Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Deutschlands wirtschaftliche Erdrosselung im Ueberseehcmdel Versailler Vertrag setzt. Womit nicht etwa der Ansicht Raum gegeben werden soll, Im wesentlichen handelt es sich hol den neuen Forderungen darum, nach Durch die Auslieferung der Bagger will England uns aber die Möglichkeit Deutschlands wirtschaftliche Erdrosselung im Ueberseehcmdel Versailler Vertrag setzt. Womit nicht etwa der Ansicht Raum gegeben werden soll, Im wesentlichen handelt es sich hol den neuen Forderungen darum, nach Durch die Auslieferung der Bagger will England uns aber die Möglichkeit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0300" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336590"/> <fw type="header" place="top"> Deutschlands wirtschaftliche Erdrosselung im Ueberseehcmdel</fw><lb/> <p xml:id="ID_1102" prev="#ID_1101"> Versailler Vertrag setzt. Womit nicht etwa der Ansicht Raum gegeben werden soll,<lb/> als würden der Note vom 1. November nicht noch weitere folgen. Die Ereignisse<lb/> haben uns ja schon eines besseren belehrt. In , der Note behält sich aber die<lb/> Entente das Recht vor. in jedem Falle, wo Deutschland den Bedingungen des<lb/> Versailler Vertrages nicht pünktlich und gewissenhaft nachkommt, den Zustand des<lb/> Friedens für sich aufzuheben, so das; uns damit der Krieg in Permanenz erklärt<lb/> wird. Das ist — und darauf muß immer wieder hingewiesen werden — der<lb/> drückendste Inhalt der Note, durch den wir völlig und für lange Zeit rechtlos<lb/> gemacht werden sollen. Diese Tatsache ist für viele, die nur flüchtig lesen, hinter<lb/> den materiellen Forderungen der Entente zurückgetreten, wobei gern zugegeben<lb/> sein mag, daß, diese Forderungen einem das Blut in den Adern stocken lassen.<lb/> Festgestellt sei nur, daß es sich bei Auslieferung der Docks, Bagger und Schlepper<lb/> nicht etwa um den Ausfluß einer neuen Bereichcrungswut der Entente handelt,<lb/> die dem deutschen Volkskörper immer mehr Saft und Kraft abzapfen möchte, —<lb/> nein, die Note vom 1. November steht in engster Verbindung mit dem Versailler<lb/> Vertrag, sie ist seine sicherlich längst beabsichtigte, logische Fortführung, das Fort¬<lb/> spinnen eines mehr als teuflischen Planes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1103"> Im wesentlichen handelt es sich hol den neuen Forderungen darum, nach<lb/> dem Raube unserer Handelsflotte einen tödlichen Schlag, einerseits gegen die<lb/> Möglichkeit ihres Wiederaufbaues, andererseits aber auch gegen die Aufnahme<lb/> der Großschiffahrt nach deutschem Häfen überhaupt zu führen! Durch die Be¬<lb/> stimmungen des Friedensvertrages, die von der Internationalisierung der deutschen<lb/> Flüsse handeln, ist dieser Schlag wirksam eingeleitet worden. Gemischte .Kom¬<lb/> missionen werden auf Weichsel, Oder und Elbe die Schiffahrtsverhältnisse regeln.<lb/> Innerhalb dieser Kommissionen besteht für Deutschland stets die Stimmenminder¬<lb/> heit. Von den großen Seemächten ist außer England niemand vertreten. Den<lb/> Kommissionen steht die Befugnis zu, ihre eigene Zuständigkeit zu bestimmen. In<lb/> erster Linie sollen sie die Ausführung der Arbeiten zur Instandhaltung, zum<lb/> Ausbau und zur Verbesserung der Flußgebiete überwachen. Verantwortlich für<lb/> die sachgemäße Leitung dieser Arbeiten bleibt der Uferstaat. Gerät er hierbei in<lb/> Rückstand, so steht den in der Kommission vertretenen Staaten, also von großen<lb/> Seemächten wiederum nur England, das Recht zu, den Uferstaat vor das Gericht<lb/> des Völkerbundes zu bringen. Man erkennt bereits, welch feste Schlinge uns<lb/> um den Hals gelegt ist. Ein, Deutschland, das auf seinen eigenen Wasserstraßen<lb/> Herr wäre, bedürfte einer Überwachung nicht. Sie ist im Grunde genommen<lb/> auch mehr als lächerlich, denn wir haben nach Verlust unserer Handelsflotte ein<lb/> ausgesprochenes Interesse am freien Wettbewerb aller Seemächte innerhalb unseres<lb/> Hoheitsgebietes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1104" next="#ID_1105"> Durch die Auslieferung der Bagger will England uns aber die Möglichkeit<lb/> nehmen, unsere Interessen, was doch nur natürlich wäre, in den Vordergrund zu<lb/> rücken. Es will selbst — und das ist das Wichtige und dabei so Gemeine und<lb/> Hinterhältige — bestimmen, wie der Wasserstand unserer Flußmündungen reguliert<lb/> werden soll. Zwischen dem Eingang zum Kaiser-Wilhelm-Kanal bei Brunsbüttel<lb/> und der Eibemündung liegen zwei Barren, auf denen dauernd gebaggert werden<lb/> muß, um die Passage für große Schiffe aufrecht zu erhalten. Selbst bei ständigen<lb/> Baggern ist es für die größten Schiffe immer nur für wenize Stunden — vor<lb/> und nach Hochwasser — möglich, über die Barren hinwegzufahren. Hieraus<lb/> ergibt sich, daß erhebliche Schwierigkeiten entstehen werden, sobald man die<lb/> Baggerarbeiten auch nur vorübergehend einstellt. Es werden sich Untiefen bilden,<lb/> auf denen die größeren Schiffe sestkommen. Die Folge ist, daß sie geleichtert<lb/> und abgeschleppt werden müssen. Da man uns die Schlepper nehmen will,<lb/> werden sich englische Schlepper dieses gute Geschäft nicht entgehen lassen. Haben<lb/> die großen Schiffe beim Festkommen auf den Barren etwa Beschädigungen er-<lb/> litten, so müssen sie gedockt werden. Nachdem unsere Docks an England aus¬<lb/> geliefert sein werden, wird auch hier der Brite den Ersatz stellen. Es ist bekannt,<lb/> daß England in Ostasien lange Zeit ein Dockmonopol besessen und es mit großem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0300]
