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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

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gedrungen, die Abgeordneten seien sogar
daran verhindert worden, eine Kundgebung
an die Bevölkerung zu erlassen. Below ist
entlassen worden. Im letzten Augenblicke
habe man jetzt noch den Versuch gemacht,
mit den Polen zusammen einen Oststaat
gründen zu wollen. Auf den Vorschlag der
Deutschen Volksräte, sich mit den Polen in
Posen zu verständigen, hätten die Polen ge¬
antwortet: "Das hättet Ihr vor zehn Jahren
tun müssen." Am 26. Juni seien noch vier
Herren in? Kraftwagen nach Posen gefahren,
um mit den Polen zu verhandeln. Es sei
jedoch mehr als zweifelhaft, ob dabei etwas
herauskomme. Im Süden der Provinz West¬
preußen greife bereits der Bolschewismus
um sich.

Der Redner schloß seine Ausführungen,
die in der Versammlung das größte Auf¬
sehen erregten, mit dem Hinweise daraus,
daß er Persönlich den Unteroffizieren keinen
maßgebenden Rat geben könne. Er könne
es nicht über sich bringen, zu sagen: Geht
in das gewisse Elend oder in den Tod.

In der Aussprache brachten fünf Unter¬
offiziere ihre Meinung über das Für und
Wider eines bewaffneten Widerstandes zum
Ausdruck. Es herrschte die Meinung vor, sich
hinter die Regierung zu stellen und keine
Sonderaktionen zu unternehmen. Man dürfe
sich nicht zu säbelrasselnden Komödianten
machen und Phrasen schmieden, aus denen
nachher nichts herauskomme.

Major Wagner vom Generalstabe des
17. Armeekorps bekannte sich zum Glauben
an die Machtpolitik; ein Angriff auf Polen
wäre die richtige Lösung gewesen. Jetzt
bleibe natürlich nichts weiter übrig wie Ge¬
horsam gegen die Negierung in Berlin. Zu
warnen sei vor einer panikartigen Flucht aus
den abgetretenen Gebieten. Zwischen den
Generalstäben der deutschen und der polni¬
schen Armee würden Näumungsfristen und
Zonen vereinbart werden, und Sache der
Truppe sei es, darüber zu wachen, daß diese
Zonen ordnungsmäßig geräumt würden und
die Polen nicht über sie hinaus vorstießen.
Der Redner mahnte zur Ruhe, Würde, pein¬
lichster Erfüllung aller Verpflichtungen, An¬
erkennung der Befehle höherer Kommando¬
stellen und einer würdigen Haltung den
Polen gegenüber.

[Spaltenumbruch]

Bezüglich der wirtschaftlichen Befürchtungen
der Unteroffiziere betonte Herr Wittmeyer,
daß man in der zu bildenden Ostrepublik
im Falle eines erfolgreichen Vorgehens gegen
Polen den Großgrundbesitz in Ost-, West-
Preußen und Schlesien auszuteilen gedachte,
um Siedelungen für die Kriegsteilnehmer zu
schaffen.

In seinem Schlußwort mahnte der Vor¬
sitzende des Vereins und Leiter der Ver¬
sammlung, Registrator Aeltermcmn, die Ruhe
zu bewahren und den Friedensverpflichtungen
nachzukommen. Man würde durch einen be¬
waffneten Widerstand, der Wahnsinn sei,
durch eigene Schuld in Blut und Elend
kommen und keiner würde später für die
Unteroffiziere sorgen. Am 28. Juni werde
in Berlin beim Reichsverbande eine Konfe¬
renz stattfinden, die sich mit den Maßnahmen
betr. die Räumung des abzutretenden Ge¬
bietes durch die Unteroffiziersfamilien be¬
schäftigen werde. Auf der Berliner Tages¬
ordnung ständen die finanzielle Sicherstellung
der UnterosfizierSfamilien, die zurückbleiben,
die Sicherstellung des Persönlichen Eigentums
dieser Familien sowie die Vereitstellung von
genügendem rollenden Material für die
Räumung. Das Kriegsministerium habe sich
bereits mit dem Eisenbahnministerium be¬
züglich der Zurverfügungstellung von aus¬
reichendem rollenden Material in Verbindung
gesetzt.

