußische Ministerium steigerte diese
Unruhe. Die besondere Behandlung der oberen Beamtenschaft verbitterte. Die
Beamten sahen einer sehr unsicheren Zukunft in einem Fremdstaate entgegen, der


Ritteilungen 28
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[0485] Mitteilungen « ZMMü! LolkMte WjW M MslMkM« Verantwortlich: Carl Georg Bruns ?^r. 28Schriftleitung: BromSerg^ Weltzienploch I>"1. Okt. 1919 Fernruf Ur. 321 Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Zur Lehrerfrage — Aus den Deutschen Volksräten — Pressestimmen: Polnische Presse — Kleine Mitteilungen. Materialien zur sftdeutschen Frage Zur Lehrerfrage Ein Lanbesschulausschuß für das abgetretene Gebiet Aus dem besetzten Posener Gebiet kommen bittere Klagen über die Flucht der evangelischen Lehrer, die, ohne von den polnischen Behörden gezwungen zu werden, ihre Stellen verlassen, um nach Deutschland zurückzugehen. " In Ur. 449 des „Reichsboten (Berlin) heißt es u. a. in einer Zuschrift aus dem Osten: „Unsere Lehrer werden in Deutschland vielfach bemitleidet und unterstützt. Dazu liegt aber kein Grund vor. Früher behauptete jeder Lehrer hier, er sei eine Stütze des Deutschtums, jetzt verduften sie hier vielfach schneller als die Automobile. Es trifft zu, dasz man den deutschen Lehrern zum 1. Mai gekündigt hatte. Für die evangelischen Lehrer ist diese Kündigung zurückgenommen. Trotzdem verschwinden die Lehrer ganz rapide. Die evangelischen Kinder müssen in katholisch-polnische Schulen gehen. Wir spüren hier nichts vom Idealismus des deutschen Lehrers. Er denkt nur an sich und sein Wohl. In den Herzen derer, die zurückbleiben, herrscht eine ungeheure ^Erbitterung über diese Flucht der Lehrer." Die Lehrerfrage ist zum Brennpunkt der Erhaltung des deutschen Schul¬ wesens im Abtretungsgebiet überhaupt geworden. Auch aus den noch nicht besetzten Teilen Posens und Westpreußens streben die Lehrer danach, im preußischen Schuldienst weiter zu verbleiben und baldigst die Versetzung zu erhalten. Es hat sich in Westpreußen vor Wochen sogar ein Bund abwandernder Lehrer gegründet, dem sofort 700 Lehrer beigetreten sind. Wir haben ohne Frage hier mit einer schweren Gefährdung des deutschen Schulwesens durch die deutsche Lehrerschaft selbst zu rechnen und müssen noch in letzter Stunde versuchen, diese Gefahr in ihren schlimmsten Auswirkungen abzu¬ wenden. Das können wir aber nicht mit Vorwürfen gegen die Lehrerschaft erreichen, wie sie der „Reichsbote" der Öffentlichkeit übermittelt. Die innere Schuld an dem Loslösungsbestreben der Lehrer haben in überwiegendem Maße die preußische Unterrichtsverwaltung und deren Organe in den Abtretungs- gebieten. Nachdem der Friede unterzeichnet worden war, kam die allgemeine Unruhe in die gesamte deutsche Beamtenschaft. Die ungleichmäßige und unklare Behandlung der Fülle von Beamten fragen durch das preußische Ministerium steigerte diese Unruhe. Die besondere Behandlung der oberen Beamtenschaft verbitterte. Die Beamten sahen einer sehr unsicheren Zukunft in einem Fremdstaate entgegen, der Ritteilungen 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/485>, abgerufen am 15.01.2025.