Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen Aus der Kindheit: "Ich vermißte die Arbeit gar nicht, mein Vater sagte, er Nicht lange mehr war es. Peter Altenberg, du Dichterdilettcmt, aber dein Und nun zu Rodenbergl Das Notwendige, äußerlich Erklärende, innerlich Wird man mir bei diesem persönlichen Erinnerungsbuch eine persönliche Man weiß ja nun nicht, was Frau Justine zurückgehalten hat. Aber soviel spärlich sind die Notizen aus der Schüler- und Studentenzeit in Göttingen ". Gegen Schluß der Aufzeichnungen treten die politischen Verhältnisse in den Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen Aus der Kindheit: „Ich vermißte die Arbeit gar nicht, mein Vater sagte, er Nicht lange mehr war es. Peter Altenberg, du Dichterdilettcmt, aber dein Und nun zu Rodenbergl Das Notwendige, äußerlich Erklärende, innerlich Wird man mir bei diesem persönlichen Erinnerungsbuch eine persönliche Man weiß ja nun nicht, was Frau Justine zurückgehalten hat. Aber soviel spärlich sind die Notizen aus der Schüler- und Studentenzeit in Göttingen „. Gegen Schluß der Aufzeichnungen treten die politischen Verhältnisse in den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336643"/> <fw type="header" place="top"> Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1284" prev="#ID_1283"> Aus der Kindheit: „Ich vermißte die Arbeit gar nicht, mein Vater sagte, er<lb/> wisse nicht, wohin ich steuere, aber es sei nicht seine Sache." Das Urteil<lb/> seines Vaters, der für Viktor Hugo begeistert ist, über ihn. Peter Altenberg:<lb/> ,I^es MserÄbleZ', welche Spannung und Auslegung, ,1813', welche Historie,<lb/> ,klar I'lslanct^, welche Katastrophe! Aber du, kaum fängt es an, ist es bereits<lb/> zu Endet Und um was dreht es sich?I Kein Mensch weiß es. Es tut mir<lb/> leid, in das werde ich mich nie hineinleben I Wieviel Verdienst dn wenigstens<lb/> mit diesen Sachen?" Und dann das traurige Ende. Am 13. Dezember 1918,<lb/> fünf Uhr morgens, beginnt die vorletzte Eintragung: „Du stehst, Peter, also endlich<lb/> nach langen irrsinnigen Kämpfen mit dir selbst und mit dem ganzen Leben über¬<lb/> haupt, soweit es sich auf deine armselige und dennoch ach so komplizierte Persön¬<lb/> lichkeit bezieht, vor deinen eigenen unüberbrückbaren Abgründen..... In einer<lb/> solchen Krise meines unglückseligen Daseins schreibe ich noch rasch diese Zeilen<lb/> nieder, für die anderen, für die anderen, die ähnlich empfinden und rettungs-<lb/> bedürftig sind gleich mir ohne es leider aussprechen zu können gleich mirl Ich<lb/> kann es wenigstens noch aussprechen vorderhand, wer weisz, wie lange noch?I?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1285"> Nicht lange mehr war es. Peter Altenberg, du Dichterdilettcmt, aber dein<lb/> Werk hast du doch in schöner „Ganzheit" — so sagt man heute — getan.</p><lb/> <p xml:id="ID_1286"> Und nun zu Rodenbergl Das Notwendige, äußerlich Erklärende, innerlich<lb/> Denkende sagt einleitend Heilborn — der übrigens als Poet manches Gemeinsame<lb/> mit Rodenberg hat und als Herausgeber des „Literanschcn Echos" gewiß auch<lb/> die Freuden und Leiden des früheren Herallsgebers der „Deutschen Rundschau"<lb/> zu würdigen weiß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1287"> Wird man mir bei diesem persönlichen Erinnerungsbuch eine persönliche<lb/> Erinnerung zugute halten? Ich war Student im zweiten Semester in Berlin,<lb/> Winter 1900. Graueilhaft weit liegt dieses Jahr zurück, nicht wahr. Da<lb/> machte ich meine erste Novelle — das ist einem zweiten Semester erlaubt, einem<lb/> dritten nicht mehr ganz — persönlich zu Rodenberg; ich war „verbiestert", durfte<lb/> ste eigentlich zuerst nur