Mit einem Hinweis auf das heute nach¬
mittag im Gutenberghain stattfindende Wohl¬
tätigkeitskvnzert schloß der Vorsitzende die
Versammlung.

Dagegen wird festgestellt:

Herr Wittmeyer hat weder im Nomen
noch im Auftrage des Ausschusses der Volks-
räte gesprochen. Wir können nicht annehmen,
daß Herrn Wittmeyers Ausführungen so
lauteten, wie die "Danziger Zeitung" be¬
richtet hat, bemerken aber schon jetzt zu deren
Bericht:

Die Deutschen Volksräte sind überall auf
breitester demokratischer Grundlage aufgebaut.
Reaktionäre Strömungen haben sie stets nicht
nur abgewiesen, sondern aufs schärfste be¬
kämpft. Die berichtete Oststaatspolitik war
nicht Politik der Deutschen Volksräte, sondern
der früheren Regierung. Der Ausschuß der
Deutschen Volksräte hat sich selbstverständlich

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Materialien zur ostdeutschen Frage

[Beginn Spaltensatz]

gedrungen, die Abgeordneten seien sogar
daran verhindert worden, eine Kundgebung
an die Bevölkerung zu erlassen. Below ist
entlassen worden. Im letzten Augenblicke
habe man jetzt noch den Versuch gemacht,
mit den Polen zusammen einen Oststaat
gründen zu wollen. Auf den Vorschlag der
Deutschen Volksräte, sich mit den Polen in
Posen zu verständigen, hätten die Polen ge¬
antwortet: „Das hättet Ihr vor zehn Jahren
tun müssen." Am 26. Juni seien noch vier
Herren in? Kraftwagen nach Posen gefahren,
um mit den Polen zu verhandeln. Es sei
jedoch mehr als zweifelhaft, ob dabei etwas
herauskomme. Im Süden der Provinz West¬
preußen greife bereits der Bolschewismus
um sich.

Der Redner schloß seine Ausführungen,
die in der Versammlung das größte Auf¬
sehen erregten, mit dem Hinweise daraus,
daß er Persönlich den Unteroffizieren keinen
maßgebenden Rat geben könne. Er könne
es nicht über sich bringen, zu sagen: Geht
in das gewisse Elend oder in den Tod.

In der Aussprache brachten fünf Unter¬
offiziere ihre Meinung über das Für und
Wider eines bewaffneten Widerstandes zum
Ausdruck. Es herrschte die Meinung vor, sich
hinter die Regierung zu stellen und keine
Sonderaktionen zu unternehmen. Man dürfe
sich nicht zu säbelrasselnden Komödianten
machen und Phrasen schmieden, aus denen
nachher nichts herauskomme.

Major Wagner vom Generalstabe des
17. Armeekorps bekannte sich zum Glauben
an die Machtpolitik; ein Angriff auf Polen
wäre die richtige Lösung gewesen. Jetzt
bleibe natürlich nichts weiter übrig wie Ge¬
horsam gegen die Negierung in Berlin. Zu
warnen sei vor einer panikartigen Flucht aus
den abgetretenen Gebieten. Zwischen den
Generalstäben der deutschen und der polni¬
schen Armee würden Näumungsfristen und
Zonen vereinbart werden, und Sache der
Truppe sei es, darüber zu wachen, daß diese
Zonen ordnungsmäßig geräumt würden und
die Polen nicht über sie hinaus vorstießen.
Der Redner mahnte zur Ruhe, Würde, pein¬
lichster Erfüllung aller Verpflichtungen, An¬
erkennung der Befehle höherer Kommando¬
stellen und einer würdigen Haltung den
Polen gegenüber.

