Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frage stehenden Verhältnissen. Das geht aus einem von ihm verfaßten und mit den Wenn von polnischer Seite eingewendet wird, der polnische Staat könne Trotz des Einwandes, den der "Dziennik Poznnnski macht, daß auch in Eine besondere Bedeutung erhält der Zusammenhang der evangelischen 27"
Materialien zur ostdeutschen Frage stehenden Verhältnissen. Das geht aus einem von ihm verfaßten und mit den Wenn von polnischer Seite eingewendet wird, der polnische Staat könne Trotz des Einwandes, den der „Dziennik Poznnnski macht, daß auch in Eine besondere Bedeutung erhält der Zusammenhang der evangelischen 27"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336769"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_2306" prev="#ID_2305"> stehenden Verhältnissen. Das geht aus einem von ihm verfaßten und mit den<lb/> Namen seiner beiden Vorsitzenden unterzeichneten Flugblatt hervor, das in Ober¬<lb/> schlesien verbreitet wird, um die dortige evangelische Bevölkerung zur Abstimmung<lb/> für Polen zu bewegen. Es heißt in ihm n. a,: „In diesem so wichtigen Augen¬<lb/> blicke, da Ihr am Scheidewege steht und in Sorge seid um Euer Gewissen,<lb/> wendet sich an Euch das polnische evangelische Konsistorium in Warschau, welches<lb/> die Reinheit Eures evangelischen Glaubens bewacht, um Euch zu beruhigen und<lb/> Euch aus ganzem Herzen zu trösten.....Vor allem wird der evangelische<lb/> Schlesier in Polen das finden, was ihm lieber und teurer ist als das Leben,<lb/> nämlich die Freiheit des Gewissens. Erinnert Euch des Gleichnisses, das uns<lb/> Christus, der Herr, gegeben hat, wie der Süeincmn auszog, den Samen zu säen.<lb/> Das eine Samenkorn fiel unter die Dornen, und das Samenkorn erstickte unter<lb/> den Dornen, Das andere Samenkorn fiel aber ans guten Boden und brachte<lb/> tausendfache Frucht. Das Samenkorn, welches unter die Dornen fiel, ist der<lb/> Schlesier unter dem preußischen Regiment, da der Fremdling Euch betrügen<lb/> wollte, um selbst aus dem Betrüge d>n Nutzen zu ziehen. Da? Samenkorn aber,<lb/> das auf gute Erde fiel, ist der Schlesier aus den Kreisen Groß-Wartenberg,<lb/> Ncmislau, Kreuzvurg und Pleß, vereinigt in unserem lieben Polen mit den<lb/> Masuren von Warschau, Pleck und Mlciwa . . . ." Die Töne, welche das<lb/> Warschauer Konsistorium in diesem Flugblatt anschlägt, klingen wenig Ver¬<lb/> trauen erweckend für Evangelische, d.e auf dein Boden einer anderen religiösen<lb/> Anschauung stehen. Sie vel stärken die Befürchtung, daß in Polen den Angehörigen<lb/> der evangelischen Kirche für die freie Ausübung ihres Bekenntnisses Schwierig¬<lb/> keiten gemacht werden dürsten, denen nur ausgewichen werden kann durch<lb/> den dauernd gewährleisteten Zusammenhang mit einer Kirche, die auf der<lb/> Union steht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2307"> Wenn von polnischer Seite eingewendet wird, der polnische Staat könne<lb/> sich unmöglich von einer ausländischen Instanz Entscheidungen gefallen lassen, so<lb/> kann diesem Emwanee leicht dadurch begegnet werden, daß die evangelische Kirche<lb/> der an Polen fallenden Landesteile das Recht erhält, sich eine eigene Verfassung<lb/> zu geben. Dann werden die von der Leitung der preußischen Landeskirche aus¬<lb/> gehenden E nflüsse rein auf dos iimcrknct.I che Gebiet beschiänki bbiben. Auch<lb/> das will dabei bedacht werden, daß bei einer Ausrechterhaliung der Verbindung<lb/> mit der preußischen Land>stirche selbstverständlich die dem polnischen wie jedem<lb/> anderen Staate zustehende Kirckenhoheit unangetastet bleiben soll. AVer etwas<lb/> ganz anderes ist d>e Kirchengewalt, d. h. das Ki> cbenregiment. Dieses gebührt<lb/> allein der Kirche, wie das ja auch sür das Deutsche Reich durch die von der<lb/> Nationalversammlung beschloss,ne Verfassung festgelegt ist und für Preußen ent-<lb/> sprechei d in der noch zu schaffenden Verfassung festgelegt werden wird.<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_2308"> Trotz des Einwandes, den der „Dziennik Poznnnski macht, daß auch in<lb/> der katholischen .Kirche die Grenzen der bischöflichen Diözesen den Staatsgrenzen<lb/> angepaßt werden, bleibt das Beispiel der katholischen Kirche beweiskräftig. Denn<lb/> tatsächlich gibt es gegenwärtig eine Anzahl von Fällen, in denen die Diözesan-<lb/> grenzen sich nicht mit den LandeSgrenzen decken, z. B. Breslau. Und es ist doch<lb/> noch mindestens zweifelhaft, ob die »urie sich dazu verstehen wird, die Grenzen<lb/> des Erzbistums Posen-Gnesen so abzuändein. daß sie künftig nicht nach Deutsch,<lb/> land hinübergreifen und also der polnische Erzbischof deutsche Diözesanangehörige hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2309" next="#ID_2310"> Eine besondere Bedeutung erhält der Zusammenhang der evangelischen<lb/> Kirchengemeinden in den an Polen fallenden Gebieten mit der preußischen Landes¬<lb/> kirche durch die Sorge um den Nachwuchs an Pfarrern. Bleibt der Zusammen¬<lb/> hang, so versteht es sich von selbst, daß den jungen Theologen das Studium auf<lb/> deutschen Universitäten gestattet werden muß. Dagegen wendet sich der schon<lb/> meh'fach erwähnte Artikel des „Dziennik Poznanski" mit einer fast ans Leiden¬<lb/> schaftliche grenzenden Ausführlichkeit. Er beruft sich darauf, daß die deutschen<lb/> Universitäten Pflanzstätten eines grenzenlosen Chauvinismus und die theologischen<lb/> Fakultäten an ihnen Sitze des protestantischen Liberalismus seien. Das Letztere</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 27"</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0479]
Materialien zur ostdeutschen Frage
stehenden Verhältnissen. Das geht aus einem von ihm verfaßten und mit den
Namen seiner beiden Vorsitzenden unterzeichneten Flugblatt hervor, das in Ober¬
schlesien verbreitet wird, um die dortige evangelische Bevölkerung zur Abstimmung
für Polen zu bewegen. Es heißt in ihm n. a,: „In diesem so wichtigen Augen¬
blicke, da Ihr am Scheidewege steht und in Sorge seid um Euer Gewissen,
wendet sich an Euch das polnische evangelische Konsistorium in Warschau, welches
die Reinheit Eures evangelischen Glaubens bewacht, um Euch zu beruhigen und
Euch aus ganzem Herzen zu trösten.....Vor allem wird der evangelische
Schlesier in Polen das finden, was ihm lieber und teurer ist als das Leben,
nämlich die Freiheit des Gewissens. Erinnert Euch des Gleichnisses, das uns
Christus, der Herr, gegeben hat, wie der Süeincmn auszog, den Samen zu säen.