Dr. Paetow zeigen; aber ich vergesse — abgesehen von<lb/> seiner späteren schriftlichen Kritik — die feine Liebenswürdigkeit nicht, mit der der<lb/> damals schon greise Rodenberg seinen begonnenen Brief liegen ließ und sich mit<lb/> dem unbekannten Studenten, der eiligst wieder die Tür zu gewinnen strebte, über<lb/> dieses und jenes unterhielt, vor allem über die Vorlesung Erich Schmidts in<lb/> Mica Semester. Diese Art, Menschen zu behandeln, will erlebt sein, wenn man<lb/> ne ganz verstehen soll, ihr verdanken wir in erster Linie die „Deutsche Rund¬<lb/> schau". Dann begreift man freilich auch diese Tagebücher besser.</p><lb/> <p xml:id="ID_1288"> Man weiß ja nun nicht, was Frau Justine zurückgehalten hat. Aber soviel<lb/> 'u doch deutlich, daß der Dichter Rodenberg, dessen stimmungsreiche Romane<lb/> und Skizzen zu Unrecht halb vergessen sind, hier weniger das Wort ergreift als<lb/> Mensch, dessen Augen trinken, „was die Wimper hält von dem goldenen<lb/> Ubeifluß der Welt". Fünf Seiten umfaßt das „Personenverzeichnis". Von<lb/> -''Miien. die man nicht ohne weiteres erwarten würde, finde ich da S. 177 den<lb/> '.-Professor der Nationalökonomie Dr. Helfferich, eine sympathische, feine Er-<lb/> icheinuug", — alle übrigen darf man erwarten; ja, wen man nnr erwarten<lb/> ^um, den findet man hier auch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1289"> spärlich sind die Notizen aus der Schüler- und Studentenzeit in Göttingen<lb/> ''ud besonders in Marburg. Erst Berlin gibt den großen Klang. Noguette.<lb/> Hunt Heyse, Varnhagen von Ense, die Brüder Grimm treten in Nodenbergs<lb/> ^ben ein, in England, wie jeder weiß, auch Kinkel und Mreiligrath. Und nun<lb/> Magd die Feder: diese Gespräche mit Gottfried .Keller, C. F. Meyer, Storm,<lb/> ^cock, Spielycigen. Dingelstedt, Ibsen, Turgenjeff, Wildenbruch und so vielen<lb/> pudern wollen im Original studiert, nicht im Referat angedeutet sein. Nodenbergs<lb/> Tagebücher sind mit einem Wort ein Quellenwerk ersten Ranges, dessen Nicht-<lb/> ^nutzung für jedes hierher gehörende Buch verhängnisvoll werden müßte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1290" next="#ID_1291"> „. Gegen Schluß der Aufzeichnungen treten die politischen Verhältnisse in den<lb/> Vordergrund — Frau Justine hat da offenbar einige Zugeständnisse gemacht,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0353]
Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen
Aus der Kindheit: „Ich vermißte die Arbeit gar nicht, mein Vater sagte, er
wisse nicht, wohin ich steuere, aber es sei nicht seine Sache." Das Urteil
seines Vaters, der für Viktor Hugo begeistert ist, über ihn. Peter Altenberg:
,I^es MserÄbleZ', welche Spannung und Auslegung, ,1813', welche Historie,
,klar I'lslanct^, welche Katastrophe! Aber du, kaum fängt es an, ist es bereits
zu Endet Und um was dreht es sich?I Kein Mensch weiß es. Es tut mir
leid, in das werde ich mich nie hineinleben I Wieviel Verdienst dn wenigstens
mit diesen Sachen?" Und dann das traurige Ende. Am 13. Dezember 1918,
fünf Uhr morgens, beginnt die vorletzte Eintragung: „Du stehst, Peter, also endlich
nach langen irrsinnigen Kämpfen mit dir selbst und mit dem ganzen Leben über¬
haupt, soweit es sich auf deine armselige und dennoch ach so komplizierte Persön¬
lichkeit bezieht, vor deinen eigenen unüberbrückbaren Abgründen..... In einer
solchen Krise meines unglückseligen Daseins schreibe ich noch rasch diese Zeilen
nieder, für die anderen, für die anderen, die ähnlich empfinden und rettungs-
bedürftig sind gleich mir ohne es leider aussprechen zu können gleich mirl Ich
kann es wenigstens noch aussprechen vorderhand, wer weisz, wie lange noch?I?"
