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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen

Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen
Julius Rodenberg. "Aus seinen Tagebüchern." Ausgewählt von Justine
Rodenberg, eingeleitet von Ernst Heilborn. Berlin, Fleischel u. Co., 191.9.
XXIII und 191 S. 8°. M. 5,--.
Peter Altenberg. "Mein Lebensabend." Berlin, S, Mischer, 1919. 304 S.
Mit einem Bildnis. 8°. Geh. M. 0,--, geb. M. 8,5V."
Adolf Bartels. "Kinderland. Erinnerungen aus Hebbels Heimat. Frankfurt a. M.,
Diesterweg, 2. Auflage. IX und 473 S. Mit 2 Bildnissen. 8". Geb. M. 5,-.
Verschiedeneres läßt sich kaum denken als die drei Namen, die da zusammen¬

stehen: Rodenberg. der feinsinnige Vertreter einer glänzenden deutschen Literatur-
Periode, die nun schon so weit hinter uns zu liegen scheint; Altenberg, so sehr
allem Rodenbergischen entgegengesetzt, übermodern mit seinem Telegrammstil der
Seele und doch auch er nicht mehr unter den Lebenden; Bartels, die Verkörperung
nationaldeutschen Sinnes in seiner Kunst und seiner Wissenschaft, wie es so nicht
Rodenberg, nicht Altenberg sein konnten. Und dann die verschiedene Heimat ihres
persönlichen und ihres geistigen Seins: der Hesse Levy alias Rodenberg wird ein
Mittelpunkt Berlins; Altenberg ist nicht außerhalb Wiens zu denken; und Hebbels
Landsmann, der Dithmarsche Bartels, führt uns zum dritten deutschen Kultur¬
zentrum, nach Weimar. Mehr kann man von drei Namen wirklich nicht
verlangen, und kräftiger können andere nicht anseinanderstreben.

Trotzdem stehen sie hier einträchtig beieinander, nicht ohne gewichtigen Grund:
alle drei geben wahrheitsgetreue, wirklichkeitsechte Bekenntnisse. "Alles, was hier
aufgeschrieben wird, muß erlebt, muß wahr sein", gelobt Rodenberg im November
1849 als Gymnasiast in Rinteln. Mehr als ein halbes Jahrhundert ist inzwischen
verrauscht, und mit ihm die zweite deutsche Revolution -- aber die Wahrheit, zu
der auch Altenberg und Bartels stehen, ist dieselbe geblieben. Beziehen wir die
von Bartels mitgeteilten Hebbeliaua ein, so spiegelt sich in diesen drei Büchern
ein ganzes Jahrhundert deutschen Geisteslebens treulich wider, so wie es war,
und nicht einen der Bände möchten wir missen.

Freilich gilt es sogleich den Abstand zu wahren. Für Altenberg und Bartels
ist das Nebeneinander mit Rodenberg eigentlich schon Würdigung genug. Nicht
als ob der letztere turmhoch über ihnen stände. Aber hier kommt es nicht so
auf die persönliche Wertung wie auf das gegebene Kulturbild an. Altenberg gibt
uns wieder einmal -- es war leider das letzte Mal -- sein Allerpersönlichstes;
Bartels sucht "ein allseitiges Bild der deutschen Kleinstadt während der sechziger
und beginnenden siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts" zu gestalten. Bei
beiden handelt es sich um ein begrenztes Stück Leben. Rodenberg aber
bietet uns auf viel weniger Seiten seine gesamte Entwicklung und obenein die
der deutschen Literatur, zum Teil auch die der Politik. Ihm allein möchte ich
daher hier folgen, soweit es der knappe Raum erlaubt. Wer Bartels und zumal
Hebbel liest, der wird auch ohnedies nach dein vorliegenden, sinnig und innig
gezeichnet": Bilde ihrer Heimatstadt Wesselburen greifen. Dieses "Kinderland"
ist ein Buch für die Reifen, die Fertigen, die Besinnlichen; die innerlich schon
grosz genug sind, um Freude am Kleinen zu haben; die nicht mehr bloß Faustisches
verlangen, sondern in stiller Klause auch so etwas wie Stifters "Nachsommer"
genirßen. Immerhin schreiben Bartels sowohl wie Altenberg für ihre besiiinmtcn
Kreise, während Nodenbergs Tagebücher sich an alle wenden, Denkmäler der
Geschichte sind, in ihrer Art "asre perennius".

Lassen wir jedoch zuvor dem sterbenden Altenberg das Wort. Da verbietet
sich jedes Referat. Es könnte ihn auch nur entstellen.
"

"Ich soll, beginnt er, "für ein großes Blatt meine Memoiren schreiben.
Ja, sind denn nicht alle diese tausend Impressionen in meinen neun Büchern
bereits meine Memoiren?" Sicherlich, anderes als sich selbst, wie er es Slahl,
hat Altenberg nie geschrieben. Alsbald aber erinnert er sich doch um allerlei,
was köstlich ist, von Seite 2 bis 357 -- Seite 358 beginnt das Inhaltsverzeichnis.


Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen

Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen
Julius Rodenberg. „Aus seinen Tagebüchern." Ausgewählt von Justine
Rodenberg, eingeleitet von Ernst Heilborn. Berlin, Fleischel u. Co., 191.9.
XXIII und 191 S. 8°. M. 5,—.
Peter Altenberg. „Mein Lebensabend." Berlin, S, Mischer, 1919. 304 S.
Mit einem Bildnis. 8°. Geh. M. 0,—, geb. M. 8,5V."
Adolf Bartels. „Kinderland. Erinnerungen aus Hebbels Heimat. Frankfurt a. M.,
Diesterweg, 2. Auflage. IX und 473 S. Mit 2 Bildnissen. 8«. Geb. M. 5,-.
Verschiedeneres läßt sich kaum denken als die drei Namen, die da zusammen¬

stehen: Rodenberg. der feinsinnige Vertreter einer glänzenden deutschen Literatur-
Periode, die nun schon so weit hinter uns zu liegen scheint; Altenberg, so sehr
allem Rodenbergischen entgegengesetzt, übermodern mit seinem Telegrammstil der
Seele und doch auch er nicht mehr unter den Lebenden; Bartels, die Verkörperung
nationaldeutschen Sinnes in seiner Kunst und seiner Wissenschaft, wie es so nicht
Rodenberg, nicht Altenberg sein konnten. Und dann die verschiedene Heimat ihres
persönlichen und ihres geistigen Seins: der Hesse Levy alias Rodenberg wird ein
Mittelpunkt Berlins; Altenberg ist nicht außerhalb Wiens zu denken; und Hebbels
Landsmann, der Dithmarsche Bartels, führt uns zum dritten deutschen Kultur¬
zentrum, nach Weimar. Mehr kann man von drei Namen wirklich nicht
verlangen, und kräftiger können andere nicht anseinanderstreben.

Trotzdem stehen sie hier einträchtig beieinander, nicht ohne gewichtigen Grund:
alle drei geben wahrheitsgetreue, wirklichkeitsechte Bekenntnisse. „Alles, was hier
aufgeschrieben wird, muß erlebt, muß wahr sein", gelobt Rodenberg im November
1849 als Gymnasiast in Rinteln. Mehr als ein halbes Jahrhundert ist inzwischen
verrauscht, und mit ihm die zweite deutsche Revolution — aber die Wahrheit, zu
der auch Altenberg und Bartels stehen, ist dieselbe geblieben. Beziehen wir die
von Bartels mitgeteilten Hebbeliaua ein, so spiegelt sich in diesen drei Büchern
ein ganzes Jahrhundert deutschen Geisteslebens treulich wider, so wie es war,
und nicht einen der Bände möchten wir missen.

Freilich gilt es sogleich den Abstand zu wahren. Für Altenberg und Bartels
ist das Nebeneinander mit Rodenberg eigentlich schon Würdigung genug. Nicht
als ob der letztere turmhoch über ihnen stände. Aber hier kommt es nicht so
auf die persönliche Wertung wie auf das gegebene Kulturbild an. Altenberg gibt
uns wieder einmal — es war leider das letzte Mal — sein Allerpersönlichstes;
Bartels sucht „ein allseitiges Bild der deutschen Kleinstadt während der sechziger
und beginnenden siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts" zu gestalten. Bei
beiden handelt es sich um ein begrenztes Stück Leben. Rodenberg aber
bietet uns auf viel weniger Seiten seine gesamte Entwicklung und obenein die
der deutschen Literatur, zum Teil auch die der Politik. Ihm allein möchte ich
daher hier folgen, soweit es der knappe Raum erlaubt. Wer Bartels und zumal
Hebbel liest, der wird auch ohnedies nach dein vorliegenden, sinnig und innig
gezeichnet«: Bilde ihrer Heimatstadt Wesselburen greifen. Dieses „Kinderland"
ist ein Buch für die Reifen, die Fertigen, die Besinnlichen; die innerlich schon
grosz genug sind, um Freude am Kleinen zu haben; die nicht mehr bloß Faustisches
verlangen, sondern in stiller Klause auch so etwas wie Stifters „Nachsommer"
genirßen. Immerhin schreiben Bartels sowohl wie Altenberg für ihre besiiinmtcn
Kreise, während Nodenbergs Tagebücher sich an alle wenden, Denkmäler der
Geschichte sind, in ihrer Art „asre perennius".

Lassen wir jedoch zuvor dem sterbenden Altenberg das Wort. Da verbietet
sich jedes Referat. Es könnte ihn auch nur entstellen.
"

„Ich soll, beginnt er, „für ein großes Blatt meine Memoiren schreiben.
Ja, sind denn nicht alle diese tausend Impressionen in meinen neun Büchern
bereits meine Memoiren?" Sicherlich, anderes als sich selbst, wie er es Slahl,
hat Altenberg nie geschrieben. Alsbald aber erinnert er sich doch um allerlei,
was köstlich ist, von Seite 2 bis 357 — Seite 358 beginnt das Inhaltsverzeichnis.