Das eine Samenkorn fiel unter die Dornen, und das Samenkorn erstickte unter
den Dornen, Das andere Samenkorn fiel aber ans guten Boden und brachte
tausendfache Frucht. Das Samenkorn, welches unter die Dornen fiel, ist der
Schlesier unter dem preußischen Regiment, da der Fremdling Euch betrügen
wollte, um selbst aus dem Betrüge d>n Nutzen zu ziehen. Da? Samenkorn aber,
das auf gute Erde fiel, ist der Schlesier aus den Kreisen Groß-Wartenberg,
Ncmislau, Kreuzvurg und Pleß, vereinigt in unserem lieben Polen mit den
Masuren von Warschau, Pleck und Mlciwa . . . ." Die Töne, welche das
Warschauer Konsistorium in diesem Flugblatt anschlägt, klingen wenig Ver¬
trauen erweckend für Evangelische, d.e auf dein Boden einer anderen religiösen
Anschauung stehen. Sie vel stärken die Befürchtung, daß in Polen den Angehörigen
der evangelischen Kirche für die freie Ausübung ihres Bekenntnisses Schwierig¬
keiten gemacht werden dürsten, denen nur ausgewichen werden kann durch
den dauernd gewährleisteten Zusammenhang mit einer Kirche, die auf der
Union steht.
Wenn von polnischer Seite eingewendet wird, der polnische Staat könne
sich unmöglich von einer ausländischen Instanz Entscheidungen gefallen lassen, so
kann diesem Emwanee leicht dadurch begegnet werden, daß die evangelische Kirche
der an Polen fallenden Landesteile das Recht erhält, sich eine eigene Verfassung
zu geben. Dann werden die von der Leitung der preußischen Landeskirche aus¬
gehenden E nflüsse rein auf dos iimcrknct.I che Gebiet beschiänki bbiben. Auch
das will dabei bedacht werden, daß bei einer Ausrechterhaliung der Verbindung
mit der preußischen Land>stirche selbstverständlich die dem polnischen wie jedem
anderen Staate zustehende Kirckenhoheit unangetastet bleiben soll. AVer etwas
ganz anderes ist d>e Kirchengewalt, d. h. das Ki> cbenregiment. Dieses gebührt
allein der Kirche, wie das ja auch sür das Deutsche Reich durch die von der
Nationalversammlung beschloss,ne Verfassung festgelegt ist und für Preußen ent-
sprechei d in der noch zu schaffenden Verfassung festgelegt werden wird.
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Trotz des Einwandes, den der „Dziennik Poznnnski macht, daß auch in
der katholischen .Kirche die Grenzen der bischöflichen Diözesen den Staatsgrenzen
angepaßt werden, bleibt das Beispiel der katholischen Kirche beweiskräftig. Denn
tatsächlich gibt es gegenwärtig eine Anzahl von Fällen, in denen die Diözesan-
grenzen sich nicht mit den LandeSgrenzen decken, z. B. Breslau. Und es ist doch
noch mindestens zweifelhaft, ob die »urie sich dazu verstehen wird, die Grenzen
des Erzbistums Posen-Gnesen so abzuändein. daß sie künftig nicht nach Deutsch,
land hinübergreifen und also der polnische Erzbischof deutsche Diözesanangehörige hat.
Eine besondere Bedeutung erhält der Zusammenhang der evangelischen
Kirchengemeinden in den an Polen fallenden Gebieten mit der preußischen Landes¬
kirche durch die Sorge um den Nachwuchs an Pfarrern. Bleibt der Zusammen¬
hang, so versteht es sich von selbst, daß den jungen Theologen das Studium auf
deutschen Universitäten gestattet werden muß. Dagegen wendet sich der schon
meh'fach erwähnte Artikel des „Dziennik Poznanski" mit einer fast ans Leiden¬
schaftliche grenzenden Ausführlichkeit. Er beruft sich darauf, daß die deutschen
Universitäten Pflanzstätten eines grenzenlosen Chauvinismus und die theologischen
Fakultäten an ihnen Sitze des protestantischen Liberalismus seien. Das Letztere
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