Nicht lange mehr war es. Peter Altenberg, du Dichterdilettcmt, aber dein
Werk hast du doch in schöner „Ganzheit" — so sagt man heute — getan.
Und nun zu Rodenbergl Das Notwendige, äußerlich Erklärende, innerlich
Denkende sagt einleitend Heilborn — der übrigens als Poet manches Gemeinsame
mit Rodenberg hat und als Herausgeber des „Literanschcn Echos" gewiß auch
die Freuden und Leiden des früheren Herallsgebers der „Deutschen Rundschau"
zu würdigen weiß.
Wird man mir bei diesem persönlichen Erinnerungsbuch eine persönliche
Erinnerung zugute halten? Ich war Student im zweiten Semester in Berlin,
Winter 1900. Graueilhaft weit liegt dieses Jahr zurück, nicht wahr. Da
machte ich meine erste Novelle — das ist einem zweiten Semester erlaubt, einem
dritten nicht mehr ganz — persönlich zu Rodenberg; ich war „verbiestert", durfte
ste eigentlich zuerst nur Dr. Paetow zeigen; aber ich vergesse — abgesehen von
seiner späteren schriftlichen Kritik — die feine Liebenswürdigkeit nicht, mit der der
damals schon greise Rodenberg seinen begonnenen Brief liegen ließ und sich mit
dem unbekannten Studenten, der eiligst wieder die Tür zu gewinnen strebte, über
dieses und jenes unterhielt, vor allem über die Vorlesung Erich Schmidts in
Mica Semester. Diese Art, Menschen zu behandeln, will erlebt sein, wenn man
ne ganz verstehen soll, ihr verdanken wir in erster Linie die „Deutsche Rund¬
schau". Dann begreift man freilich auch diese Tagebücher besser.
Man weiß ja nun nicht, was Frau Justine zurückgehalten hat. Aber soviel
'u doch deutlich, daß der Dichter Rodenberg, dessen stimmungsreiche Romane
und Skizzen zu Unrecht halb vergessen sind, hier weniger das Wort ergreift als
Mensch, dessen Augen trinken, „was die Wimper hält von dem goldenen
Ubeifluß der Welt". Fünf Seiten umfaßt das „Personenverzeichnis". Von
-''Miien. die man nicht ohne weiteres erwarten würde, finde ich da S. 177 den
'.-Professor der Nationalökonomie Dr. Helfferich, eine sympathische, feine Er-
icheinuug", — alle übrigen darf man erwarten; ja, wen man nnr erwarten
^um, den findet man hier auch.
spärlich sind die Notizen aus der Schüler- und Studentenzeit in Göttingen
''ud besonders in Marburg. Erst Berlin gibt den großen Klang. Noguette.
Hunt Heyse, Varnhagen von Ense, die Brüder Grimm treten in Nodenbergs
^ben ein, in England, wie jeder weiß, auch Kinkel und Mreiligrath. Und nun
Magd die Feder: diese Gespräche mit Gottfried .Keller, C. F. Meyer, Storm,
^cock, Spielycigen. Dingelstedt, Ibsen, Turgenjeff, Wildenbruch und so vielen
pudern wollen im Original studiert, nicht im Referat angedeutet sein. Nodenbergs
Tagebücher sind mit einem Wort ein Quellenwerk ersten Ranges, dessen Nicht-
^nutzung für jedes hierher gehörende Buch verhängnisvoll werden müßte.
„. Gegen Schluß der Aufzeichnungen treten die politischen Verhältnisse in den
Vordergrund — Frau Justine hat da offenbar einige Zugeständnisse gemacht,
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