Deutschlands wirtschaftliche Erdrosselung im Ueberseehcmdel
Versailler Vertrag setzt. Womit nicht etwa der Ansicht Raum gegeben werden soll,
als würden der Note vom 1. November nicht noch weitere folgen. Die Ereignisse
haben uns ja schon eines besseren belehrt. In , der Note behält sich aber die
Entente das Recht vor. in jedem Falle, wo Deutschland den Bedingungen des
Versailler Vertrages nicht pünktlich und gewissenhaft nachkommt, den Zustand des
Friedens für sich aufzuheben, so das; uns damit der Krieg in Permanenz erklärt
wird. Das ist — und darauf muß immer wieder hingewiesen werden — der
drückendste Inhalt der Note, durch den wir völlig und für lange Zeit rechtlos
gemacht werden sollen. Diese Tatsache ist für viele, die nur flüchtig lesen, hinter
den materiellen Forderungen der Entente zurückgetreten, wobei gern zugegeben
sein mag, daß, diese Forderungen einem das Blut in den Adern stocken lassen.
Festgestellt sei nur, daß es sich bei Auslieferung der Docks, Bagger und Schlepper
nicht etwa um den Ausfluß einer neuen Bereichcrungswut der Entente handelt,
die dem deutschen Volkskörper immer mehr Saft und Kraft abzapfen möchte, —
nein, die Note vom 1. November steht in engster Verbindung mit dem Versailler
Vertrag, sie ist seine sicherlich längst beabsichtigte, logische Fortführung, das Fort¬
spinnen eines mehr als teuflischen Planes.
Im wesentlichen handelt es sich hol den neuen Forderungen darum, nach
dem Raube unserer Handelsflotte einen tödlichen Schlag, einerseits gegen die
Möglichkeit ihres Wiederaufbaues, andererseits aber auch gegen die Aufnahme
der Großschiffahrt nach deutschem Häfen überhaupt zu führen! Durch die Be¬
stimmungen des Friedensvertrages, die von der Internationalisierung der deutschen
Flüsse handeln, ist dieser Schlag wirksam eingeleitet worden. Gemischte .Kom¬
missionen werden auf Weichsel, Oder und Elbe die Schiffahrtsverhältnisse regeln.
Innerhalb dieser Kommissionen besteht für Deutschland stets die Stimmenminder¬
heit. Von den großen Seemächten ist außer England niemand vertreten. Den
Kommissionen steht die Befugnis zu, ihre eigene Zuständigkeit zu bestimmen. In
erster Linie sollen sie die Ausführung der Arbeiten zur Instandhaltung, zum
Ausbau und zur Verbesserung der Flußgebiete überwachen. Verantwortlich für
die sachgemäße Leitung dieser Arbeiten bleibt der Uferstaat. Gerät er hierbei in
Rückstand, so steht den in der Kommission vertretenen Staaten, also von großen
Seemächten wiederum nur England, das Recht zu, den Uferstaat vor das Gericht
des Völkerbundes zu bringen. Man erkennt bereits, welch feste Schlinge uns
um den Hals gelegt ist. Ein, Deutschland, das auf seinen eigenen Wasserstraßen
Herr wäre, bedürfte einer Überwachung nicht. Sie ist im Grunde genommen
auch mehr als lächerlich, denn wir haben nach Verlust unserer Handelsflotte ein
ausgesprochenes Interesse am freien Wettbewerb aller Seemächte innerhalb unseres
Hoheitsgebietes.
Durch die Auslieferung der Bagger will England uns aber die Möglichkeit
nehmen, unsere Interessen, was doch nur natürlich wäre, in den Vordergrund zu
rücken. Es will selbst — und das ist das Wichtige und dabei so Gemeine und
Hinterhältige — bestimmen, wie der Wasserstand unserer Flußmündungen reguliert
werden soll. Zwischen dem Eingang zum Kaiser-Wilhelm-Kanal bei Brunsbüttel
und der Eibemündung liegen zwei Barren, auf denen dauernd gebaggert werden
muß, um die Passage für große Schiffe aufrecht zu erhalten. Selbst bei ständigen
Baggern ist es für die größten Schiffe immer nur für wenize Stunden — vor
und nach Hochwasser — möglich, über die Barren hinwegzufahren. Hieraus
ergibt sich, daß erhebliche Schwierigkeiten entstehen werden, sobald man die
Baggerarbeiten auch nur vorübergehend einstellt. Es werden sich Untiefen bilden,
auf denen die größeren Schiffe sestkommen. Die Folge ist, daß sie geleichtert
und abgeschleppt werden müssen. Da man uns die Schlepper nehmen will,
werden sich englische Schlepper dieses gute Geschäft nicht entgehen lassen. Haben
die großen Schiffe beim Festkommen auf den Barren etwa Beschädigungen er-
litten, so müssen sie gedockt werden. Nachdem unsere Docks an England aus¬
geliefert sein werden, wird auch hier der Brite den Ersatz stellen. Es ist bekannt,
daß England in Ostasien lange Zeit ein Dockmonopol besessen und es mit großem
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