[Spaltenumbruch]

Bezüglich der wirtschaftlichen Befürchtungen
der Unteroffiziere betonte Herr Wittmeyer,
daß man in der zu bildenden Ostrepublik
im Falle eines erfolgreichen Vorgehens gegen
Polen den Großgrundbesitz in Ost-, West-
Preußen und Schlesien auszuteilen gedachte,
um Siedelungen für die Kriegsteilnehmer zu
schaffen.

In seinem Schlußwort mahnte der Vor¬
sitzende des Vereins und Leiter der Ver¬
sammlung, Registrator Aeltermcmn, die Ruhe
zu bewahren und den Friedensverpflichtungen
nachzukommen. Man würde durch einen be¬
waffneten Widerstand, der Wahnsinn sei,
durch eigene Schuld in Blut und Elend
kommen und keiner würde später für die
Unteroffiziere sorgen. Am 28. Juni werde
in Berlin beim Reichsverbande eine Konfe¬
renz stattfinden, die sich mit den Maßnahmen
betr. die Räumung des abzutretenden Ge¬
bietes durch die Unteroffiziersfamilien be¬
schäftigen werde. Auf der Berliner Tages¬
ordnung ständen die finanzielle Sicherstellung
der UnterosfizierSfamilien, die zurückbleiben,
die Sicherstellung des Persönlichen Eigentums
dieser Familien sowie die Vereitstellung von
genügendem rollenden Material für die
Räumung. Das Kriegsministerium habe sich
bereits mit dem Eisenbahnministerium be¬
züglich der Zurverfügungstellung von aus¬
reichendem rollenden Material in Verbindung
gesetzt.

Mit einem Hinweis auf das heute nach¬
mittag im Gutenberghain stattfindende Wohl¬
tätigkeitskvnzert schloß der Vorsitzende die
Versammlung.

Dagegen wird festgestellt:

Herr Wittmeyer hat weder im Nomen
noch im Auftrage des Ausschusses der Volks-
räte gesprochen. Wir können nicht annehmen,
daß Herrn Wittmeyers Ausführungen so
lauteten, wie die „Danziger Zeitung" be¬
richtet hat, bemerken aber schon jetzt zu deren
Bericht:

Die Deutschen Volksräte sind überall auf
breitester demokratischer Grundlage aufgebaut.
Reaktionäre Strömungen haben sie stets nicht
nur abgewiesen, sondern aufs schärfste be¬
kämpft. Die berichtete Oststaatspolitik war
nicht Politik der Deutschen Volksräte, sondern
der früheren Regierung. Der Ausschuß der
Deutschen Volksräte hat sich selbstverständlich