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[0352] Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen Drei neue Bücher persönlicher Erinnerungen Julius Rodenberg. „Aus seinen Tagebüchern." Ausgewählt von Justine Rodenberg, eingeleitet von Ernst Heilborn. Berlin, Fleischel u. Co., 191.9. XXIII und 191 S. 8°. M. 5,—. Peter Altenberg. „Mein Lebensabend." Berlin, S, Mischer, 1919. 304 S. Mit einem Bildnis. 8°. Geh. M. 0,—, geb. M. 8,5V." Adolf Bartels. „Kinderland. Erinnerungen aus Hebbels Heimat. Frankfurt a. M., Diesterweg, 2. Auflage. IX und 473 S. Mit 2 Bildnissen. 8«. Geb. M. 5,-. Verschiedeneres läßt sich kaum denken als die drei Namen, die da zusammen¬ stehen: Rodenberg. der feinsinnige Vertreter einer glänzenden deutschen Literatur- Periode, die nun schon so weit hinter uns zu liegen scheint; Altenberg, so sehr allem Rodenbergischen entgegengesetzt, übermodern mit seinem Telegrammstil der Seele und doch auch er nicht mehr unter den Lebenden; Bartels, die Verkörperung nationaldeutschen Sinnes in seiner Kunst und seiner Wissenschaft, wie es so nicht Rodenberg, nicht Altenberg sein konnten. Und dann die verschiedene Heimat ihres persönlichen und ihres geistigen Seins: der Hesse Levy alias Rodenberg wird ein Mittelpunkt Berlins; Altenberg ist nicht außerhalb Wiens zu denken; und Hebbels Landsmann, der Dithmarsche Bartels, führt uns zum dritten deutschen Kultur¬ zentrum, nach Weimar. Mehr kann man von drei Namen wirklich nicht verlangen, und kräftiger können andere nicht anseinanderstreben. Trotzdem stehen sie hier einträchtig beieinander, nicht ohne gewichtigen Grund: alle drei geben wahrheitsgetreue, wirklichkeitsechte Bekenntnisse. „Alles, was hier aufgeschrieben wird, muß erlebt, muß wahr sein", gelobt Rodenberg im November 1849 als Gymnasiast in Rinteln. Mehr als ein halbes Jahrhundert ist inzwischen verrauscht, und mit ihm die zweite deutsche Revolution — aber die Wahrheit, zu der auch Altenberg und Bartels stehen, ist dieselbe geblieben. Beziehen wir die von Bartels mitgeteilten Hebbeliaua ein, so spiegelt sich in diesen drei Büchern ein ganzes Jahrhundert deutschen Geisteslebens treulich wider, so wie es war, und nicht einen der Bände möchten wir missen. Freilich gilt es sogleich den Abstand zu wahren. Für Altenberg und Bartels ist das Nebeneinander mit Rodenberg eigentlich schon Würdigung genug. Nicht als ob der letztere turmhoch über ihnen stände. Aber hier kommt es nicht so auf die persönliche Wertung wie auf das gegebene Kulturbild an. Altenberg gibt uns wieder einmal — es war leider das letzte Mal — sein Allerpersönlichstes; Bartels sucht „ein allseitiges Bild der deutschen Kleinstadt während der sechziger und beginnenden siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts" zu gestalten. Bei beiden handelt es sich um ein begrenztes Stück Leben. Rodenberg aber bietet uns auf viel weniger Seiten seine gesamte Entwicklung und obenein die der deutschen Literatur, zum Teil auch die der Politik. Ihm allein möchte ich daher hier folgen, soweit es der knappe Raum erlaubt. Wer Bartels und zumal Hebbel liest, der wird auch ohnedies nach dein vorliegenden, sinnig und innig gezeichnet«: Bilde ihrer Heimatstadt Wesselburen greifen. Dieses „Kinderland" ist ein Buch für die Reifen, die Fertigen, die Besinnlichen; die innerlich schon grosz genug sind, um Freude am Kleinen zu haben; die nicht mehr bloß Faustisches verlangen, sondern in stiller Klause auch so etwas wie Stifters „Nachsommer" genirßen. Immerhin schreiben Bartels sowohl wie Altenberg für ihre besiiinmtcn Kreise, während Nodenbergs Tagebücher sich an alle wenden, Denkmäler der Geschichte sind, in ihrer Art „asre perennius". Lassen wir jedoch zuvor dem sterbenden Altenberg das Wort. Da verbietet sich jedes Referat. Es könnte ihn auch nur entstellen. " „Ich soll, beginnt er, „für ein großes Blatt meine Memoiren schreiben. Ja, sind denn nicht alle diese tausend Impressionen in meinen neun Büchern bereits meine Memoiren?" Sicherlich, anderes als sich selbst, wie er es Slahl, hat Altenberg nie geschrieben. Alsbald aber erinnert er sich doch um allerlei, was köstlich ist, von Seite 2 bis 357 — Seite 358 beginnt das Inhaltsverzeichnis.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/352>, abgerufen am 15.01.2025.