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[0380] Materialien zur ostdeutschen Frage gedrungen, die Abgeordneten seien sogar daran verhindert worden, eine Kundgebung an die Bevölkerung zu erlassen. Below ist entlassen worden. Im letzten Augenblicke habe man jetzt noch den Versuch gemacht, mit den Polen zusammen einen Oststaat gründen zu wollen. Auf den Vorschlag der Deutschen Volksräte, sich mit den Polen in Posen zu verständigen, hätten die Polen ge¬ antwortet: „Das hättet Ihr vor zehn Jahren tun müssen." Am 26. Juni seien noch vier Herren in? Kraftwagen nach Posen gefahren, um mit den Polen zu verhandeln. Es sei jedoch mehr als zweifelhaft, ob dabei etwas herauskomme. Im Süden der Provinz West¬ preußen greife bereits der Bolschewismus um sich. Der Redner schloß seine Ausführungen, die in der Versammlung das größte Auf¬ sehen erregten, mit dem Hinweise daraus, daß er Persönlich den Unteroffizieren keinen maßgebenden Rat geben könne. Er könne es nicht über sich bringen, zu sagen: Geht in das gewisse Elend oder in den Tod. In der Aussprache brachten fünf Unter¬ offiziere ihre Meinung über das Für und Wider eines bewaffneten Widerstandes zum Ausdruck. Es herrschte die Meinung vor, sich hinter die Regierung zu stellen und keine Sonderaktionen zu unternehmen. Man dürfe sich nicht zu säbelrasselnden Komödianten machen und Phrasen schmieden, aus denen nachher nichts herauskomme. Major Wagner vom Generalstabe des 17. Armeekorps bekannte sich zum Glauben an die Machtpolitik; ein Angriff auf Polen wäre die richtige Lösung gewesen. Jetzt bleibe natürlich nichts weiter übrig wie Ge¬ horsam gegen die Negierung in Berlin. Zu warnen sei vor einer panikartigen Flucht aus den abgetretenen Gebieten. Zwischen den Generalstäben der deutschen und der polni¬ schen Armee würden Näumungsfristen und Zonen vereinbart werden, und Sache der Truppe sei es, darüber zu wachen, daß diese Zonen ordnungsmäßig geräumt würden und die Polen nicht über sie hinaus vorstießen. Der Redner mahnte zur Ruhe, Würde, pein¬ lichster Erfüllung aller Verpflichtungen, An¬ erkennung der Befehle höherer Kommando¬ stellen und einer würdigen Haltung den Polen gegenüber. Bezüglich der wirtschaftlichen Befürchtungen der Unteroffiziere betonte Herr Wittmeyer, daß man in der zu bildenden Ostrepublik im Falle eines erfolgreichen Vorgehens gegen Polen den Großgrundbesitz in Ost-, West- Preußen und Schlesien auszuteilen gedachte, um Siedelungen für die Kriegsteilnehmer zu schaffen. In seinem Schlußwort mahnte der Vor¬ sitzende des Vereins und Leiter der Ver¬ sammlung, Registrator Aeltermcmn, die Ruhe zu bewahren und den Friedensverpflichtungen nachzukommen. Man würde durch einen be¬ waffneten Widerstand, der Wahnsinn sei, durch eigene Schuld in Blut und Elend kommen und keiner würde später für die Unteroffiziere sorgen. Am 28. Juni werde in Berlin beim Reichsverbande eine Konfe¬ renz stattfinden, die sich mit den Maßnahmen betr. die Räumung des abzutretenden Ge¬ bietes durch die Unteroffiziersfamilien be¬ schäftigen werde. Auf der Berliner Tages¬ ordnung ständen die finanzielle Sicherstellung der UnterosfizierSfamilien, die zurückbleiben, die Sicherstellung des Persönlichen Eigentums dieser Familien sowie die Vereitstellung von genügendem rollenden Material für die Räumung. Das Kriegsministerium habe sich bereits mit dem Eisenbahnministerium be¬ züglich der Zurverfügungstellung von aus¬ reichendem rollenden Material in Verbindung gesetzt. Mit einem Hinweis auf das heute nach¬ mittag im Gutenberghain stattfindende Wohl¬ tätigkeitskvnzert schloß der Vorsitzende die Versammlung. Dagegen wird festgestellt: Herr Wittmeyer hat weder im Nomen noch im Auftrage des Ausschusses der Volks- räte gesprochen. Wir können nicht annehmen, daß Herrn Wittmeyers Ausführungen so lauteten, wie die „Danziger Zeitung" be¬ richtet hat, bemerken aber schon jetzt zu deren Bericht: Die Deutschen Volksräte sind überall auf breitester demokratischer Grundlage aufgebaut. Reaktionäre Strömungen haben sie stets nicht nur abgewiesen, sondern aufs schärfste be¬ kämpft. Die berichtete Oststaatspolitik war nicht Politik der Deutschen Volksräte, sondern der früheren Regierung. Der Ausschuß der Deutschen Volksräte hat sich selbstverständlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/380>, abgerufen am 15.01.2025.